Pogo in Hamburg: The BossHoss live auf der Pauli-Party

The BossHoss; Foto: Erik Weiss

Yee Haw!, Hey Ya!, und Hey Joe: The BossHoss rissen St.-Pauli-Fans vor dem Hamburger Knust zum Pogotanzen hin. Auf der traditionellen Saisonabschlussparty des 1. FC St. Pauli gaben die Countryrocker vergangenen Sonntag (24.5.2009) ein gefeiertes Kurzkonzert - kostenlos und draußen. Rund eine Stunde rockte sich die Band quer durch ihr bisheriges Repertoire, inkl. der brandneuen Single "Last Day" (ab 5.6.2009). Mehr gab es von dem neuen Album "Do Or Die!" (ab 19.6.2009) allerdings noch nicht zu hören. Ein mitreißender Vorgeschmack auf die kommende Open-Air-Tour im Sommer durch Deutschland war es trotzdem.

Pünktlich um 20:00 Uhr klettern The BossHoss - die glorreichen Sieben aus Berlin - auf die Bühne. Ein improvisierter Verschlag an der Stirnseite eines Areals vor dem Knust, zwischen zwei Häuserblocks und mitten in der Stadt. Über 1.000 Paulianer drängen sich da, die meisten mit glasigem Blick und in den Vereinsfarben braun-weiß gekleidet. We Love St. Pauli, We Do…, gröhlt die Menge. Die Stimmung ist ausgelassen, gefeiert wird bei Pauli zwar eh immer. Aber diesmal gibt es sogar einen Grund: Die Mannschaft hat ihr letztes Heimspiel gegen Frankfurt mit 2:0 gewonnen. Eben standen die Kicker noch auf der Bühne, um sich in die Sommerpause zu verabschieden. Jetzt ist die Zeit reif für dreckigen Rockabilly-Country-Punk-Trash, oder wie soll man das sonst nennen? Party-Musik? Na, dann passt's ja.

The BossHoss, die 2004 als reine Spaß-Coverband begonnen hat, zählt längst zu den mitreißendsten und erfolgreichsten Live-Acts auf deutschen Bühnen. Nach diesem Abend wusste man wieder einmal, warum. Wie zum Beweis legen sie von Anfang an ein Tempo vor, als hätten sie keine Zeit zu verlieren. Haben sie auch nicht. Um 21:00 Uhr soll schon wieder Schluss sein. Lärmschutzbestimmungen. Mit "Rodeo Radio" vom gleichnamigen Album geht’s los, gleich darauf folgt die erste, in BossHoss-Manier aufgepeitschte Coverversion: Tony Joe Whites Klassiker "Polk Salad Annie". Es ist zwar recht frisch am Abend, aber die Südstaatenhitze des Songs schwappt trotzdem über. Satter Swamp-Blues heizt der Menge ein. Die Bandmitglieder selbst umgibt ohnehin immer eine schmierig verschwitzte Aura, als würden sie noch unmittelbar vor Konzertbeginn an ihren Camaros und Mustangs herumschrauben. Das einzige, was sie pflegen, scheint ihr Image zu sein.

Die obligatorische BossHoss-Uniform sitzt auch an diesem Abend wieder wie angeölt: Weiße Stetsons, Feinripp-Unterhemden, Jeans und Boots, schweres Totenkopfsilber an den Fingern und schwere Brieftaschenketten. Sie sind eben nicht nur abgeklärte Musiker, die ihr Repertoire locker aus der Hüfte schießen, sondern vor allem ein cooler Show-Act mit wahnsinniger Bühnenpräsenz und viel Spaß bei der Arbeit. Deshalb reden die Sänger Boss und Hoss auch ausschließlich in breitem Südstaatenslang, den sie zwischen den Songs selbstironisch ausspucken wie Kautabaksaft. Wer am Anfang nicht aufgepasst hat ("We are from Berlin, Mississippi"), hält die Spree-Cowboys wahrscheinlich wirklich für Amis.

The BossHoss; Foto: Erik Weiss

Nach "Remedy" von ihrem Debütalbum "Internashville Urban Hymns" folgt der Höhepunkt des Abends, Plastic Bertrands 70er-Jahre-New-Wave-Klassiker "Ca plane pour moi". Auslöser für wildeste Pogotänze vor der Bühne, die bis zum Ende des Gigs nicht mehr abreißen. Die Menge feiert, sicher auch, weil die meisten Zuschauer den Song noch aus ihrer Jugend kennen. Es sind Nummern wie diese, der die Band ihren Ruf verdankt. Hits aus völlig anderen Musikgenres, denen The BossHoss mit schnellem, schmutzigem Countryrock - allerdings mehr Rock als Country - zu Leibe rücken und ihr eigenes Brandzeichen verpassen. Ein alter Hut und dennoch frisch und temperamentvoll.

Der Hip-Hop-Hit "Hot in Herre" von Nelly gehört auch dazu. Souverän lassen Boss und Hoss Bo Diddleys Mitgröhl-Refrain "Who Do You Love?" (St. Pauli natürlich!) und "Hey Ho, Let’s Go" von den Ramones einfließen. Das kommt an. Genau wie ihre Version von Outkasts "Hey Ya!", mit der 2005 der Siegeszug der Band begann. Seit dem ist viel passiert. Ihr kommender Longplayer besteht fast ausschließlich aus eigenen Songs. Doch auch die funktionieren live bestens. Die neue Single "Last Day" reiht sich nahtlos ein und sorgt für ausgelassene Rocklaune. Immer wieder lässt Hank während der Show seine verzerrte Bluesharp aufjaulen und Russ quält die E-Gitarre. Ruhige Akustiknummern passen heute einfach nicht. Straight nach vorne soll es losgehen. Franks knackige Drums und Guss' treibender Rockabilly-Standbass wummern wie ein V-8-Motor. Keine Extravaganzen, von Ernestos gelegentlichem Melodica-Einsatz (etwa bei dem Titelstück des letzten Albums "Stallion Battalion") einmal abgesehen. Rein in den Rock!

Natürlich darf kurz vor Schluss die Mitmach-Hymne "Yee Haw!" nicht fehlen. Boss Burns, der sein T-Shirt heute ausnahmsweise mal anlässt, animiert das Publikum zum Wildwest-Freudengeschrei, bevor die Band verschwindet. Nach einer Zugabe - "Hey Joe" als abgefuckter Rockberserker - verabschieden sich The BossHoss nach einem absolut begeisternden Gig endgültig an die Bar. Und es dürfte mit dem Teufel zugehen, sollten sich bei ihrer Show im Hamburger Stadtpark (19.8.2009) nicht so einige braun-weiß gekleidete Fans wiederfinden. We Love The BossHoss, We Do…

vgw
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