Schnell, laut und gnadenlos gut: Hayseed Dixie im Hamburger Knust

Hayseed DixieWas zum Teufel ist das? Hilly Metal? Hellbilly? Hayseed Dixie nennen's Rockgrass, und was im Jahr 2000 als "Hillbilly Tribute to AC/DC" begann, geht weit über einen Partygag hinaus: Die vier Akustik-Handwerker mittleren Alters haben vergangenen Dienstag (2. Mai 2007) im gut gefüllten Hamburger Knust eine von CountryMusicNews.de präsentierte Live-Show hingelegt, bei der Hardrock- und Countryfans gleichermaßen auf ihre Kosten kamen. 90 irre Minuten voller Rockklassiker u.a. von AC/DC, Motörhead und Judas Priest im Highspeed-Hillbilly-Sound - schnell, laut und gnadenlos gut. Von diesen "Appalachian Hell-Raisers" wird man in Zukunft noch viel hören.

Die Typen, die kurz vor 22.00 Uhr auf die Bühne schlurfen, sehen aus, als hätten sie eben noch mit dem Schraubenschlüssel unterm Pick-Up gelegen oder nur kurz ihr Roadkill-Bar-B-Q im Trailerpark stehen lassen: vier Männer um die 40 in scheußlichen, sackartigen Latzhosen und ärmellosen, verwarzten T-Shirts. So dürfte man normalerweise noch nicht einmal bei Lidl die Einkaufswagen zusammenschieben. Mandolinenspieler Dale Reno könnte mit seinem bunten Stirnband um die grauen, halblangen Haare und Kajal um die Augen glatt als Captain Sparrows Vater in "Fluch der Karibik 3" durchgehen, wenn der Part nicht längst mit Keith Richards besetzt wäre. Gitarrist, Fiddler und Sänger Barley Scotch läuft in einem Batik-T-Shirt herum, als sei er auf dem Weg zur Grateful-Dead-Reunion. Und beim Anblick von Akustikbass-Spieler Jake Byers' fetten Koteletten würde Neil Young vor Neid erblassen. Einzig Banjospieler Don Wayne Reno fällt optisch nicht weiter auf. Doch dann legen die Jungs los - und nichts ist mehr wie es war. 

In einem Höllentempo reißen sie AC/DCs "Dirty Deeds Done Dirt Cheap" runter, ein Opener, der sich im Gegensatz zur Band gewaschen hat, und der klarmacht, wohin die Reise des Abends führt: Mit Status Quos geht's "Down Down, Deeper and Down" in die Eingeweide des Rock, bevor sie mit ihren Fingern noch wilder über das Griffbrett und mit AC/DC über den "Highway to Hell" rasen, zum Spaß ein bisschen mit Judas Priest "Breaking the Law" begehen, am besten dabei Motörheads "Ace of Spades" im Ärmel, bevor sie schließlich die "Moonshiner's Daughter" Aerosmith-mäßig "Walk This Way" vor den Traualtar führen, um ihr danach Rammsteins "Mein Teil" zu zeigen, damit sie am nächsten Morgen beruhigt auch mal AC/DC zitieren kann: "You Shook Me All Night Long". Kurz gesagt: Das Programm der Band, die in ihrem Namen ja schon ihre Inspirationsquelle AC/DC anklingen lässt, besteht zu 95% aus Hardrock-Coverversionen. Aber auch an aktuelle Hits wagte sich das Quartett mit dem Hinterwäldler-Charme. Ihre Fassung des Scissor-Sisters-Popknaller "I Don't Feel Like Dancin'" brachte das Knust jedenfalls genau dazu - zum Tanzen.

Anderthalb Stunden lang heizten Hayseed Dixie dem Publikum ein und bewiesen, dass sie trotz ihres rustikalen Humors alles andere als ein Witz sind. Die vier hervorragenden Musiker verstehen ihr Handwerk und hatten mit ihrem lauten, schnellen Akustik-Metal selbst einen Mordsspaß, was die launig derben Ansagen des Sängers Barley Scotch unterstrichen ("My German is absolut Hundescheiße"). Entweder er pries die Vorzüge dicker Frauen, um zu "She Was Skinny When I Met Her" überzuleiten. Oder er sehnte sich nach dem Kalten Krieg mit seiner eindeutigen Rollenverteilung zwischen Gut und Böse zurück, um anschließend in "Holidays in the Sun" die Berliner Mauer zu besingen. Beide Songs gehörten zu den wenigen Eigenkompositionen des Abends und befinden sich auf dem aktuellen Hayseed-Dixie-Album "Weapons of Grass Destruction" .

Die Idee, Pop- und Rocksongs als Country zu arrangieren, ist alles andere als neu. Aber so frisch, virtuos und flink wie Hayseed Dixie geht dabei keiner zu Werke. Dass sie auch Countryklassiker drauf haben, zeigte ihre Schlussnummer: Mit einer sagenhaften Version von "Dueling Banjos" verabschiedeten sich Hayseed Dixie in die Garderobe zu ihren zwei Kisten Bier, die dort immer bereitstehen. Ob Country oder Rock, da sind sie dann doch alle gleich.

vgw
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