Cowboy Junkies - Songs of the Recollection

CD Cover: Cowboy Junkies - Songs of the Recollection

Auf "Songs of the Recollection" covern die Cowboy Junkies unter anderem Neil Young und Bob Dylan

Ist das noch Country Music? Ist es Alternative Country? Ist es Alternative Music? Die Cowboy Junkies sind seit ihrer Gründung 1985 Grenzgänger. Sie verschließen sich klaren Zuweisungen. Mit ihrem neuen Album jedoch sprengen sie endgültig alle Versuche, sie in eine Schublade stecken zu wollen.

Songs anderer Künstler zu covern, das gehört zur DNA der kanadischen Band. Dabei haben sie die Vorbilder ihrer frühen Jahre in der Country Music und im Blues gefunden. Aus dem Blues stammt die Schwere, die vielen ihrer Stücke inne liegt. Die Anklänge der Country Music finden sich vor allem in der Gitarre von Band-Gründer Michael Timmins wieder, die sich stets klar und prägnant auch über die dunkelsten Stücke legt und im Grunde stets ein Crossover zur Country Music erschafft.

"Songs of the Recollection" - ein Cover-Album

Mit ihrem neuen Album "Songs of the Recollection" haben die Kanadier ein reines Cover-Album eingespielt und sich ganz und gar melancholischen Klangwelten hingegeben. Sie covern Neil Young oder Bob Dylan, Musiker, die selbst durchaus immer wieder von Country-Klängen beeinflusst waren (und sind) und die ihrerseits Musiker der Country-Szene inspiriert haben. Auch eine musikalische Verbeugung von Gram Parsons findet sich auf ihrem Album wieder, jenem Wegbereiter des Country Rock, der 1973 im Alter von gerade einmal 26 Jahren vermutlich an einer Überdosis Heroin verstarb. Besagter Gram Parsons inspirierte auch die Rolling Stones. Keith Richards, selbst dem Blues zugeneigt, ist ein bekennender Fan von Parsons Werk. So wie die Cowboy Junkies ihrerseits die Rolling Stones verehren, deren Song "No Expectations" sie denn auch für ihr Album neu aufbereitet haben. Es ist der dritte Sing des Albums und, und das mag überraschen, der erste Song, der sich klar als Country-Song definieren lässt.

Das von Mick Jagger und Keith Richards geschriebene Lied, eine Blues-Ballade, dessen Gitarre jedoch klare Anklänge an die Country Music nicht verleugnen kann, wird in der Interpretation der Cowboy Junkies nun zu einer melancholischen Country-Ballade, in der die Bluesklänge auf ein Minimum reduziert werden. Der Song selbst erzählt die Geschichte eines Mannes, von dem sich nur mit Sicherheit sagen lässt, dass er einst reich war, der diesen Reichtum aber verloren hat. Aber geht es wirklich um finanziellen Reichtum? Oder ist es der Verlust einer Liebe, den er beklagt? War die Liebe sein Wohlstand? Wenn er davon erzählt, nichts mehr zu erwarten, dann, weil er alle Höhen und Tiefen des Lebens erlebt hat. So ist der Song der Rolling Stones im Kern eher traurig, vielleicht gar nihilistisch. Die Cowboy Junkies drehen diese Weltsicht um und durch die sanfte, selten zu Überemotionalität neigenden Stimme von Sängerin Margo Timmins, bekommt "No Expectations" eine überraschend hoffnungsvolle Note, die den Songtitel konterkariert und einen ersten Höhepunkt des Albums darstellt, das mit "Five Years", einem David Bowie-Cover, eher schwach beginnt.

Sicher ist "Five Years" kein Song, den man im fröhlichen D-Dur einspielt, um ihn als Hintergrundbeschallung einer sonnigen Gartenparty über das BBQ schallen zu lassen. Bowie hat den Song 1971 geschrieben. Beobachtet er anfangs in diesem Song die Welt um sich herum, lässt sich der weitere Songtext derart interpretieren, dass das Ende der Zeit eingeläutet ist die fünf Jahre die Zeit darstellen, die der Menschheit noch bleibt. Gemeinsam ist Bowies Original und dem Cover der Cowboy Junkies die schlichte Instrumentalisierung (Gitarre, Drums, ein simpler Bass als Taktgeber). Sie unterscheidet sich aber krass in der stimmlichen Interpretation. Im Original trifft Bowie selten die "richtigen" Töne. Was jedoch gewollt ist. Seine Stimme stellt einen Hilferuf dar. Das Ende naht. Und niemand sieht es. Seine Stimme wird zur Stimme eines Verzweifelten. Margo Timmins jedoch verbleibt in monotoner Langeweile. Die Welt geht unter. Na ja, egal. Das Stück ist purer, alternativer Garagenrock. Oder Blues? Es ist monoton und damit ein denkbar verquaster Einstieg.

Auch "Ooh Las Vegas", das zweite Stück und immerhin ihre Hommage an Gram Parsons, kommt über das Prädikat 'nett' nicht hinaus. Es ist aufwendiger arrangiert, aber wohin es will (Alternative Country, balladesker Poprock): Es erschließt sich nicht und bleibt dadurch belanglos.

