"American Heartbreak" von Zach Bryan ist ein Dreifach-Album mit 34 Songs
So etwas kann man sich eigentlich nicht ausdenken. Nein, man würde es nicht glauben. Ist schon so. Tja, das Leben schreibt die verrücktesten Geschichten - Stories wie die von Zach Bryan: Sohn eines Navy, geboren in Okinawa, Japan, und aufgewachsen in der weltberühmten Metropole Oologah irgendwo in Oklahoma. Zunächst folgte er der Familientradition und ging - wie Papa und Opa - zur Navy. Acht Jahre Service, 2021 wurde er ehrenhaft entlassen. Schon während seiner Militärzeit schrieb er Songs, die er mit seinem iPhone aufnahm und auf YouTube stellte. Einer seiner Tracks - "Heading South" - ging, wie es so schön heißt, 2019 viral. Der Titel brachte ihm auch den ersten Eintrag in den Charts ein. Mit dem nächsten Titel, "Oklahoma City", blieb er in der Erfolgsspur. Genau wie mit weiteren Songs.
2019 veröffentlichte er in Eigenregie sein erstes Album, das seiner verstorbenen Mutter gewidmete "DeAnn", und landete damit aus dem Stand auf Platz sechs der Folk-Charts (und auf Platz 31 der Rock-Liste). So ging es weiter. Seine nächste Independent-Veröffentlichung, "Elisabeth" schnitt glatt noch besser ab: neben einem Top-10-Resultat in den Folk-Charts, landete es auf Platz 16 der "US Heat"-Bestenliste und - nicht übel für den Newcomer - auf Platz 41 der Country-Hitparade. Man merkte, man spürte: da tut sich was. Da ist Potential.
Exzellentes Major-Debüt: "American Heartbreak"
Dass der Typ allerdings mit seinem ersten, bei Warner Bros. Nashville erschienenen Major-Album "American Hearbreak" gleich dermaßen abräumen würde, hätte wohl nicht einmal der phantasiebegabteste Spinner gedacht. Man notierte: Platz eins in den Folk-, Country- und Rock-Charts, Platz fünf in den genre-übergreifenden Top 200. Dazu kommen mehr als respektable Platzierungen in Kanada und Australien. Unglaublich? Aber Hallo!
Unglaublich ist der Erfolg auch, weil Zach Bryan eigentlich gegen den Strom schwimmt. Oder hat sich da gerade etwas getan in Nashville? Ist rustikales Gewerbe, sind bodenständige, ehrliche, ohne jeden Produktionsaufwand eingespielte Songs vielleicht gerade mal wieder hip? Kann gut sein. Muss vielleicht sogar sein, denn anders lässt sich dieser Erdrutsch-Erfolg von "American Heartbreak" nicht erklären.
Schon beim Opener legt der geneigte Hörer die Ohren an: "Late July" heißt der Track: eine Akustik-Gitarre, eher schlampig als sauber aufgenommen, ein zirpendes, sicher nicht gerade virtuoses Banjo und dazu die Stimme von Zach Bryan: etwas angeraut, sympathisch, grundehrlich und manchmal um ein paar Millimeter neben der eigentlich gedachten Melodie von irgendwoher singend. Wer nach dem Gegenentwurf von High Fidelity sucht - hier wird er fündig. Diese hocherstaunliche Demo-Qualität zieht sich durch alle 34 Tracks von "American Heartbreak". Zwei Stunden, eine Minute archaisches Folk- und Country/Singer-Songwriting. Die pure Essenz eines Liedes.
Natürlich sucht man bei Newcomer immer nach Vergleichen. Freilich, man möchte den Neuling ja irgendwo einordnen. Referenzen helfen dabei. Aber so richtig, richtig fündig wird man im Falle von Zach Bryan nicht auf Anhieb. Klar taugt sein traditioneller Stil für Vergleiche mit, sagen wir mal, Jon Pardi, Brent Cobb, Morgan Wade oder mit Charley Crockett. Am treffendsten aber erscheint die Mischung aus Bob Dylan und Tyler Childers. Vom guten alten Bob leiht er sich die simplen, aber wirkungsvollen Melodien und manch' geistreiche Textzeile, von Tyler Childers den harten Vortrag, die ungehobelte Interpretation, die Leidenschaft und das Unergründliche.
Mit dem Major-Debüt von 0 auf 100: Zach Bryan
Gelegentlich, so wie beispielsweise gleich im zweiten Song der dreifach-CD, "Something in the Orange", lässt auch Neil Young grüßen. Dafür sorgt alleine schon die Heart-of-Gold-typische Mundharmonika. Trotzdem muss man festhalten, dass Zach Bryan so weit von der Kopie eines anderen Country- oder Folk-Stars entfernt ist, wie ein Synthesizer von einer Bluegrass-Band. Er macht sein Ding. Er schreibt seine Songs. Und: Er scheint auch nicht nach links, nach rechts oder gar auf irgendwelche Bestenlisten zu blicken. Hut ab!
Ein Großteil des "American Heartbreak"-Sets ist im akustischen Country- und Folk angelegt. Zwischendrin geht es aber auch mal rockig zur Sache. Schon das Fiddle-Inferno "Mine Again" zettelt er mit der Energie eines Punk-Sängers an. Heftig, heftig. Bei dem sehr flott gehaltenen "Younger Years" (zur Erinnerung: der Kerl ist 26!) mischt eine rockende E-Gitarre mit, bei dem verwegenen Cover des Klassikers "You Are My Sunshine" rührt ein Drummer mit seinen Jazz-Besen einen zünftigen Drive an.
Noch härter, aber keinesfalls glatter oder aufwändiger in Szene gesetzt, fällt der raue Country-Blues "Whiskey Fever" aus. Ein Song wie ein Old Fashioned: hart, trocken, süffig. Das gilt voll und ganz auch für den Heartland-Rocker "Sober Side of Sorry". Wer John Mellencamp mag, wird diesen Song lieben.
Fazit: Wenig Aufwand, viel Musik: Zach Bryan hält auf seinem Major-Debüt "American Heartbreak" 34 rustikal gehaltene Country- und Folk-Tracks bereit. Ein Sound, irgendwo zwischen Dylan und Tyler Childers. Stark!
Label: Warner Bros. Nashville (Warner) | VÖ: 30. September 2022 |
Disk 1 | |
01 | Late July |
02 | Something in the Orange (Z&E's Version) |
03 | Heavy Eyes |
04 | Mine Again |
05 | Happy Instead |
06 | Right Now the Best |
07 | The Outskirts |
08 | Younger Years |
09 | Cold Damn Vampires |
10 | Tishomingo |
11 | She's Alright |
12 | You Are My Sunshine |
13 | Darling |
14 | Ninth Cloud |
15 | Oklahoma City |
16 | Sun to Me |
17 | Highway Boys |
18 | Whiskey Fever |
Disk 2 | |
01 | Billy Stay |
02 | Sober Side of Sorry |
03 | High Beams |
04 | The Good I'll Do |
05 | Someday (Maggie's) |
06 | Poems and Closing Time |
07 | From Austin |
08 | If She Wants a Cowboy |
09 | Corinthians (Proctor's) |
10 | Open the Gate |
11 | Half Grown |
12 | No Cure |
13 | 68 Fastback |
14 | Blue |
15 | Morning Time |
16 | This Road I Know |