"Paging Mr. Proust" ist rockiger als gewohnt, produziert von Peter Buck (R.E.M.)
Nun also das neunte Werk "Paging Mr. Proust", in dem die Anspielung auf den großen französischen Romancier nicht die einzige intellektuelle Spielerei bleibt. The Jayhawks tun darauf das, was sie am besten können: ihren typische Jangle-Sound spielen, der nicht nur ältere Semester stets an die Byrds erinnert, mit mal sanften, mal bluesig-rockigen Gitarren und grandiosen Melodien. All das machen sie schon im Opener "Quiet Corners & Empty Spaces", und sie machen es großartig.
Die Produzenten Tucker Martine (The Decemberists, My Morning Jacket) und Peter Buck von R.E.M. sorgen für einen warmen Sound, der bei aller Melodieseligkeit kraftvoll und zeitgemäß klingt. Mike Mills, ebenfalls langjähriges Mitglied der erfolgreichsten Band, die jemals aus Athens, Georgia kam, ist auf "Leaving the Monsters Behind" als Sänger zu hören. Ein Song wie "Lost the Summer" ist deutlich rockiger, als man es von den Jayhawks gewohnt ist, eine Kerbe, in die auch "Pretty Roses in your Hair" schlägt, in dem man noch die Echos von Neil Young & Crazy Horse zu hören glaubt.
Das relaxte Westcoast-Feeling von "Isabel's Daughter" und "The Devil is in her Eyes" (mit Louris' herrlichem Harmonica-Spiel) wartet mit brillanten, mehrstimmigen Harmonien auf, zu denen auch Keyboarderin Karen Grotberg beiträgt. Sehnsuchtsvolle Sonnenuntergangsstimmung allerorten, besonders glückselig auf "Lovers of the Sun".
Die Jayhawks probieren sich an Neuem: Punk und Krautrock
Nun ist das alles soweit nichts Neues im Jayhawks-Kanon. Doch das Quartett, das hier mit Gitarrist Kraig Johnson zum Quintett anwächst, gibt sich auf "Paging Mr. Proust" durchaus abenteuerlustig und verlässt sich nicht auf den bewährten Country-Roots-Pop-Sound.
Auf dem mit fünfeinhalb Minuten längsten Song "Ace" toben sich die beiden Gitarristen Gary Louris und Kraig Johnson mit ausufernden Soli und Feedback-Sounds aus. Der Song verdankt seinen Titel der Rhythm Ace Drum Machine, die einen hypnotischen Beat produziert, der eher an deutschen Krautrock als an Musik aus dem mittleren Westen der USA erinnert.
Und dann ist da noch "The Dust of Long Dead Stars": rau, fast schon punkig. Der Song klingt wie 80er-Jahre-R.E.M., ungezügelt und mit einer Energie, die man der optisch doch deutlich gealterten Gruppe kaum zugetraut hätte. Der letzte in diesem famosen Dutzend Songs ist das verträumte "I'll be your Key", das wie ein Tribut an die Beach Boys wirkt.
Die Geschichte der Jayhawks ist von stetiger Veränderung geprägt. Mark Olson, der diesmal nicht dabei ist, ging und kehrte zurück, es gab Soloprojekte, Best-Ofs und Auszeiten, aber immer wieder hat diese fabelhafte Band wieder zusammengefunden. Mit "Paging Mr. Proust" haben sie ihr wohl bestes Album in 20 Jahren aufgenommen.
Fazit: Die Jayhawks haben sich nicht auf ihren Lorbeeren ausgeruht, sondern ihren hymnischen Country-Rock mit neuen Ideen wiederbelebt. Das Resultat: "Paging Mr. Proust". Mit jedem Durchgang lässt sich auf diesem sonnigen Meisterwerk Neues entdecken.
Label: Sham Hawk (Alive) | VÖ: 29. April 2016 |
01 | Quiet Corners & Empty Spaces |
02 | Lost The Summer |
03 | Lovers of the Sun |
04 | Pretty Roses in Your Hair |
05 | Leaving The Monsters Behind |
06 | Isabel's Daughter |
07 | Ace |
08 | Devil Is In Her Eyes |
09 | Comeback Kids |
10 | The Dust of Long-Dead Stars |
11 | Lies in Black & White |
12 | I'll Be Your Key |