Chesnutts Repertoire ist legendär: 1000 Songs hat der Countrymann in petto - man nannte den Countrysänger, der die Musik von Kindesbeinen in denselben spürte, nicht von ungefähr "Jukebox". Und so geht es heute auch nicht nur um sein neues Album "Outlaw" sondern vor allem um unverfälschte Countrymusic. Bevor es auf der Bühne richtig losgeht, dampft und brodelt der Saal schon um die Wette mit den Steaks, die von Kellnerinnen durch den Saal balanciert werden. Als die Vorgruppe "Amarillo" loslegt, schwingen die Cowgirls auf den Balkonen ihre Cowboyhüte und packen die Digitalkameras aus. Die sechs Amarillo-Jungs machen ihren Job sehr gut, das Publikum swingt und singt begeistert mit. Am Schlagzeug sitzt bei den Amarillos seit Juli ein neuer junger Schlagzeuger: Philipp Renz von "Conny Reusch", einer inzwischen aufgelösten Deutsch-Rock-Band. "Ich hätte nie gedacht, dass das Publikum so begeistert von unserem Auftritt ist", sagt Philipp Renz, "ich war mir sicher, dass an diesem Abend alle wegen Mark Chesnutt kommen." Ob der Saal auch wegen der Amarillos so voll wird, dass kein Cowboystiefel mehr rein passt, können die Countryjungs im November beweisen: Dann haben sie einen eigenen Auftritt im Four Corners.
Aber jetzt - endlich - taucht er auf: Mark Chesnutt in voller Größe inklusive weißem Cowboyhut. War mal ein ziemlich gut aussehender Bursche, hat über die Jahre ein bissel zugelegt - das Schwergewicht der Countrymusic. Oh Mann, auch musikalisch und stimmlich hat er's mächtig drauf. An diesem Abend lässt Chesnutt es erst mal ruhig angehen mit "I just wanted to let you know" vom Album "Almost Goodbye". Das Publikum nimmt die Harmonie des einfühlsamen Songs dankbar an. Irgendwie spüren sie alle: Chesnutt singt mit zunehmendem Alter und Umfang besser. Und auch das lässt die Herzen der Countryfans höher schlagen: Mark Chesnutt liefert im Four Corners eine Unplugged-Show ab ohne Keyboards und Pedal Steel-Guitar - just me and my Acoustic-Guitar.
Begleitet wird er von vier Musikern: Zwei Akustikgitarren, einem Bass und der Fiddle. Und die legen jetzt richtig los "Brother Jukebox", das von seinem ersten Album "Too Cold at Home" stammt, war 1991 Platz 1 in den Countrycharts. "Need a little time of bad behavior" vom neuen Album "Outlaw" bringt das Publikum danach vollständig zum Kochen, der schallende Beifall will gar nicht verstummen.
Dass "Freedom to Stay" Mark Chesnutts Lieblingssong ist, wie er sagt, merkt man. Oder doch eher "Somebody Save the Honky Tonks", das Lied von der kleinen Honky Tonk Bar, die gerettet werden muss - wie so manche Tradition der Countrymusic.
"Let's have a drink together!" prostet Chesnutt seinen Fans zu, die das erwidern aber mehr fordern. Weiter geht's mit "Going On Later On" und von einem seiner jüngeren Alben "Rollin" with the Flow". In seinem nächsten Song "Beer, Baits and Ammo" erzählt Chesnutt die Story über einen seltsamen Laden und danach gibt er zu, dass er etwas müde sei, weil er den letzten Tag in Hamburg, wo er sein erstes Deutschlandkonzert hatte, die ganze Zeit unterwegs gewesen sei.
Das Publikum spürt nichts von der Müdigkeit - im Gegenteil - jetzt legt Chesnutt noch eins drauf mit "Too Cold at Home", dem Song, der vor 20Jahren sein Leben verändert haben soll. Es sorgte dafür, dass er in Nashville bekannt wurde und erreichte 1990 Platz 3 in den Countrycharts.
Endlich ist Chesnutt in der Gegenwart angekommen und stimmt "Whiskey Bent and Hell Bound" von seinem neuen Album "Outlaw" an. Chesnutt hat sichtlich Spaß in diesem Club, so nah und distanzlos vor seinem Publikum. Neue Facetten und mehr Tiefgang, die der Country-Typ da zeigt.
Fast zwei Stunden sind unmerklich vergangen. Der Saal brodelt und Chesnutt kann's noch toppen: Die Countryfans bekommen wieder einen zum Mitsingen "It sure is Monday" - und dann will Mark Chesnutt sich verabschieden "Thank you so much! And keep honky tonk!" Natürlich möchte ihn das Publikum nicht gehen lassen. Sie stampfen mit den Füßen, Pfeifen, applaudieren. Eine Zugabe gibt’s a-capella Chesnutt hat's drauf, auch unplugged!