Was kann man nach so langer Abstinenz erwarten? Kritische Zungen mögen vielleicht behaupten, dass Little Texas nicht mehr zeitgemäß seien und dass ihr Sound überholt sei. Diesen Vorurteilen stellt sich die Band im Titelsong "Young for a Long Time". So singt Howell darüber, dass das Feuer noch lange nicht aus ist, und dass man ihn und seine Mitstreiter besser nicht abschreiben sollte. Selbstbewusste Aussagen, die allerdings auch durch die Musik legitimiert werden. Denn "Young for a long Time" ist ein munterer Opener, der nicht den Eindruck entstehen lässt, dass die vier verbliebenen "kleinen Texaner" musikalisch nichts mehr anzubieten haben. Den ganz großen Hit werden sie sicher nicht mehr landen, aber solide Country Music - oftmals mit einem kräftigen Schuss Rock'n'Roll - ist das allemal.
Mit letztgenannter Zutat geizen Little Texas bei diversen Titeln nicht gerade. "Why I Brought My Boots" ist beispielsweise ein forscher Rocker mit der Art von Charme, die einen bei gutem Wetter das Fenster runterkurbeln lässt. "Rednecks Do Exist" ist da ein wenig dreckiger, geht aber ebenso ins Ohr (und wandert von dort bis in die im Takt stampfenden Cowboystiefel). Auch "Yeah Yeah Yeah" gibt sich angriffslustig, fällt allerdings mit seinem nervigen (da nur aus Lauten bestehenden) Refrain eher negativ auf. Letztlich wäre da noch "This Hot in Texas", ein wunderbares Gitarren-Feuerwerk von sechseinhalb Minuten Länge, das durchaus auch ZZ Top gefallen könnte.
Doch natürlich beschränken sich Little Texas nicht nur auf die lauten Klänge. Immer wieder streut die Band Songs ein, die irgendwo zwischen Ballade und Midtempo zu Hause sind. Am meisten sticht dabei sicherlich "Slow Ride Home" hervor, ein bewegendes Tribut an die amerikanischen Truppen. Aus Sicht eines verstorbenen Soldaten wird beschrieben, wie er (im Sarg) durch seinen Heimatort gefahren wird. Er erinnert sich an seine Jugend, an die Zeit vor dem Krieg. Er sieht vertraute Gesichter am Straßenrand, die ihm die letzte Ehre erweisen. Mit Feingefühl nehmen sich Little Texas dieser emotionalen Thematik an, und verpacken sie in einem angemessenen und ansprechenden musikalischen Gewand.
"Kings of This Town" ist eine weitere Nummer, die ohne aufgerissene Verstärker auskommt, und stattdessen mit einer eingängigen Melodie von sich reden macht. Wer es noch eine Spur besinnlicher mag, wird sicherlich an der Ballade "Take This Walk With Me" seine Freude haben. Nett, auch wenn die ganz großen Emotionen nicht rüberkommen wollen. Gleiches gilt für "How Many Chances", das mit den Streichern im Hintergrund ein wenig überzogen wirkt. Da weiß "Nothin‘ You Can Do", bei dem es wieder etwas griffiger zur Sache geht, schon deutlich eher zu punkten. Geradlinige Strophe, packender Refrain - das passt!
Zum Abschluss präsentieren Little Texas dann noch neue Aufnahmen ihrer Klassiker "What Might Have Been" und "God Blessed Texas". Interessant sicherlich für all jene, die zwischen den Stimmbändern von Rushlow und Howell Vergleiche ziehen möchten. Geschmäcker sind natürlich verschieden, doch eines sei gesagt: Verstecken muss Howell sich vor seinem erfolgreichen Vorgänger nicht.
Fazit: An alte Erfolge werden Little Texas mit "Young for a Long Time" höchstwahrscheinlich nicht anknüpfen können, aber das dürfte auch gar nicht der Anspruch sein. Vielmehr beweist das Quartett, dass es noch mit Spaß und Spielfreude bei der Sache ist. Ein gutes Album, dass all jenen Gefallen wird, die rockige Country Music zu schätzen wissen.
Label: Cleopatra (H'Art) | VÖ: 24. April 2015 |
Titelliste
01 | Young for a Long Time | 08 | Take This Walk With Me |
02 | Can't Get In a Hurry Here | 09 | Nothin' You Can Do |
03 | Why I Brought My Boots | 10 | How Many Chances |
04 | Slow Ride Home | 11 | This Hot In Texas |
05 | Rednecks Do Exist | 12 | What Might Have Been (Neuaufnahme) |
06 | Kings of This Town | 13 | God Blessed Texas (Neuaufnahme) |
07 | Yeah Yeah Yeah |