Na ja, die vergleichenden Bilder mögen ja um einen Tick zu dramatisch gemalt sein. Fest steht aber, dass Ilse DeLange mit diesem sechsten Album ein neues Kapitel in ihrer rund zehnjährigen CD-Karriere aufschlägt. Avancierte die charmante Sängerin mit ihrem 1998 erschienenen Debüt "World of Hurt" als womöglich beste europäische Country-Stimme, hat sie seit ihrem 2003 erschienenen Album "Clean Up" offenbar eine künstlerische Identitätskrise durchlebt. Alles was sie seit dem veröffentlichte war die Best-Of-Sammlung ("Here I Am - 1998-2003"). Und nun also "The Great Escape" - der große Befreiungsschlag.
Um es vorweg zu nehmen: Countryfans, und diese werden vornehmlich diese Website besuchen, werden nach dem ersten Durchhören von "ihrer" Ilse DeLange enttäuscht sein. Denn von Country, Western oder gar Bluegrass-Roots ist hier ähnlich viel zu finden, wie bei einem Madonna-Album -also Fehlanzeige. Da muss man schon sehr wohlwollend sein und quasi mit der Lupe in die 14 Eigenkompositionen rein hören, um noch C&W-Elemente aufzuspüren. Wer seinem CD-Player partout keine andere Kost als rechtschaffenen Country vorsetzt, braucht also gar nicht weiter lesen. Wer stilistisch offener ist, sollte dieser Rezension - und damit auch "The Great Escape" - eine Chance geben. Es lohnt sich, meint zumindest der Autor dieser Zeilen.
Das liegt zum einen an der wirklich bezaubernden Gesangskunst der Niederländerin: sanft, hintergründig, sexy, intelligent, ausdrucksstark, authentisch, klar ... die Sängerin setzt souverän und ohne aufdringlich zu modulieren auf die schlichte Präsenz ihrer Stimme. Zu Recht. So kann sie jedem Titel ihren Stempel aufdrücken - und dabei auch eine erstaunliche musikalische Bandbreite präsentieren. Man nehme nur die aufeinander folgenden Tracks "Miss Politician" und "Don't you Let Go of Me" - während ersterer Titel mit hektischen Elektronik-Schnipsel Harmonie kaum aufkommen lässt, badet der darauf folgende Song genüsslich in bittersüßen, mit Streicher-Ensemble versehenen und an keltische Traditionen erinnernden Folk-Harmonien.
Diese zwei Pole beschreiben die in Los Angeles aufgenommene CD: Auf der einen Seite pochen kalte Synthesizer, tuckern Drumcomputer - auf der anderen Seite sorgen Geigen, Gitarren und - in Ausnahmefällen und damit rare Country-Reminiszenz - eine Pedal Steel-Guitar für die analoge Erdung. Für diesen Spagat hat sich die Ex-Country-Sängerin den dafür wohl perfekten Wegbegleiter ausgeguckt: Patrick Leonard. Der seit Jahren hiterprobte Songschreiber und Produzent -darunter Schwergewichte wie Madonna, Elton John, Jewel und Pink Floyd - garantiert exquisite und anspruchvolle Popklänge. Leider aber kein Country.
Fazit: Von Country ist Ilse DeLange soweit entfernt wie Los Angeles von Amsterdam. Die zwischen Electro und Folk-Pop pendelnden Songs verströmen - dank der schönen Stimme - trotzdem wohliges Flair.
Label: Universal (Universal) | VÖ: 2. Februar 2007 |
Titelliste
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01 | Reach For The Light | 08 | Carry Hope |
02 | The Lonely One | 09 | Waterfall |
03 | The Great Escape | 10 | Far Away |
04 | Was It Love | 11 | I Love You |
05 | I Always Will | 12 | The Valley |
06 | Miss Politician | 13 | When |
07 | Don't You Let Go Of Me | 14 | Beautiful |
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