Es ist 19:57 Uhr, als Support-Act Charlie Worsham die Bühne des Rock Cafés auf St. Pauli betritt. Anders als der Name es vermuten lässt, handelt es sich hierbei um einen herben Live-Club. Mit 250 Besuchern ist er heute nahezu ausverkauft. Entsprechend heiß ist es. Und entsprechend wenig Anlaufzeit brauchen Künstler und Publikum, um auf Betriebstemperatur zu kommen.
Charlie Worsham heizt ordentlich vor
Der gutgelaunte Worsham ist der perfekte Support-Act: sympathisch, kontaktfreudig und gut. Nur mit Akustikgitarre und Songs von seinem Album "Rubberband" bewaffnet stimmt er perfekt auf den Abend ein. Mit "Could It Be", "Love Don't Die Easy" und "Young to See" gewinnt er viele neue Fans. Ein Cover des Kings of Leon-Hits "Sex on Fire" und das extra für diesen Abend eingeübte Beatles-Stück "I Want to Hold Your Hand", mit dem Refrain extra in deutscher Sprache eingeübt, als Tribut an die Hamburger Zeit der Pilzköpfe werden gar frenetisch aufgenommen. Als er sein Set nach rund 40 Minuten mit "Southern by the Grace of God" beendet, stehen sich Künstler und Publikum klatschend gegenüber: Charlie Worsham liebt Hamburg. Und Hamburg liebt ihn.
Der "Tiger Man" dreht auf
Wer nach diesem Auftakt eine Fortsetzung der Kuscheligkeit erwartet hat, wurde dann von Frankie Ballard eines Besseren belehrt. Der 33-jährige hat seine vierköpfige Band mitgebracht und ist gekommen, um ein ordentliches Brett abzuliefern. Das verrät schon sein Look: Auf seiner schwarzen Lederjacke prangt in großen Lettern "Tiger Man". Dazu trägt er trotz der Hitze im Saal ein Halstuch. Der Look muss eben stimmen. Den zahlreichen Frauen im Publikum gefällt das. Seine Band sieht aus wie eine Gang von Outlaws. Smart, aber unberechenbar. Los geht es mit "Young And Crazy", das nahtlos in "Drinky Drink" übergeht. Die Band ist ungeheuer tight und wahnsinnig laut. Einige Besucher werden sich nach der Show beschweren, sie sei zu laut gewesen. Geblieben sind sie trotzdem bis zum Schluss. Denn verpassen wollte das keiner.
Frankie Ballard macht den Cowboy
Frankie Ballard spielt einen Querschnitt aus seinen beiden Alben und einige Songs von der neuen Platte, die im Mai 2016 erscheinen wird. Es könnte seine bisher beste werden, wenn man Songs wie "Cigarette", "It All Started With A Beer" oder "L.A. Woman" zum Maßstab nimmt. Am ausgelassensten ist die Stimmung aber bei den bekannten Hits von Frankie Ballard: "Tell Me You Get Lonely" wird ebenso kollektiv mitgesungen wie bei "Sunshine and Whiskey" und "Helluva Lfe", das die Band genüsslich in die Länge zieht. Groß ist die Begeisterung auch bei Johnny Cash-Tribut "A Boy Named Sue", bei dem Frankie Ballard breitbeinig vor dem Mikro steht und mit der Fingerpistole einen auserkorenen Rivalen im Publikum zu einem Duelle herausfordert - bei dem er natürlich selber den Kürzeren zieht. Frankie Ballard liebt die großen Posen. Sein permanenter Flirt mit den Damen bleibt aber immer charmant. Er ist volksnah, nie abgehoben. Auch einen zwischenzeitlichen Mikrofonausfall nimmt er mit einem Lächeln hin. Am romantischsten kommt der Keith Urban-Song "Somebody Like Me".
Und so vergehen die 70 Minuten des regulären Sets wie im Fluge. Weil Frankie Ballard aber in Trink- und Feierlaune ist, kommt die Band für eine satte Zugabe noch einmal ins Rampenlicht. Nach 95 Minuten aber ist es dann vorbei: Das erste Deutschland-Konzert von Frankie Ballard wird in Erinnerung bleiben. Sollte er sein versprechen wahrmachen und bald schon wiederkommen, wird er sicher in einer größeren Halle spielen. Denn da gehört er hin. Es war one helluva show!
Frankie Ballard spielt heute im Frannz Club in Berlin und morgen im Backstage in München. Mehr dazu in unserem Terminkalender.