Der Einfluss von Joan Baez ist in der ganzen Welt zu spüren, auch in Nashville

Joan Baez

Niemand sonst hat eine Stimme, die mit der von Joan Baez vergleichbar wäre.

Da ist zum einen diese unverkennbare Sopran-Singstimme mit dem natürlichen Vibrato, mit der sie sich vor 50 Jahren aus den Folk-Cafes in Boston hochgesungen hat bis zu ihrem Status als international bekannte Folk-Ikone. Ihr Gesamtwerk umfasst mehr als 30 Alben und Songs wie "Diamonds & Rust", "We Shall Overcome", "Farewell, Angelina", "Joe Hill", "There But for Fortune" und "The Night They Drove Old Dixie Down".

Zum anderen hört man in ihren Songs und in ihren Aktionen die kraftvolle, deutliche Stimme der sozialen und politischen Aktivistin, die bereits in frühester Jugend die Überzeugung gewann, dass nur gewaltfrei etwas erreicht werden kann.

Sie marschierte mit Martin Luther King, Jr., unterstützte Farm-Wanderarbeiter mit Cesar Chavez, stand Václav Havel in seinem Kampf für die Tschechische Republik bei und protestierte gegen den Vietnamkrieg, Aufrüstung, die Todesstrafe, die Diskriminierung Homosexueller und gegen Gewalt.

"Ich spüre, dass ich zwei große Gaben habe: erstens die Stimme und zweitens das Verlangen, diese Stimme für diejenigen einzusetzen, die sonst kein Gehör finden," sagt Baez.

Für diesen doppelten Einsatz ihrer Stimme wurde Baez, 67, am vergangenen Donnerstag, während der Americana Honors & Awards im Ryman Auditorium, mit dem Spirit of Americana Free Speech Award geehrt. Mit diesem Preis werden Künstler gewürdigt, die sich nicht um öffentliches Gerede scherten und mit ihrer Musik und ihren Aktionen den Status quo angegriffen haben. Dieser Preis wurde bereits Johnny Cash, Kris Kristofferson, Mavis Staples, Judy Collins, Charlie Daniels und Steve Earle verliehen.

Joan Baez"Ihr weltweites politisches Gewicht hat bereits Präsidenten und mächtige Staatsmänner beeinflusst", sagt Jed Hilly, Geschäftsführer der AMA (Americana Music Association). "Sie ist eine der bedeutendsten Persönlichkeiten in der Geschichte des 20. Jahrhunderts."

Steve Earle, der das neue Album von Joan Baez produzierte und ihr den Preis überreichte , sagt, dass Baez zu den Personen gehört, die auf ihn und seinen politischen Werdegang den größten Einfluss hatten.

"Ich glaube nicht, dass der Satz: 'wenn jemand eine bestimmte Art von Musik spielt, dann muss er sich auch politisch engagieren und Verantwortung übernehmen' ihre Meinung korrekt wiedergibt", sagt Earle. "Sie ist vielmehr der Ansicht, dass es jeden von etwas angeht und jeder sich mehr hätte engagieren sollen, als der Vietnamkrieg sich hochschaukelte und die Bürgerrechtsbewegung marschierte. Sie war Zeitzeugin einer Menge Ereignisse. . . Sie blieb unglaublich konsistent in ihrem Engagement."

"Wegen Joan Baez und einer Handvoll anderer Leute dachte ich niemals daran, anders zu handeln als ich handelte."

Geleitet von Gewaltfreiheit

Die Basis für die Gewaltfreiheit von Joan Baez wurde gelegt, als ihre Eltern Quäker wurden, sie war damals acht Jahre alt. "Das Glaubensbekenntnis der Quäker ist ziemlich eindeutig: Stelle niemals das Wohl des Staates über ein menschliches Leben"

Als sie 10 war, zog ihre Familie nach Bagdad, wo sie die Folgen der Armut mit eigenen Augen sah, einschließlich Bettler und die inhumane Behandlung von Menschen und Tieren.

"Meine Mutter gab mir ein Exemplar des Tagebuchs der Anne Frank" sagt sie. "Das war für mich etwas ganz großes. Ich identifizierte mich sehr stark mit ihr. Das brachte mich auf den Weg, den ich seither nie mehr verlassen habe.

"Die nächste große Implosion fand statt, als ich als 16-jährige Martin Luther King, Jr. sprechen hörte. Er sprach genau die Dinge aus, denen ich mich nahe fühlte, denn ich beschäftigte mich mit Gewaltfreiheit und begann gerade, sie zu finden, als dieser Mann auftrat und nicht nur darüber sprach, sondern auch danach handelte.

"Er war ungefähr 29 und sprach über Dinge, die bereits geschahen -die Busboykotte- alle in voller Gewaltfreiheit. Ich war überwältigt und bin mir sicher, dass diese Ereignisse meine Sichtweise ein weiteres Mal neu ausgerichtet haben.

"Es hat jedes Mal mein Leben verändert, wenn ich mit ihm zusammentraf, denn seine Wirkung war so tiefgreifend und ich lernte mehr und mehr, ihn wirklich zu lieben."

Als Mitbegründerin des "Institute for the Study of Nonviolence" (Institut für gewaltfreie Studien) marschierte Baez 1965 mit King in Mississippi und Alabama und sang 1963, auf seinem Marsch nach Washington, "We Shall Overcome".

"Er war sehr lustig und ich glaube, ich habe nie jemanden getroffen, der lockerer und entspannter war als er" sagt sie über King.

Joan BaezSie erinnert sich an eine Aktion, als sie zusammen mit King in Grenada, Miss., versuchte, schwarze Schulkinder vor Steine werfenden Ku Klux Klan Mitgliedern zu schützen. Hinter ihnen liefen glückliche schwarze Kinder, die sangen und Schilder hochhielten, aber auf der anderen Straßenseite blickte sie in die unglücklichen und verängstigten Gesichter der weißen Kinder.

"Ich sagte, 'Dr. King, sind Sie sicher, dass wir hier das Richtige tun? Warum versuchen wir, in diese Schule hinein zu kommen?' " erzählt sie. "Er sagte, 'Bitte, Joan, jetzt nicht, solange die Kameras laufen.' Mit anderen Worten, sei bitte freundlich."

Nächstes Jahr wird eine Dokumentation über das Leben von Joan Baez herauskommen mit Gesprächen, die sie über all die Jahre mit verschiedenen Personen geführt hat, so z.B. mit einem Bischof, der in den 60-ern ein junger Chorleiter in Alabama war, oder mit einem weißen Lehrer in Alabama, der den Mut hatte, eine gemischte Versammlung aus Schwarzen und Weißen auf sein Grundstück einzuladen.

"Es gibt so viel zu tun, aber die Leute sind (heute) so bitter. Ich kann das einerseits verstehen, aber sie vergessen, oder haben nie erfahren, wie es damals war, woher wir gekommen sind", sagt sie.

"Es gibt immer und überall eine unglaubliche Menge Vorurteile, und genau gegen diese geht der Kampf weiter. Wer weiß? Vielleicht für immer. Aber für Leute, die damals nicht dabei waren, ist schwer nachzuempfinden, wie es ist, wenn man mit Tränengas bekämpft wird und wenn Hunde auf einen gehetzt werden. Es gibt Armut, und in den Ghettos, das weiß jeder, da geht's den Leuten einfach schlecht."

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