Der Titel bezieht sich auf ihren Geburtsort Leavenworth. Eine verschlafene Kleinstadt, die höchstens durch das angesiedelte Staatsgefängnis und einem Armeestützpunkt bekannt ist. Oder eben wegen Melissa Etheridge. Das Album der zweifachen Grammy- und Oscar-Gewinnerin trägt konzeptionelle Züge. Schon der Opener bezieht sich auf ihre Roots: "Kansas City" -c ein strammer, starker Auftakt. Und mit allen Zutaten versehen, die für die Karriere der kernigen Sängerin stehen: solider Groove, rockige, aber auch an Folk- , Country- und Blues gemahnende Gitarrenriffs und - mittendrin - die ganz nach regelmäßigem Reissnägel-Gurgeln klingende Stimme der Interpretin. Manchmal, in nachdenklichen Tracks, zügelt Etheridge ihr Temperament. Im Titeltrack zum Beispiel. Zu einem moderaten Beat und einem verträumten Fender-Piano sinniert sie über ihre Jugend, über ihre frühen Erlebnisse, über den Chevrolet ihres Vaters. Wehmut klingt hier durch jede Note, das bluesige Arrangement passt dazu vortrefflich. Ein Song, wie ein Tagebucheintrag, den man nach Jahrzehnten liest - und alle Erinnerungen wieder hochkommen. Auch bei dem soften "A Disaster" hat sie Kreide gefressen und klingt sanft wie ein Lamm. Gut, wie ein heiseres Lamm ...
Die bekennende Lesbe - sie outete sich schon Anfang der 90er Jahre - ist natürlich eine Kämpferin. So stehen den wehmütigen, auch mal wehleidigen Momenten viele energisch entschlossene Titel gegenüber: "Falling Up" (ein Reisser), "Shout Now" (ein echter Rocker), "Be Real" (lässig soulig) oder "Sympathy" (ein Riff in "All Right Now"-Manier) stehen für die Energie der Sängerin und Songschreiberin. Und auch für ihre Nehmerqualitäten. Die musste sie in den letzten Jahren auch mitbringen. Denn neben der Trennung von ihrer Partnerin Julie Cypher erkrankte Melissa Etheridge 2004 an Brustkrebs. Operationen und Chemotherapie folgten, 2005 meldete sie sich wieder zurück: agil wie eh und je.
Der Blues scheint es der rockenden Lady angetan zu haben. "Rock And Roll Me" ist ein reinrassiger, langsamer, auf Slow-Motion runtergedimmter Zwölftakter. Ein schnurrendes Blues-Gefährt, bei dem sie neben ihren gesanglichen Vorzügen auch ihr Talent als Gitarristin in die musikalische Wagschale wirft. Man hört: Sie hat als Gitarristin in den letzten Jahren deutlich zugelegt. Deshalb übernimmt sie, laut Booklet, auch alle Parts am Instrument, sogar die Soli. Und das macht sie gut, Bonnie Raitt hat Konkurrenz bekommen.
Dass Etheridge auch mit komplexen Arrangements prächtig zurecht kommt, beweist sie beim synkopierten "A Sacred Heart" und beim finalen, hymnischen "Change The World" (nicht zu verwechseln mit dem Clapton-Hit). Der Refrain geht herrlich ins Ohr und sorgt für einen überzeugenden Schlusspunkt einer überzeugenden CD.
Fazit: Nach etlichen Schicksalsschlägen zeigt sich Melissa Etheridge nachdenklich, kämpferisch und musikalisch ausgereifter denn je. Starkes Album!
Label: Island (Universal) | VÖ: 4. September 2012 |
Titelliste
01 | Kansas City | 09 | Enough Rain |
02 | 4th Street Feeling | 10 | A Sacred Heart |
03 | Falling Up | 11 | I Can Wait |
04 | Shout Now | 12 | Rock And Roll Me |
05 | The Shadow of a Black Crow | 13 | You Will |
06 | Be Real | 14 | The Beating of Your Heart |
07 | A Disaster | 15 | Change The World |
08 | Sympathy |