Klare Antwort: Jein! Selbstverständlich sagt der gleiche Nachname noch gar nichts über Qualität und Talent eines Menschen aus. Andernfalls müsste ja auch jeder "Müller" ein begnadeter Fußballer sein. Andererseits reiht man sich im Falle des jungen Herrn Zimmerman schon in die Assoziationskette mit dem großen Bob ein. Geht nicht anders. Ist so. Aber von Druck ist bei dem dunkellockigen Jungspund trotzdem nichts zu spüren, nichts zu hören. Natürlich nicht. Er stammt ja auch aus einer ganz anderen Generation - und er macht, bis auf ein paar Song-Ausnahmen, auch eine ziemlich andere Mucke als Meister Dylan.
Starkes Debüt: "Religiously. The Album."
Welcher Generation Bailey Zimmerman angehört, zeigt sich schon beim Karriereverlauf. Die startete, wie bei so vielen jungen Talenten, via Social Media. Im Jahr 2020 begann er, seine Songs auf TikTok zu stellen und er ersang sich nach und nach eine immer größer werdende Follower-Gemeinde. Im Januar 2021 veröffentlichte er seine erste Single "Never Comin' Home", die es in Amerika in die Spotify-Bestenliste schaffte. Es folgten im Jahr 2022 weitere Appetithappen: "Fall in Love" und "Rock and a Hard Place", die beide die US Country Airplay-Charts eroberten (und in den Country-Charts jeweils die Top 5!), sowie die EP "Leave The Light On", die sich ebenfalls prächtig in den Hitparaden schlug.
Getreu dem Step-by-Step seines Karriereweges fehlte jetzt nur noch das Album-Debüt - das er jetzt mit "Religiously. The Album." vorlegt: 16 Tracks, inklusive der meisten bereits veröffentlichten Titel. Auch der Titeltrack hat in diesem Jahr schon das Licht der Öffentlichkeit erblickt, schlug sich aber bei weitem nicht so gut, wie die anderen Titel. Warum wohl? Schließlich hält auch dieser Song schönen, stark gesungenen, modern aufbereiteten Folk-Rock bereit. Wie vom Country-Radio gewünscht, legt man im Refrain eine ordentliche Schippe Druck und Power drauf. Kein neues Rezept, ganz im Gegenteil. Vermutlich aber ist es der etwas nach komplexen und komplizierten Themen klingende Song-Titel, der munterem Streamen entgegenwirkte. Vielleicht, man weiß es nicht. An der mangelnden Song-Qualität kann es jedenfalls nicht liegen, dass der Track nur im Mittelfeld der entscheidenden Charts landete.
Also kommen wir mal zu seinen beiden hier vorstellig werdenden Hits: Zum einen ist das "Fall in Love". Ein Song, der im "Religiously. The Album."-Song-Set heraussticht. Ein exzellent melodischer, mit angezogener Handbremse rockender, ganz nach Sehnsucht und schwerblütigem Verlangen klingender Track, der mit seiner düsteren, trotzdem eingängigen Art an die Balladen von Rock-Acts wie Nickelback oder Limp Biskuit erinnert. Ebenfalls im Balladenfach angelegt ist sein zweiter Bestseller: "Rock and a Hard Place". In dem Song brilliert er zu ruhigen, größtenteils akustisch angelegten Tönen mit einer exzellenten Raukehlchen-Stimme. Dass der Kerl erst 22, 23 Jahre alt ist, würde man nie und nimmer erwarten. Nicht nur, weil er stimmlich ausgereift klingt. Er intoniert und phrasiert auch so souverän wie das eigentlich nur ein alter Hase hinbekommt. Respekt!
Großes Sänger/Songschreiber-Talent: Bailey Zimmerman
Beide Songs verdienten sich in verschiedenen Formaten "Platin"-Status. Kein Wunder, muss man sagen. Sie überzeugen auf der ganzen Linie. Sie sind aber - und das ist die gute Nachricht - nicht die einzigen Volltreffer des Albums. Ganz im Gegenteil. Bailey Zimmerman beweist auf seinem Debüt, dass er für einen Country-Sänger/Songschreiber wirklich alles mitbringt: die passende Stimme, das Gespür für schöne Melodieverbindungen, eine außergewöhnliche Beobachtungsgabe, glaubwürdiges Storytelling sowie eine umfangreiche musikalische Bandbreite.
Sein klanglicher Radius deckt nicht nur moderne Klangfarben ab, er umfasst auch Roots-Music und das New-Country-Terrain der 90er Jahre. Nehmen wir nur mal "It This Really Over?". In dem letzten Song des Albums serviert er eine schnörkellos gefühlvolle Country-Ballade, ein wunderbares Rührstück mit Tiefgang - das auch Tim McGraw gut zu Gesicht stehen würde. Das gilt auch für "Fix'n to Break" und "Other Side of Lettin' Go", zwei weitere balladesk angelegte Country-Rock-Songs. Beide: top!
Dass der Newcomer die Basics des Genres draufhat, beweist er auch in dem ruhigen, im Traditions-Rhythmus des Sechs-Achtel-Takt angelegten "Found Your Love", im hübschen Country-Folk-Rocker "Where It Ends" aber auch in dem altersweisen, an die romantischen Momente der Ely Young Band erinnernden "Pain Won't Last". Alles Songs, weit über dem Qualitätsdurchschnitt. Gelegentlich aber streut er - bei 16 Songs kein Wunder - auch mal einfach nur einen netten Track ein. Einen Song wie "Fadeaway" oder "Forget About You". Das ist dann aber immer noch solide Hausmannskost.
Fazit: Dass sich Bailey Zimmerman für "Religiously. The Album." mit unverbrauchten Co-Autoren (wie Alex Palmer und Gavin Lucas) zusammengetan und die Produktion Austin Shawn überlassen hat, tut dem Album hörbar gut: eine frische Prise aus Nashville.