Delano Floyd McCoury, wie Del McCoury laut Geburtsurkunde zeigt, macht nicht sein ganzes Leben lang Musik. Nein, es muss auch eine Zeit gegeben haben, da hat der aus Bakersville, North Carolina, stammende Sänger, Songschreiber, Gitarrist und Banjo-Spieler etwas anderes gemacht, als den Bluegrass mit neuen Tönen zu versorgen. Jedenfalls besagt seine Biografie, dass er sein erstes Solo-Album als 29-Jähriger vorgelegt hat. Andere Kollegen kamen da schneller in die Gänge. Andererseits spielte er 1963 bereits als 24-Jähriger beim König des Genres - bei Bill Monroe's Blue Grass Boys, Auftritte in der Grand Ole Opry inklusive. Trotzdem reichte es nicht. Ab Mitte der 60er Jahre hielt er sich als Gelegenheitsarbeiter über Wasser, die Musik: nur noch Hobby.
Absolutes Bluegrass-Highlight: "... almost proud"
So blieb das ziemlich lange. Bis er in den 1980er Jahren mit seinen Söhnen The Del McCoury Band gründete und Auftritte spielte. Immer häufiger, immer besser und besser. Die Fanbase wuchs. Trotzdem dauerte es, bis The Del McCoury Band-– zu der im wesentlichen Del mit seinen Söhnen Ronnie und Robbie gehören - ihren Durchbruch feiern konnte: im Jahr 1999 mit dem Album "The Mountain". Tja, gut Ding will Weile haben. Doch einmal auf Erfolgskurs, blieb das Familienunternehmen auch in Zukunft in der richtigen Spur. Bis heute. Zu den Highlights der Band gehören zwei gewonnene Grammys in den Jahren 2006 und 2013 (in der Kategorie "Bluegrass Album des Jahres"), Zusammenarbeiten mit u.a. Steve Earle sowie prestigeträchtige Auftritte beim Bonnaroo- und Hardly Strictly Bluegrass-Festival oder in der David Letterman-Show. Ganz klar: die Band ist Kult. Das zeigt sich auch, wie fanatisch ihre Fans sind, die sogenannten Del-Heads.
Diese eingeschworene Gemeinde sowie alle Fans von Bluegrass-Musik werden sich jetzt über "... almost proud" freuen. Zu Recht. Denn das Album des 83-jährigen Veterans mit seiner Band hat alles, was guten Bluegrass, traditionellen Country und Old-Time-Musik ausmacht: hervorragendes Handwerk, gefühlvolle, immer ins Ohr gehende Melodien und Stories, die ein genaueres Zuhören lohnen. Klar, wer Fan des zeitgenössischen Country-Mainstreams ist, wird möglicherweise seine Probleme mit diesem akustisch aufbereiteten Song-Dutzend haben, denn: Keine Drums, keine dröhnenden Gitarren-Riffs, keine Keyboard-Teppiche. Nur Gesang, Gitarre, Banjo, Fiddle, Kontrabass und hier und da ein klimperndes Honky-Tonk-Piano. Mehr fährt The Del McCoury Band auch hier nicht auf. Und mehr braucht es auch nicht.
Mit dem Titeltrack steigt die fingerflinke Familien-Combo mit ihren Bandkollegen Alan Bartram am Bass und Jason Carter an der Fiddle ins Album ein. Ein gut gelaunter, gut geölter, im flotten Tempo angelegter Bluegrass-Track, der bereits in den ersten Takten das hohe musikalische Niveau der Band belegt. Im nachfolgenden "Love Don't Live Here Anymore" zeigt die Formation, dass sie auch im Roots-Country bestens beheimatet ist: ein großartiger und, wie es sich für eine Country-Ballade gehört, süß-kitschiger Song, bei dem der Veteran zeigt, dass er auch im vorgerückten Alter zum veritablen Schmusekater taugt - und dabei sogar an George Jones erinnert. Respekt! Im Country verweilt die Band auch im nächsten Song, im flotteren aber genauso emotional aufgeladenen "Rainbow of my Dreams".
Kein Schnickschnack, keine Faxen: The Del McCoury Band liefert solide Wertarbeit
Klar ähneln sich alle Songs irgendwo. Wie auch nicht? In diesem Band-Outfit und mit diesem Konzept ist der musikalische Radius limitiert. Aber das gilt für so gut wie alle Genres, man nehme nur den Blues. Dabei ist diese Musik gar nicht dafür geschaffen, sie überkritisch zu analysieren. Es ist Good-Time-Music, Musik, die, obwohl sie oft genug working man's Themen behandelt, Sorgen für eine Weile verschwinden lässt und das Leben leichter macht. Vor allem, wenn, wie bei "Running Wild", die Post in Höchsttempo abgeht, oder wenn Gast-Pianist Josh Shilling bei "Once Again" einen bluesigen Honky Tonk anstimmt. Oder wenn es schon fast in poppiger Ragtime-Manier bei "Other Shore" zu neuen Ufern geht.
Für den größten Unterhaltungswert aber sorgt wohl "Honky Tonk Nights". Zum einen, weil der temperamentvolle Song das Leben genüsslich feiert, zum anderen, weil es sich Vince Gill nicht nehmen ließ, hier mitzuwirken. Dass der Mann Bluegrass in seiner DNA hat, weiß man ohnehin längst. Gemeinsam mit Altmeister Del McCoury läuft er hier zur Top-Form auf.
Fazit: Bluegrass und Country-Roots in Vollendung: The Del McCoury Band meldet sich nach mehrjähriger CD-Pause mit "... almost proud" fulminant zurück. Mit dabei: Vince Gill.
Label: McCoury (H'Art) | VÖ: 18. Februar 2022 |
01 | Almost Proud |
02 | Love Don't Live Here Anymore |
03 | Rainbow of My Dreams |
04 | My Little Darlin' |
05 | Running Wild |
06 | Brown Paper Bag |
07 | Honky Tonk Nights (mit Vince Gill) |
08 | Once Again |
09 | Sid |
10 | The Misery You've Earned |
11 | Working Man's Wage |
12 | Other Shore |