Clever - Coyote

CD Cover: Clever - Coyote
 

Im vergangenen Jahr legte Clevers selbstbetitelte EP, die nun in sein Debütalbum "Coyote" integriert wurde, den Grundstein für seinen mutigen Einstieg in die Country Music. Was zunächst als frühreifes Experiment erschien, seine Rap- und R&B-Sensibilität mit Country-Storytelling zu verbinden, bildet nun das Rückgrat des Albums und verleiht "Coyote" sowohl Vertrautheit als auch einen starken thematischen Anker.

Clever läutet mit seinem neuen Album "Coyote" eine neue Ära des Outlaw ein

Die Original-Tracks glänzen nach wie vor. "Billy the Kid" besticht durch seine reduzierte akustische Intimität, während "Trainwreck" und "Candlelight" mit ihren mitreißenden Refrains und eindrucksvollen Gitarrenklängen Crossover-Potenzial haben. "Cowboy Killers” tendiert zu dunkleren Outlaw-Klängen, und sowohl "Gently in the Night" als auch "Sandcastles" erweitern mit ihrer eindringlichen, atmosphärischen Produktion die Grenzen des Country. Ihre Präsenz auf "Coyote" sorgt dafür, dass das Album von Anfang an emotionale Tiefe und stilistische Bandbreite hat.

Die neuen Songs auf "Coyote"

Was das neue Album "Coyote" so spannend macht, ist, wie diese Songs, die schon für sich genommen beeindruckend sind, nun in einem größeren Zusammenhang funktionieren. Anstatt sich wie Überbleibsel anzufühlen, geben sie dem Album Halt und verleihen ihm echte Tiefe.

"Coyote" verschwendet keine Zeit, um seine klanglichen und thematischen Ambitionen zu etablieren. Mit dem Opener "Amaretto Sour" liefert Clever eine Fusion aus Western-Pop und R&B im Stil von Shaboozey, während seine zitternde Stimme vor Schmerz und Sehnsucht trieft. "Du bist so weit außer Reichweite", klagt er, während die Produktion mit Bass und twangigen Western-Gitarren anschwillt. Das ist weder traditioneller Country noch reiner Pop - es ist eine gespenstische Mischung, ein düsteres Liebeslied von einem Mann, der seine Sorgen in Alkohol und Tylenol ertränkt und auf der Suche nach etwas Neuem die Grenzen des Genres auslotet.

Dieser rebellische Geist spiegelt sich auch auf dem Cover wider: Das Wort "Coyote" ist auf eine Bierdose gestempelt, darüber prangt stolz der Schriftzug "Outlaw Music". Clever reitet nicht im gleichen Sattel wie Willie Nelson oder Waylon Jennings, aber auf seine eigene Art ist er genauso gefährlich. Anstelle von rauen Akustikgitarrenklängen und Outlaw-Grit setzt er auf schweren Bass, R&B-Glanz und Club-Country-Glanz. Während die alten Outlaws den Glanz von Nashville ablehnten, lehnt Clever die Konventionen von Nashville insgesamt ab und verwandelt Herzschmerz und Selbstzerstörung in eine neue Art von modernem Outlaw-Pop.

Tracks wie "Stuck in It" zeigen diese klangliche Kühnheit. Mit einer Produktion, die von einem Hauch von Post Malone durchdrungen zu sein scheint, malt Clever ein weiteres zerbrochenes Verhältnis und singt davon, gefangen zu sein, nachdem "sie es zerstört hat". Die tickende Percussion und der dröhnende Bass liegen unter düster gefärbten Gitarren und schaffen eine Klanglandschaft, die sich für einen Late-Night-Club genauso eignet wie für eine Wüstenautobahn. Es ist zeitgenössischer Country mit einem Puls, der in Neonlicht genauso schlägt wie in whiskeygetränkten Honky-Tonks.

Der Outlaw-Status von Clever hat weniger mit dem Genre als vielmehr mit Ehrlichkeit zu tun

Aber "Coyote" ist nicht nur eine prahlerische Hybridproduktion - es ist auch zutiefst verletzlich. "You Didn't Hear It From Me" reduziert sich auf Klavier und Emotionen, Clever singt: "Clean shaved these days… I'm real good at faking." Die Intimität wird durch weibliche Hintergrundstimmen und einen üppigen Refrain verstärkt, der an Thomas Rhett in seiner offensten Phase erinnert. In Momenten wie diesen scheint Clevers Outlaw-Status weniger mit dem Genre als vielmehr mit Ehrlichkeit zu tun zu haben: Er scheut sich nicht, den Vorhang des Schmerzes zu lüften, selbst wenn dieser tief schneidet.

Songs wie "Halfway to Houston" und "Dale Murphy" greifen die Themen Verlust und Selbstzweifel auf und hüllen sie in Clevers einzigartige Produktionspalette. "Ich bin ein wandernder Mann auf einer kaputten Straße … Du bist auf halbem Weg nach Houston und ich bin auf halbem Weg zu dieser Bar!", ruft er und mischt die zeitlosen Bilder des wandernden Landmannes mit modernen Beats und Texturen. "Dale Murphy" hingegen nutzt geschickt Baseball-Metaphern, um den Kampf eines Mannes mit seiner Identität nachzuzeichnen. Clever gesteht, dass er nicht mehr der Star ist, der er einmal war, schwört aber, wieder durchzustarten. Es ist diese Mischung aus Verletzlichkeit, Tapferkeit und Erfindungsreichtum, die "Coyote" auszeichnet.

An anderer Stelle neigt Clever zu einer eher atmosphärischen Erzählweise. "El Camino" hat einen mexikanisch inspirierten akustischen Touch, komplett mit gespenstischen Pfeiftönen und weiblichen Harmonien, während "Cinderella" Herzschmerz in märchenhafter Sprache beschreibt: "Die Uhr schlägt 12 und alles geht zum Teufel." Selbst die traditioneller klingenden Tracks wie "I Think I Just Passed You" tragen seine unverkennbare Handschrift – ehrliche Texte, unterlegt mit Beats und Gitarren, die ihn eher mit Post Malone als mit George Strait verbinden, während er gleichzeitig Thomas Rhett und Dustin Lynch Tribut zollt.

Die Kollaborationen und Kontraste sorgen für eine lebendige Platte. Auf "Kansas" holt Clever Struggle Jennings mit ins Boot, der seinen Outlaw-Status untermauert, für ein raues Outlaw-Duett, das sich zu einer düsteren Hymne entwickelt, die Generationen der Rebellion verbindet. Zeilen wie "Das Leben führt dich an verschiedene Orte, die Liebe bringt dich nach Hause" wirken sowohl zeitlos als auch frisch und zeigen Clevers Fähigkeit, aus seinem genreübergreifenden Sound gewichtige Wahrheiten zu ziehen. Leisere Momente wie "Mattress” und "By Heart” bieten hingegen reduzierte Reflexionen, in denen Clever zugibt, dass er "Mister Wrong” ist, um mehr als nur flüchtige Liebe bittet und die Ängste eines Mittzwanzigers in Songs einfließen lässt, die schmerzlich nachvollziehbar sind.

Fazit: Letztendlich macht "Coyote" seinem Namen alle Ehre. So wie das Tier kämpferisch, nachtaktiv und stets am Rande des Überlebens ist, bewegt sich die Musik von Clever in den Grenzbereichen zwischen Country, Pop, R&B und Hip-Hop.

vgw
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