Vielgehasst und vielgeliebt - es gibt kaum eine andere Band der Rock & Roll-Historie als Status Quo, die von den Medien dermaßen regelmäßig vernichtet wurde und auf der anderen Seite über eine dermaßen langjährige begeisterte Fanschar verfügt. Gegründet 1962, haben die Boogie Rock-Pioniere mittlerweile bald sechs Dekaden auf dem Buckel, von der Originalbesetzung des Londoner Quartetts ist allerdings nur noch Sänger und Gitarrist Francis Rossi übrig. "Quo", wie der lebende Anachronismus von seinen Anhängern gerne liebevoll bezeichnet wird, sind der Inbegriff dessen, was man wohlwollend als Losgeh-Partyrock oder weniger freundlich als banale Klamauk-Truppe bezeichnet.
Nach dem Tod von Rossis vieljährigem "Soulmate" Rick Parfitt anno 2016 - der ebenfalls hinterm Mikro und an der Sechssaitigen zugange war - wollten Status Quo sich ausschließlich auf akustische Projekte konzentrieren. Ein Vorsatz, der nicht lange hielt, denn bereits auf den im vergangenen Jahr erschienenen Live-Mitschnitten "Down Down & Dignified at The Royal Albert Hall" und Down Down & Dirty at Wacken" gab es wieder voll elektrisiert auf die Zwölf und auch auf dem noch nicht fertig gestellten nächsten Status Quo-Studiowerk, das Ende dieses Jahres in den Handel kommen soll, wird es laut Francis Rossi "gehörig zur Sache gehen", freut er sich. "Wenn mich viele Ur-Fans für diese Entscheidung und Stil-Kehrtwende verachten, muss ich damit leben. Ich verstehe das sehr gut. Aber bitte, Leute: Gebt der Scheibe eine Chance - sie hat es verdient…"
Doch ehe der Status Quo-Zirkus wieder anrollt, hat der Londoner mit den italienischen Wurzeln, passend zu seinem 70. Geburtstag am 29. Mai, andere Kreativ-Baustellen aufgemacht. Gerade eben ist seine, äußerst launig zu lesende Biografie "I Talk Too Much" (in deutscher Übersetzung: "Ich rede zu viel", Hannibal-Verlag) erschienen, in Kooperation mit dem renommierten britischen Musikjournalisten Mick Wall. "Ich liebe es zu plaudern - und der arme Mick, den ich seit vielen Jahren kenne, musste viele Stunden lang zuhören und mitschreiben", lacht Francis Rossi. "Mit dem Ergebnis bin ich mehr als zufrieden, denn das Buch ist eine extrem aufrichtige Angelegenheit geworden. Was zu bedeuten hat, dass der Leser in eine emotionale Achterbahnfahrt aus Höhen und nicht wenige Tiefen geschickt wird."
"We Talk Too Much" - das Country-Album von Francis Rossi
Die zweite Kreativ-Baustelle hat das alte Schlitzohr mit Sängerin und Violinistin Hannah Rickard zu verantworten, ein Album namens "We Talk Too Much". Francis Rossi bezeichnet es als "lupenreine Country-Scheibe, inspiriert von Jerry Lee Lewis oder den Everly Brothers. Für mich sind das die Großmeister der - im besten Sinne des Wortes - kitschigen Country-Ballade."
Vermutlich werden sich einige der Leute fragen, was eine Boogie Rock-Kapelle wie Status Quo mit Country Music zu tun hat. Denen kann ich nur lässig antworten: "Hört unsere Scheiben speziell aus den 70ern und frühen 80ern genauer an. "Wir von Status Quo hatten stets ein riesiges Faible für Country-Klänge", führt Francis Rossi im Gespräch mit CountryMusicNews.de aus.
Kennen gelernt haben sich Hannah Rickard und Francis Rossi während der Aufnahmen zum Status Quo-Projekt "Aquostic". "Dafür brauchte ich eine Geigerin", erzählt Rossi. "Mein Produzent kannte eine, eben Hannah, und hat uns einander vorgestellt. Wir haben uns sofort prächtig verstanden. Nach Abschluss der Aufnahmen fragte mich Hannah, ob ich noch komponieren würde. Ich meinte salopp: "Lady, wenn ich eines Tages nicht mehr komponiere, bin ich ein toter Mann." Und so kamen wir rasch überein, etwas Gemeinsames auf die Beine zu stellen."
Francis Rossi besteht darauf, so seine Aussage, "der Macher dieses Projekts zu sein. Aber Hannah Rickard hat eine Menge Einfluss darauf, vor allem durch das wunderbare Spiel ihrer Violine. Wahrscheinlich hat die Gute sogar am Ende mehr Einfluss auf die Geschichte als mir lieb ist", feixt Francis Rossi.
2019 ist jedenfalls ein Jahr, in dem Francis Rossi mit den verschiedensten Projekten zugange sein wird, live wie im Studio. "Ich muss mal ein ernstes Wort mit meinem Manager reden", knurrt er. "Der Scheißer hat mich mit Terminen bis Dezember oder so zugeballert. Mir wird das erst jetzt im Ausmaß so richtig klar. Aber Spaß beiseite: Ich bin eine Rampensau, die von der Öffentlichkeit geliebt werden möchte. Und froh darüber ist, noch nicht so schnell in Rente verschwinden zu müssen. Was für ein trauriger Gedanke."