Anderson East: ein selbstbewusster Alabamian in Hamburg
East heißt eigentlich Michael Anderson. Bevor er sein Major-Label-Debüt "Delilah" im Juli 2015 veröffentlichte, hatte er den Künstlernamen Anderson East angenommen. Dies habe ihn beim Songschreiben befreit, erzählte er der Presse. Kaum vorstellbar, dass dieser so selbstbewusst auftretende 28jährige einen solchen Befreiungsschlag einmal nötig gehabt hat. Sein Live-Debüt in Deutschland gab der US-Amerikaner 2015 beim Hamburger Reeperbahn Festival , nun kehrt er zum Auftakt einer Tour, die ihn noch nach Leipzig und Köln führen wird, an die sündige Meile zurück: der Nochtspeicher, ehemals das Erotic Art Museum, liegt nur einen Steinwurf von der Reeperbahn entfernt.
Was auf der hochgelobten Platte "Delilah" zumeist nach klassischem Rhythm&Blues klingt, kommt live mit sehr viel mehr Power daher: Easts Band spielt schweißtreibenden Südstaaten-Soul, mit einer gehörigen Portion Rock'n'Roll. Dass East auch in Country-Kreisen seine Anhänger findet, ist an diesem Donnerstagabend in Hamburg zunächst nicht zu bemerken. Der Nochtspeicher ist nur zu etwa zwei Dritteln gefüllt, dennoch herrschen echte Sumpf-Temperaturen, wie man sie im Süden der USA wohl das halbe Jahr über zu ertragen hat. "I hope you brought your dancing shoes", ruft Anderson East, und seine Band dreht richtig auf. "Quit You" und "Only You" beginnen das Set in sattem Sound. Sechs Musiker hat East aus den USA mitgebracht, darunter ein Saxophonist und ein Trompeter, die für einen mächtigen Soul-Sound sorgen, der auch einem Otis Redding zu Ehre gereicht hätte. East hatte als Jugendlicher in Kirchenchören gesungen, eine Schule die sich nun auszahlt: seine raue, voluminöse Stimme könnte wohl auch ohne Mikrofon ganze Kathedralen füllen. Nach der druckvollen Ballade "Lonely" greift East auch selbst zur Gitarre. Während sein Gitarrist Scottie Murray gefühlvoll eine Lap Steel Guitar spielt, intoniert der Sänger Van Morrisons "Tupelo Honey", als sich langsam steigernde Blues-Version mit ein klein wenig Country-Feeling. Ein Höhepunkt des Abends.
Anderson East hat eine Reibeisenstimme wie Rod Stewart
Überhaupt macht Anderson East keinen Hehl daraus, wie sehr ihn die ganz Großen des Pop geprägt haben. In Eddie Floyds Stax-Hymne "Knock on Wood" können die Bläser ihr ganzes Können zeigen; David Bowies Hit "Rebel Rebel" wird bei East und Band zu einem funky Südstaatenrocker mit viel Gefühl. Und dann ist da noch die Reibeisenstimme eines anderen Sängers, von dem sich der Amerikaner ohne Zweifel einiges abgeschaut hat: Rod Stewart. Dessen ironische Groupie-Hymne "Stay With Me" ist der Prototyp des ausgelassenen Rocksongs. Die Cover-Version im Nochtspeicher kommt nah an die von Stewarts Band The Faces heran, jedoch beschleicht einen kurz das Gefühl, dass Anderson East noch etwas mehr hätte geben können. Aber: der Mann hat ja auch noch einige Konzerte vor sich. Zuvor der intimste Moment des Abends: "What a Woman Wants to Hear" spielt East ohne Band, "for the Ladies". Während "Lying in Her Arms" kehrt nach und nach die Band auf die Bühne zurück, erst die Bläser, dann der hervorragende Keyboarder, dann Murray mit seiner Lap Steel. Während der Zugabe "All I'll Ever Need" weiß der Sänger schlussendlich genau, bei wem er sich bedanken muss: bei seiner phänomenalen Band, die er mit dem Rücken zum Publikum anpreist. Ein bisschen Country, eine gute Portion Rock, und ganz viel Soul: Anderson East hat in Hamburg restlos überzeugt.
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