Aoife O'Donovan steht im kleinen Berliner Club Maze auf der Bühne. 50, 60 Leute haben den Weg zum Tournee-Auftakt hier hergefunden, an einem Montagabend, wo normalerweise Musiker frei haben, wie wir von der augenzwinkernden Künstlerin erfahren, und die meisten Anwesenden scheinen mit ihrem bisherigen Output als Solokünstlerin bestens vertraut zu sein. Zwei Alben hat sie veröffentlicht, seit ihre vorherige Band Crooked Still 2011 auf Eis gelegt wurde. Seitdem sind die Songs persönlicher geworden, mit "In The Magic Hour", ihr zweites Album aus dem Januar 2016, verarbeitet sie unter anderem den Tod ihres irischen Großvaters, mit dem sie schönste Erinnerungen in ihrer Kindheitszeit und den in West Cork verbrachten Ferien verbindet.
Aoife O'Donovan selber ist 1982 in Massachusetts, USA geboren, lebt - anders als der ruhige Ton ihrer Songs vielleicht vermuten lässt - in der tosenden Weltstadt New York und gehört einer Generation von Songwritern an, die mit schöner Ernsthaftigkeit, aber ohne einer festen Stil-, Genre- und Formzugehörigkeit dem Folk ein neues Erzählinteresse verleihen.
Eine neue Form von Bluegrass
Lag die Besonderheit der Band Crooked Still in der Kombination von Banjo und Cello, entfernt sich Aoife O'Donovan für ihre eigenen Studio-Aufnahmen noch weiter vom traditionellen Folk- und Bluegrasssetting und entfaltet mit Hilfe von Produzent Tucker Martine (Laura Veirs, The Decemberists) einen breit aufgestellten, komplexen Sound voller Freiheiten, der aber stets am Erzählkern der Songs orientiert bleibt. Von Chris Thile bis Sam Amidon, Sarah Jarosz und Sara Watkins, namhafte Kollegen übernehmen gerne Gastrollen dabei.
Heute nun steht Aoife O'Donovan alleine auf der Bühne und zieht die Aufmerksamkeit nicht nur als charismatische Storytellerin auf sich, sondern auch als brillante Gitarristin. Ihre Songs folgen keinem Strophe-Refrain-Strophe Schema und sind doch nicht ohne Fokus, sie sind gebettet auf ihrem mal brodelndem, mal zärtelndem Fingerpicking Style.
Aoife O'Donovan - erfahrene, präsente Performerin
Herrlich, wie sie Akzente setzt und dramatische Punktierungen, wie sie ihre schöne Stimme kräftig einzusetzen vermag ohne jede Verhuschheit, sich in glockenheller, fast jodelnder Jimmie Rogers Manier in die Höhen zu schrauben vermag, um an anderer Stelle leise und gefühlvoll zu klingen. Oder - wie im Song "The King of All Birds" - einen munteren, fast kämpferischen Ton findet. Vom ersten Ton an zeigt sie sich als erfahrene, präsente Performerin, sucht den Kontakt zum Publikum ohne die Konzentration für die Darbietung zu verlieren. Scherzt über die nackten Sonnenbader an diesem warmen Frühlingstag im Berliner Tiergarten ("Undenkbar in New York!"), findet sogar ein paar noch vom letzten Auftritt 2014 bekannte Gesichter heraus und animiert das freudig mitwirkende Publikum zum gemeinschaftlichen Singen bei "Oh Mama".
Neben einer Cover-Version von "Good Intensions Paving Company" der Kollegin, Songwriterin und Harfenistin Joanna Newsom hat sie auch das Traditional "The Lake of Pontchartrain" auf der Liste, das man gemeinhin nach Louisiana sortiert, das sie aber vom irischen Songwriter Paul Brady gelernt hat, wie sie in ihrer Moderation erzählt. Mit ihrem leuchtend hellen Haar, den rot geschminkten Lippen und dem konzentrierten, zugewandten Gesicht bleibt sie für eine gute Stunde bis zum freudigen Applaus, den sie mit einer kleinen Zugabe belohnt, der unbestrittene Mittelpunkt an diesem Abend.
Ihre den Auftakt zu diesem Akustikabend gebende junge, verspielte Kollegin Merryn Jean bleibt dagegen blass, kein Song vermag so recht greifen, und so ist es eher ihr lustiges Kleid, für das man sie erinnern wird und vielleicht noch den Song "Aloha", dessen Titel - so sagte sie - nichts mit dem Inhalt zu tun hat. Aha.
Heute spielt Aoife O'Donovan noch in Hamburg. Mehr dazu in unserem Terminkalender.