"Gold Chain Cowboy" hat alles verändert. Den Status, die Wahrnehmung, die Erwartungshaltung. Wer da bei dem nachfolgenden Werk keinen Druck verspürt, muss Nerven aus Drahtseilen haben. Mindestens. Andererseits bringt dieser Druck bei manchen Künstlern das Beste und Kreativste zum Vorschein, er lässt sie aufblühen. Auch Parker McCollum? Wir sind gespannt.
Parker McCollum: nur optische Ähnlichkeiten mit Elvis
So viel vorab: Parker McCollum hat sich in der Country Music seine Meriten verdient. Er hat sich das Handwerkszeug drauf geschafft, er hat ein Gespür für diese Art von Musik, für die Themen, für die Melodien, für die Fans. Das ist schon mal die halbe Miete. Bevor wir uns die 15 neuen Titel zu Gemüte führen, noch ein Wort zum Cover. Wem dämmert es da bei dem Anblick des doppelten McCollum? Logo! Das berühmte Elvis-Motiv von Andy Warhol. Und tatsächlich, mit seiner hingeföhnten Tolle, dem Jeanshemd und der lässigen Pose erinnert der schneidige Texaner durchaus an den King des Rock 'n' Roll. Doch - und das gehört auch zur Wahrheit - damit hat es sich auch schon mit den Gemeinsamkeiten.
Denn anders als der berühmte Sohn des LKW-Fahrers aus Tupelo ist Parker McCollum eher ein Mann für die ruhigen, vielleicht sogar für die introvertierten Töne. Nicht dass er nicht rocken könnte. Das schon. Doch bei ihm hat man immer das Gefühl, dass er die Handbremse ein kleines bisschen angezogen hat. Vollgas? Nicht mit ihm. Selbst wenn er, wie im Opener, von einem "Hurricane" singt, die Band stramm und druckvoll soliden Heartland-Rock ausbreitet, hält er sich etwas zurück. Sein Gesangsvortrag erinnert eher an ein kleines Stürmchen, als an einen ausgewachsenen Hurricane. Ein Umstand, der dem smarten Newcomer leider ein paar Punkte Abzug bringt.
Titel wie "Tough People Do" oder das durchaus programmatische "Speed" könnten jedenfalls eine gute Schippe mehr Energie im Vortrag vertragen. Gerade in diesen dynamischen Tracks fällt sein eher lakonischer Gesang auf, da spürt man, dass der letzte Funke zum Feuer fehlt, vielleicht auch die letzte Entschlossenheit. Ein Elvis hätte bei diesen Rockern schon anders hingelangt.
"Never Enough": die ruhigen und balladesken Songs sind top
Vermutlich weiß Parker McCollum um dieses Defizit. Nicht umsonst prägen balladeske und ruhige Songs "Never Enough". In diesen runtergedimmten, nicht selten auch melancholischen Tracks spielt der Sänger indes seine Trümpfe überzeugend aus. Nehmen wir nur mal den gemütlich angelegten Mainstream-Rocker "Best I Never Had" oder das nachfolgende Klavier-Rührstück "Things I Never Told You". Hier wird der Mann zum glaubwürdigen Storyteller. Zum einfühlsamen Kerl, der imstande ist, sein Innerstes nach Außen zu kehren. Diese Qualitäten zeichnen gleich mehrere Titel von "Never Enough" aus: im wehmütigen Country-Rock von "Burn It Down", im moll-gefärbten und im Halftime-Shuffle arrangierten "Stoned" oder - ein Highlight der CD - im ganz im Stile der 90er Jahre angelegten "Handle On You". Letzteres ist ein simpler Song, ohne Firlefanz, dafür mit glaubwürdiger Message und schönen Instrumental-Parts.
In der zweiten Album-Hälfte schlägt McCollum fast nur noch ruhige Töne an - und punktet auf ganzer Linie: Das altersweise, im 6/8-Takt gehaltene "Lessons From an Old Man", die eher deprimierende Bestandsaufnahme "Tails I Lose" sowie "Too Tight This Time" und "Don't Blame Me" - zwei akustische Folk/Bluegrass-Perlen - weisen den Jungspund als gereiften Sänger/Songschreiber aus.
Fazit: Etwas hüftsteif im flotten Rock, aber überzeugend in den ruhigen Songs: Parker McCollum schärft mit "Never Enough" sein künstlerisches Profil.
Label: MCA Nashville (Universal) | VÖ: .12 Mai 2023 |
Disk 1 | |
01 | Hurricane |
02 | Best I Never Had |
03 | Things I Never Told You |
04 | Burn It Down |
05 | Stoned |
06 | Handle on You |
07 | Lessons from an Old Man |
08 | Tough People Do |
09 | Speed |
10 | Tails I Lose |
11 | I Ain't Going Nowhere |
12 | Too Tight This Time |
13 | Don't Blame Me |
14 | Have Your Heart Again |
15 | Wheel |