Vielleicht ja nicht mehr so lange. Denn wenn es der Band um die singenden und musizierenden Brüder Willy und Cody Braun gelingt, den Weg der letzten Alben fortzusetzen, dann ... ja, dann wird aus Reckless Kelly noch ein guter Bekannter aus den einschlägigen Hitparaden.
Das Zeug zum Erfolg haben die Wahl-Texaner allemal. Sie beherrschen ihre Instrumente, sie haben ein glückliches Songwriter-Händchen, sie sind mit charmanten, kraftvollen Stimmen gesegnet, und: sie sind kreativ und haben Phantasie. Manchmal vielleicht sogar ein bisschen zu viel davon. So reicht ihnen bisweilen das simple, kerzengerade Arrangement nicht aus. Schon beim Opener und Titeltrack sorgen synkopierte Tom-Tom-Grooves und verzerrte Gitarren für wuchtiges Pathos - das in manchen Momenten an Neil Young während einer salbungsvollen Schaffensperiode denken lässt. Dennoch hat der Song natürlich seinen eigenen Reiz. Vor allem wohl für die Band, denn gegen Ende der CD servieren sie eine über dreieinhalb minütige "Reprise"-Version des Titels. Na ja, kann man machen. Muss man aber nicht machen.
Vor allem auch deshalb, weil Gebrüder-Braun und Co. auch simple, dafür aber zwingende Songs im Repertoire haben. Man höre nur "Real Cool Hand", ein rotziger, unbekümmerter, lässiger, kurzum: starker Titel, der jederzeit auch einem gut gelaunten Tom Petty zu Gesicht stehen würde. Oder "I Can't Stand It" - ein deftig, eckig-kantiger Country-Rocker im Midtempo-Bereich.
Zur vollen Blüte läuft das Ensemble immer auf, wenn es sich auf Folk-Rock-Terrain begibt. Das fröhliche, an Byrds-Höhenflüge gemahnende "The Girl I Knew" und die gar nicht mal so traurige Ode an den endgültigen Abschied "The Last Goodbye" gehören zu den schönsten Folk-Songs der letzten Zeit. Titel, die sich ganz klar auf die 70er Jahre beziehen: klassischer Harmonieaufbau, vielstimmige Harmony-Vocals, eine perlende Solo-Gitarre und – als solides Fundament – eine brummende Orgel.
Fast ein Jahrzehnt weiter rückwärts gewandt erscheint das finale (Bonustrack) "Any Directions From Her". Der zupackende, hemdsärmelige Country-Rock erinnert in seiner Unbeschwertheit an Buffalo Springfield. Womit der Kreis zum guten Neil geschlossen wäre.
Fazit: Das vermutlich stärkste Album der Country-Rocker aus Austin – mit herrlich nostalgischen Momenten und wunderbar eingängigen Songs.
Label: No Big Deal / Blue Rose (Soulfood) | VÖ: 11. Oktober 2013 |
Titelliste
01 | Long Night Moon | 07 | I Can't Stand It |
02 | Real Cool Hand | 08 | The Last Goodbye |
03 | Irish Goodbye | 09 | I Didn't Mean To Break Your Heart |
04 | Every Step of The Way | 10 | The Only Home I've Ever Known |
05 | Be My Friend (In Real Life) | 11 | Long Night Moon (Reprise) |
06 | The Girl I Knew | 12 | Idaho |