Dabei hat "Hello Love" nichts mit einem musikalischen Stückwerk zu tun. Ganz im Gegenteil: Das von der Band zum größten Teil selbst produzierte Album, ist wie aus einem Guss. Ähnlich wie bei der Herstellung eines Quilts sammeln die drei "Tanyas", Frazey Ford, Trish Klein und Samantha Parton, musikalische Reste und Versatzstücke aus der großen nordamerikanischen Musiktradition und nähen sie zu etwas Neuem zusammen. Dabei bleiben die drei Kanadierinnen stilistisch ganz bei den Wurzeln von Country und Blues, Gospel, Bluegrass und Folk und verfolgen dabei einen schon fast traditionalistischen Ansatz. Von der Warte eines Kenny Chesney aus betrachtet, stehen The Be Good Tanyas auf der ganz anderen Seite des Spektrums dessen, was 2006 unter dem Begriff "Country" firmiert.
Dabei haben die drei Ladies einen höchst "untraditionellen" Lebensweg hinter sich: Als Umweltaktivistinnen sorgten sie mit eigenen Händen für die Wiederaufforstung kanadischer Wälder, unternahmen Weltreisen auf Hobo-Art und sammelten unterschiedlichste musikalische Erfahrungen: Ob TripHop, Soul, Folk, Spoken Word oder auch Country. Auf den etwas seltsamen Bandnamen "The Be Good Tanyas" brachte die Band niemand Geringeres als die texanische Songwriterin Jolie Holland, die derzeit mit ihrer Retro-Country-Jazz-Blues-Mischung in den USA für Furore sorgt. Ex-"Tanya" Holland spielte bei einer gemeinsamen Session den Song "Be Good Tanya" vor - ein Name war nun gefunden. Und obwohl Holland kurze Zeit später zu einer Solokarriere ansetzte, lässt sie es sich nicht nehmen, bei jeder Platte ihrer Freundinnen mitzuwirken. Auf "Hello Love" singt Holland Backgrounds bei der ebenso stürmischen, wie zuckersüßen Coverversion des Mississippi-John-Hurts-Klassikers "Nobody Cares For Me".
"Hello Love", das zu großen Teilen komplett live eingespielt wurde und dementsprechend lebendig klingt, beginnt mit der entspannten fast groovigen Folk-Nummer "Human Thing", die Sängerin Frazey Ford irgendwo zwischen Bob Dylan und Jack Johnson anlegt. Ein starker Song mit Hitpotential, wie eigentlich fast alle Eigenkompositionen der Band. Gleich beim zweiten Track zollen die Ladies dem Godfather der Alternative-Country-Bewegung Tribut: Neil Youngs "On The Turnstiles" interpretieren die "Tanyas" fast werkgetreu, aber die wunderbar sperrigen Vokalharmonien von Ford, Klein und Parton drücken dem Song definitiv einen eigenen Stempel auf.
Das gelingt der Band auch bei den anderen Coverversionen auf "Hello Love": Bei dem sanft gehauchten "A Thousend Tiny Pieces" von Songwriter Sean Hayes, bei "Scattered Leaves" von Jeremy Lindsey und den Traditionals "Out of The Wilderness" und "What Are They Doing in Heaven Today". Spektakulär ist der Hidden Track "When Doves Cry", geschrieben von niemand Geringerem als Funk-Thronfolger Prince.
Der Song widerspricht eindeutig dem Credo der Band, sich an traditionelles Liedgut zu halten. Trish Klein in einem Interview: "Es ist einfach für uns viel interessanter traditionelle Songs zu covern, als irgendetwas aus den Achtzigern." Macht nichts, funktioniert trotzdem hervorragend.
Fazit: Ein ebenso bewegendes, wie knarziges Werk junger Country-Traditionalistinnen. Fans von "O Brother Why Art Thou" greifen bedenkenlos zu und stimmen mit Emmylou Harris überein, die meint: "The Be Good Tanyas, I love them."
Label: Nettwerk (Soulfood) | VÖ: 20. Oktober 2006 |
Titelliste
Links
01 | Human thing | 08 | Nobody cares for me |
02 | For the turnstiles | 09 | Out of the wilderness |
03 | A thousand tiny pieces | 10 | Song for R. |
04 | Ootischenia | 11 | What are they doing in heaven today |
05 | A little blues | 12 | Crow waltz |
06 | Scattered leaves | 13 | When doves cry |
07 | Hello love |