Ihre Landsmänner von den Cowboy Junkies haben es vorgemacht: 1987 verliehen sie ihrem Klassiker "The Trinity Sessions" einst durch den Aufnahmeort, die Trinity-Kirche im kanadischen Toronto, einen ganz besonderen Klang und authentische Atmosphäre. Ein Konzept, das sich bei den Great Lake Swimmers fast schon zur Manie, in jedem Fall aber zum Markenzeichen entwickelt hat. Während "Ongiara" in der Aeolian Hall in London (Ontario) entstand, liest sich die Liste der historischen Stätten, an denen die Band "Lost Channels" aufnahm, wie die Reiseroute kanadischer Touris auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Dekker wählte alte Kirchen, Gemeindesäle, ungenutzte Getreidesilos und ländliche Örtlichkeiten für seine Aufnahmen. Die Band zog den St. Lawrence River stromaufwärts in das Naturschutzgebiet Thousand Islands zwischen Toronto und Montreal und fing die feinsinnigen Folksongs ein wie ein Schmetterlingsjäger Schmetterlinge mit dem Netz.
Lyrische Akustiknummern, die ihre Naturverbundenheit teilweise schon im Titel tragen wie "River's Edge". "Everything Is Moving So Fast" heißt ein anderer Song. Und das mag auf die schnelllebige Welt zutreffen, nicht aber auf die Band. Great Lake Swimmers spielen im besten Sinne entschleunigt. Luftige Gitarren-Arrangements, dezente Geigen, gelegentlich ein Banjo, und immer wieder Dekkers betörend harmonischer Gesang bilden einen Klangteppich, der geradewegs aus dem Himmel zu kommen scheint. Titel wie "New Light" und die als Zäsur eingestreuten Glockenklänge "Singer Castle Bell" verstärken diesen Eindruck noch. Nimmt die Band doch mal Tempo auf, wie in dem countryesken "The Chorus in the Underground" oder dem rockigen "She Comes to Me in My Dreams", dann wirkt das nie hektisch urban, sondern wie ein Fluss, dessen Strömung zugenommen hat, um beim nächsten Stück wieder sanft zu plätschern.
Überhaupt durchzieht die Symbolik des Flusses das ganze Album. Beispielsweise spielt der Titel auf eine Passage des St.-Lawrence-Flusses an, wo ein britisches Kriegsschiff im Jahre 1760 auf geheimnisvolle Weise verschwand. Aber Great Lake Swimmers beschwören die Mythen der Vergangenheit, ohne sich vor der Gegenwart zu verschließen. Ihr intimer Indie-Folk ist jedenfalls alles andere als von gestern, sondern passt zur derzeitigen Welle zeitgenössischer sanfter Klänge. Wenn sie so weitermachen, werden sie ihren Noch-Geheimtipp-Status, den sie sich in den letzten sieben Jahren mit Konzerten auf der ganzen Welt hart erarbeitet haben, schon bald abschütteln können. Denn ihrer Heimat zählen sie längst zu den Top-Acts.
Fazit: Die Great Lake Swimmers schwimmen im Fahrwasser von Indie-Folk-Größen wie Bonnie "Prince" Billy und Sufjan Stevens, aber mit einem eigenständigen Stil. Versponnene Mantras, zum Dahinschmelzen schön.
Label: Nettwerk (Soulfood) | VÖ: 03. April 2009 |
Titelliste
Links
01 | Palmistry | 07 | Singer castle bells |
02 | Everything is moving so fast | 08 | Stealing tomorrow |
03 | Pulling on a line | 09 | Still |
04 | Concrete heart | 10 | New light |
05 | She comes to me in dreams | 11 | River's edge |
06 | The chorus in the underground | 12 | Unison falling into harmony |