Die Dokumentation The Unauthorized Biography über Johnny Cash ist Plakativ, fad und oberflächlich
"Johnny Cash - The Unauthorized Biography" besteht aus einer spärlichen Ansammlung von tausendfach gesehenen Fotos, Dokumentarschnipseln und schauderhaften, plakativ nachgestellten Szenen. Wirklich interessantes Originalmaterial lässt sich an einer Hand abzählen, die Fotoauswahl ist so dünn, dass John Ross permanent dieselben Bilder verwendet, bis man sich verarscht vorkommt.
Das halbe Leben von Johnny Cash
Dabei sind die ersten Minuten der Dokumentation durchaus noch ganz interessant. Schließlich lässt sich Cashs Kindheit und Jugend in Dyess, Arkansas kaum anders als durch Bilder illustrieren, und die zusätzlichen Dokumentaraufnahmen vermitteln zumindest ein Gefühl für die damalige Zeit. Doch spätestens nach seinem US-Airforce-Aufenthalt in Landsberg und dem Aufstieg bei Sun Records erwartet man mehr - und wird enttäuscht.
Außer einigen Ausschnitten aus der TV-Show "This Is Your Life", in der Johnny Cash 1972 auf alte Weggefährten wie seine "Landsberg Barbarians"-Partner traf, werden einem immer wieder dieselben Fotos untergejubelt. Selbst zu June Carter Cash fiel Ross nicht mehr ein, als im Laufe des Films ein paar Bilder einzublenden. Besonders ärgerlich: Ross macht es sich einfach und folgt dramaturgisch James Mangolds Biopic "Walk The Line": Die Dokumentation endet ebenfalls Anfang der 1970er Jahre, wobei nicht einmal die Knastkonzerte in San Quentin und Folsom gewürdigt werden. Die Zeit bis Mitte der 1990er handelt Ross lapidar mit der Info ab, Cash habe für Präsidenten gespielt und viele Konzerte gegeben. Und sein furioses Comeback Mitte der 90er Jahre - ohne Übertreibung wohl eines der ungewöhnlichsten und aufregendsten der Musikgeschichte - taucht hier als Fußnote auf, zwei Rick-Rubin-Fotos inklusive. Kein Wunder, dass sich Johnny Cashs abwechslungsreiches Leben in knapp 70 Minuten pressen lässt, wenn man die zweite Hälfte ignoriert.
Stupide Szenen
Die Recherche zu der "Unauthorized Biography" kann man sich bildhaft vorstellen: Mal kurz Johnny Cashs Autobiografie querlesen, "Walk The Line" kucken, ein paar bekannte Fotos auswählen (Johnny mit Sonnenbrille bei seiner Verhaftung, Johnny von Drogen ausgezehrt, Hochzeit mit June Carter, etc.) - fertig ist die Dokumentation.
Immerhin hat Ross Johnnys acht Jahre jüngeren Bruder Tommy Cash, Bassist Marshall Grant und Drummmer W. S. Holland interviewt (die vollständigen Gespräche mit Cash und Holland sind als Bonus enthalten), um wenigstens ein paar Anekdoten aus erster Hand zu erfahren. Aber wo sind die Interviews mit Weggefährten wie Rick Rubin, Kris Kristofferson , Willie Nelson oder Familienmitgliedern wie Rosanne und John Carter Cash? Stattdessen immer wieder dieselben stupiden, nachgestellten Szenen: Tabletten, die auf einer Gitarre im Gegenlicht schimmern, ein Mann in Schwarz, der einen Fernseher aus dem Fenster schmeißt, eine Motelwand zertrümmert, zittrig an einer Pillendose nestelt, und ein Fuß, der die Bühnenbeleuchtung der Grand Ole Opry zertritt. Dann lieber auf das Biopic "Walk The Line" zurückgreifen. Da erfährt man genauso viel und wird noch großartig unterhalten.
Fazit: Einfallslose TV-Dokumentation nach Schema F, langweilig zusammengebastelt - nur wer einen schnellen Überblick zu Johnny Cash braucht, kommt "The Unauthorized Biography" weiter.