Stephen Stills - Carry On (Box-Set)

Das liegt nicht nur an der musikhistorischen Bedeutung dieser so sorgfältigen Bestandsaufnahme des Musikers. Sondern daran, dass  sich die Macher für diese klingende Biografie wirklich alle nur erdenklichen Mühen gegeben haben: Sie haben Material gesichtet, bewertet, geforscht und in den Archiven gestöbert und Songs zu Tage gebracht, die das Portrait von Stephen Stills in allen seinen Facetten zeigt.

Es ist: ein musikalisches Gesicht mit vielen Schattierungen und Charakterzügen. Natürlich kennt jeder halbwegs an Folk und Rock interessierte Musikkonsument seine berühmten Stationen: Buffalo Springfield (in den 60er Jahren) und natürlich Crosby, Stills, Nash & Young (in den 70ern). Doch diesen prominenten, hell illuminierten Eckpfeilern seiner rund 50 Jahre andauernden Karriere stehen auch einige weniger ausgeleuchtete Säulen zur Seite. Zum Beispiel Sessions mit einem gewissen Jimi Hendrix. "No-Name Jam" berichtet davon - mit rustikalen, experimentellen Beat-Klängen.

Oder seine Arbeiten mit einer Formation namens The Au Go Go Singers und mit dem texanischen Songschreiber und Entertainer Steve Fromholz. Neben seinem umfangreichen Solo-Werk hält die 4-CD-Box natürlich auch die Glanzlichter seiner Kooperationen mit Crosby und Nash und nur mit Graham Nash bereit. Lediglich die Songs der Stills Young Band (Album: "Long May You Run") finden nicht Einzug in diese Werkschau. Warum nicht? Rechtsanwälte und Musikverlage werden es wohl wissen.

Natürlich gibt es im Verlauf der über 300 Minuten Musik ein Wiederhören mit alten Bekannten: "Go And Say Goodbye" und "For What It’s Wort", die Hippie-Ikonen von Buffalo Springfield. "Helplessly Hoping", "Suite: Judy Blue Eyes" und "You Don’t Have To Cry" von Crosby, Stills & Nash. Vielleicht nicht immer besser aber zumindest mit noch mehr Star-Power versehen war der Dreier wenn auch noch Neil Young mit von der Partie war. "Woodstock" erinnert gleichermaßen an das Mega-Festival wie an die Initialzündung dieser Supergroup. Bislang unveröffentlichte Songs wie "Carry On / Questions" und der 2002 im New Yorker Madison Square Garden aufgezeichnete Mitschnitt des Otis Redding-Klassikers "Ole Man Trouble" belegen: keine andere Formation hat diesen wundervollen vierstimmigen Satzgesang besser drauf gehabt, als Crosby, Stills, Nash & Young.

In der langen Songlist finden sich auch einige echte Perlen. Zum Beispiel der bislang unveröffentlichte Opener "Travelin‘", ein Track den Stills als 17-jähriger Blondschopf aufgenommen hat. Oder "Change Partners", das Ober-Grateful-Dead Jerry Garcia an der Pedal Steel Guitar zeigt. Zu den vielen Falten im künstlerischen Konterfei Stephen Stills’ gehören auch Anleihen im Cajun, im Jazz und im Latin. Wie sehr der laut Rolling Stone in der Liste der "100 besten Gitarristen aller Zeiten" auf dem stolzen 28. Platz rangierende Musiker aber auch mit Country flirtete wird ebenfalls deutlich. Schön und kraftvoll zum Beispiel bei "Song of Love", bei dem ihm Chris Hillman zur Seite stand.

Apropos Sidemen: Seine Mitmusiker sind auf diesen knapp sieben Dutzend Titeln Könner und Legenden wie: Eric Clapton, Ringo Starr, Danny Kortchmar, Joe Vitale, Rita Coolidge, John Sebastian, Jim Messina und eben erwähnter Jimi Hendrix. Eindrucksvoller lässt sich der Stellenwert eines Musikers kaum beschreiben.

Fazit: Vier CDs - 300 Minuten Rock- und Folk-Lexikon. "Carry On" - Eine Zierde für jede CD-Sammlung.