Angaleena Presley - American Middle Class

CD Cover: Angaleena Presley - American Middle Class

Der Name Angaleena Presley mag zwar nicht jedem Country Music Fan ein Begriff sein, doch ihre Musik dürften die meisten dennoch bereits gehört haben. Als Mitglied der Pistol Annies sorgte die 38-jährige gemeinsam mit Miranda Lambert und Ashley Monroe für reichlich Furore in Nashville. Auf zwei äußerst erfolgreiche Alben brachte es das stürmische Trio, doch seit Mitte 2013 liegt das Projekt auf Eis. Als Hauptgrund für die (temporäre?) Auszeit gilt, dass die Solokarrieren von Lambert und auch Monroe einfach zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Verständlich, dass auch Presley nun Ansprüche erhebt, auf eigenen Beinen zu stehen und eine eigene musikalische Identität zu forcieren. Mit dem Album "American Middle Class", bei dem die Sängerin auch als Co-Produzentin fungierte, nimmt dieser Traum ein großes Stück Realität an.

Die Pistol Annies zeichneten sich stets durch einen unkonventionellen Sound aus, und auch bei Presleys Debüt wird schnell klar, dass sie mit ausgelutschten Mainstream-Klängen nur wenig am Hut hat. Der Auftakt "Ain't No Mean" beginnt mit einer schrammeligen Gitarre, einem ungeduldigen Schlagzeug und einer bluesigen, sumpfigen Strophe. Presleys angenehme Stimme ergänzt dieses eigenwillige Arrangement zu einen Gesamtkonstrukt, das aneckt, aber irgendwie auch Charme hat. Gleiches gilt auch für das folgende "All I Ever Wanted". Es sind keine Melodien, die sich zäh wie Honig auf die Ohren legen, sondern vielmehr ungewöhnliche Inszenierungen, die gefallen, weil sie anders sind. Nach druckvollen E-Gitarren oder pompösen Arrangements sucht man zunächst vergeblich. Etwas zugänglicher wird es mit "Grocery Store", bei dem trotz des eher gemächlichen Tempos an manchen Stellen zart aufgedrehte Verstärker vernehmbar sind und der Sound ein wenig griffiger ist. Der Titeltrack "American Middle Class" ist dann eine mit einem Hauch von Twang versehene Nummer, die von Presleys bescheidenen, mittelständischen Wurzeln im ländlichen Kentucky berichtet. Besonders unterhaltsam ist die gesprochene Einleitung durch den Vater der Künstlerin, dessen Akzent wohl selbst bei Muttersprachlern für Verständnisprobleme sorgen könnte.

Das Leben in den Südstaaten steht auch bei "Dry County Blues" im Vordergrund. Der grimmige Song malt ein düsteres Bild von Arbeitslosigkeit, Langeweile, Drogenkonsum, und der illegalen Beschaffung von Alkohol. Erinnert irgendwie an die beißenden Beobachtungen von Kacey Musgraves, was Presley hier vermittelt. Erfrischend, dass auch ernste Thematiken ihren Platz in der Country Music finden. Ähnlich beklemmend geht es mit "Pain Pills" weiter. Trotz der fast schon schmissigen musikalischen Begleitung ist die Botschaft des Liedes alles andere als rosig. Presley beklagt den weit verbreiteten Missbrauch von Schmerzmitteln, der Menschen zu Grunde richtet. Es ist dieses Talent, mit der Musik Geschichten zu erzählen, das die brünette Sängerin auszeichnet. Das zeigt sich auch bei "Knocked Up", in dem Presley einen sarkastisch angehauchten Blick auf eine (oder vielleicht gar ihre?) ungewollte Schwangerschaft wirft.

Richtig persönlich wird es dann bei "Drunk", einer gnadenlosen Abrechnung mit ihrem Ex-Mann, dem Vater ihres Kindes. Presley klagt an, dass sie alle Last des Lebens schulterte, während ihr Partner seine volle Aufmerksamkeit dem Alkohol widmete. Harter Tobak, aber hier spielt wohl das klassische Konzept von Musik als Therapie eine tragende Rolle. Abgesehen von der Thematik zählt der Song auch musikalisch zu einem der herausragenden Stücke des Albums. Wenn schließlich nach dem groovigen "Blessing and a Curse" die letzten Klänge des melancholischen "Surrender" erklingen, endet ein Hörerlebnis, das anspruchsvoll, aufwühlend und schlicht anders als das ist, was die Country Industrie gewöhnlich hervorbringt.

Fazit: Angeleena Presley liefert mit "American Middle Class" ein Album ab, auf dem mit den Texten noch wirkliche Geschichten erzählt werden. Musikalisch eigenwillig, aber dennoch voller Emotionen beansprucht die Künstlerin eine musikalische Nische für sich, die ihr so schnell niemand streitig machen wird.

Label: Slate Creek (hier nicht veröffentlicht) VÖ: 14. Oktober 2014

  • Titelliste

01 Ain't No Man 07 Life of the Party
02 All I Ever Wanted 08 Knocked Up
03 Grocery Store 09 Better off Red
04 American Middle Class 10 Drunk
05 Dry County Blues 11 Blessing and a Curse
06 Pain Pills 12 Surrender

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