Dann jedoch folgt das bereits bekannte "No Expectations" und das Album nimmt Fahrt auf. "Don't Let It Bring You Down", ein Neil Young-Cover, ist eine kraftvolle Ballade, die klare Country-Elemente aufweist, welche durch das Spiel von Drummer Peter Timmins jedoch immer wieder infrage gestellt werden: Timmins Drums sind roh, ungezähmt. Das ist purer Garagensound."Don't Let It Bring You Down" ist ein starkes Stück, das sicher nicht nur auf Zuspruch stoßen wird, das aber auch auf eine angenehme Art und Weise die Hörgewohnheiten herausfordert. Ganz im Gegensatz zum zweiten Neil Young-Cover "Love in Mind", das eine eher sanfte Ballade präsentiert, die vor allem über Margo Timmins Stimme ihre Brücke zur Countrymusic schlägt. Hier darf man sich zurücklehnen und einfach zuhören. Vielleicht hätte sich ihr Bruder Peter am Schlagzeug etwas zurücknehmen können (es ist manchmal etwas zu prägnant), aber das ist eine kleine Nuance, die man bemängeln kann, wenn man unbedingt etwas bemängeln will.

Die Cowboy Junkies nehmen sich Gordon Lightfoots "The Way I Feel" an

Aus Gordon Lightfoots Country-Ballade "The Way I Feel" wird auf dem neuen Album der Cowboy Junkies derweil eine - Country-Ballade! Hier wird nichts geswitcht. Man verbleibt im Genre! Für jene, die mit Fusionssounds vielleicht wenig anfangen können, denen der alternative Sound, den die Cowboys Junkies immer wieder in ihre Stücke einfließen lassen, ist "The Way I Feel" daher das vielleicht zugänglichste Stück. Melancholisch, eher konventionell, ohne Brüche, hat es fast schon Charts-Qualitäten.

Was auch für "I've Made Up My Mind to Give Myself to You" gilt. Im Original von Bob Dylan gehört es zu den vielleicht zugänglichsten Balladen, die der Literaturnobelpreisträger geschrieben und vor allem auch gesungen hat. Die Cowboy Junkies haben das Stück kaum verändert, nah bewegen sie sich am Original.

Das vorletzte Stück, "Marathon", ist in seinem Original ein Grenzgänger zwischen Alternative Country und alternativem Rock. Chesnutt, der nach einem Unfall im Rollstuhl saß, besingt in seinem Song seinen Traum von einem Marathonlauf. Auch hier bleibt die Cover-Version sehr nah am melancholischen Original, doch führt die Band ihre Version viel weiter in die Gefilde des alternativen Rocks und beraubt es damit seiner Alternative Country-Elemente. Es beraubt das Original seinem Grenzgängertum, was ihm jedoch eine sehr eigene Note verleiht.

Schade, dass das neue Album endet, wie es beginnt: Schwach! Obschon das ausgewählte Stück aufhorchen lässt: "Seventeen Seconds" von The Cure! Die Briten haben in den 1980ern einige Ausrufezeichen in der Popmusik hinterlassen. Sie selbst haben sich nie einem Musikgenre wirklich zugehörig gefühlt, alle Versuche einer Einordnung haben sie in der Regel mit einem Lächeln zur Kenntnis genommen. Ihre bekanntesten Stücke entstammen einer Phase, in der man sie allgemein dem Dark- oder New Wave zuordnen würde. Egal, wo man sie einordnet, das, was sie in ihrer Hochzeit an Chart-Musik abgeliefert haben, war stets aufwendig, ja virtuos arrangiert. "Seventeen Seconds" jedoch lässt ihre Wurzeln im Punk erkennen, es ist ungeschliffen, im Grunde genommen ist es das, was eine Band, die sich selbst als eine Alternative zum Mainstream versteht, lieben müsste. Doch es gelingt den Cowboy Junkies nicht, eine überzeugende Interpretation des Stückes zu präsentieren. "Seventeen Seconds" ist musikalisch in der Version von The Cure nicht wirklich anspruchsvoll. Das soll es auch nicht sein. Das ist ein Stück für Live-Auftritte. Eine klare Melodie, klare Riffs, klarer Rhythmus. Durch Disharmonien jedoch brechen die Cowboy Junkies diese Simplizität immer wieder auf. Nur wirkt das nie tatsächlich überlegt, sondern fürchterlich gewollt. Da wird das Schlagzeug plötzlich in den Vordergrund gedrängt, da singt Margo Timmins förmlich gegen den Gitarrensound ihres Bruders Michael an. Warum einfach, wenn es auch schwierig geht? Wo die starken Stücke des Albums durch ihre klare Konzeption überzeugen und ein Eintauchen in die immer wieder fordernden Klangwelten der Cowboy Junkies ermöglichen, werden die Hörer mit diesem letzten Stück nahezu aus dem Album herausgeprügelt. Vielleicht soll das ja so sein. Vielleicht aber ist das auch einfach nur misslungen.

Fazit: "Songs of the Recollection" von den Cowboy Junkies gelingt in seinen besten Momenten eine melancholische Genre-Fusion mit Herz für alternative Klänge, die jedoch durch einige schwache Songs getrübt wird.

Label: Proper (Bertus) VÖ: 25. März 2022
01 Five Years
02 Ooh Las Vegas
03 No Expectations
04 Don't Let it Bring You Down
05 Love in Mind
06 The Way I Feel
07 I've Made Up My Mind to Give Myself to You
08 Marathon
09 Seventeen Seconds
vgw
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