Diese Strategie setzte Daryle Singletary fort, als er am 28. Juni 2013 sein bisher erstes und einziges Konzert in Deutschland gab.
Die Musiker
Sein Sortiermuster scheint simpel. Man hole sich die bestmöglichen Musiker, die vor Ort zur Verfügung stehen und reduziere sein Tun und Denken in vollem Vertrauen auf diese. Aus seinem eigenen Kreis zu Hause brachte er Gitarrist Phil Valdez mit, der 2009 bereits mit Tracy Byrd im Four Corners Music Hall gespielt hatte. Seither hielt er den Kontakt zu Didi Wächtler, für viele der beste Pedal Steeler in Deutschland, so dass die jetzige Tour mit Daryle Singletary unter anderem auf diesem Verbindungsnetz basierte. Darüber hinaus organisierte Phil Valdez die weiteren Begleitmusiker, nämlich die Grundbesetzung der deutsch-amerikanischen Band Stars'n Bars um Bandleader Matt Wegner. Dessen Tochter Scarlett, weiterhin Ernest Ray Everett (unter anderem am Piano), Clemens Schirmer (Drums) sowie John McCullough (Bass) vervollständigten die hochwertige Aufstellung. Mit einer derartigen Bestückung haben hemmende Funktionen keinerlei Chance, wenn Menschen mit genialen musikalischen Fähigkeiten aufeinander treffen, wie es sich auch schon bei den 3 vorangegangenen Konzerten von Stars'n Bars mit Paul Overstreet im Four Corners gezeigt hatte.
Mit einer solchen Unterstützung standen Daryle Singletary alle Ressourcen in vollem Maß zur Verfügung, wie er sie von zu Hause kennt. Bessere Voraussetzungen hätte er vermutlich auch in Nashville nicht haben können. Er war bereit, die Verschmelzung auch vollends zuzulassen, was dem Publikum ein direktes Erspüren seiner Musik ermöglichte. Hier war niemand zu viel auf der Bühne, die Kommunikation stimmte an jeder Stelle. Um dies zu gewährleisten, waren alle bereits am Vortag zur Probe und zum Soundcheck in Untermeitingen eingetroffen.
Das Interview
Vor Beginn seiner Show im Four Corners, während Stars 'n Bars den Abend dort eröffneten, sprach CountryMusicNews.de mit Daryle Singletary und Phil Valdez im benachbarten Lechpark Hotel. Noch im völligen Relax-Modus, in Shorts und Flip Flops, mit spürbarem Abstand zum vor ihm Liegenden, jedoch auch mit ausreichend Zielklarheit, zeigte sich der eher zurückhaltende Sänger interessiert und aufgeschlossen. Interviews gehören zu seiner Erfahrungswelt, allerdings ist er ganz offensichtlich kein Mensch, der sich selbst gern in den Vordergrund stellt.
Nach seinem Leben zu Hause befragt, meinte der Country-Sänger, er sei wohl der simpelste Mensch auf Erden, ein echter "Homebuddy", der es sich am liebsten mit seiner Familie daheim in Lebanon, östlich von Nashville, Tennessee, gemütlich macht. Er sei an die 120 Tage am Jahr auf Tour und genieße es, dann für seine zweieinhalb-jährigen Zwillingssöhne und die acht Monate alte Tochter da zu sein, jagen oder Golf spielen zu gehen. Geprägt von der eigenen Kindheit in gut bürgerlichen Verhältnissen in Georgia scheint der Anker gelegt worden zu sein für diese Zufriedenheit mit dem Wesentlichen. So wundert es wenig, dass er zugibt, von Europa und Deutschland so gut wie keine Ahnung zu haben. Man habe ihm am Vortag ein wenig Grundwissen nahe gebracht, allerdings hat sich die Wahrnehmung dabei wohl auf das Four Corners beschränkt, das für ihn den Kern seiner Aufgabe hier bildet.
Was er sich von der Show am Abend erwarte, ob er meine, es werde ein Unterschied zum Publikum in den USA geben? Er denkt, die Leute hier seien loyaler und zeigten mehr Leidenschaft für Country Music, könnten Künstler wie ihm vielleicht mehr Respekt entgegen bringen. Natürlich hat er in sofern recht, dass wir hier Country betreffend noch nicht übersättigt sind, sie aus anderer Perspektive sehen. Er werde das selbe Programm spielen wie immer, habe für Deutschland speziell nichts geändert. Außer einen Song über George Jones, den er erstmals hier live vortragen werde und am Vorabend mit Phil Valdez eingeprobt hatte. Allerdings wird er später auf jeden Fall "(Take Me Home) Country Roads" einzubeziehen, welches er 2009 in korrekt würdevoller Weise aufgenommen hatte, während man ihm hier die keinesfalls verdiente Vergewaltigung zum Partyknaller angetan hat.
Im Lauf seiner 18-jährigen Karriere kann er auf zahlreiche Duett-Partner wie Ricky Skaggs, Rhonda Vincent, Randy Travis und andere zurück blicken. Wer noch auf seiner Wunschliste stehe, wollte ich wissen. Er wolle nicht unbescheiden klingen, meinte er darauf, aber er habe tatsächlich schon mit fast allen großen Stars gespielt, wie auch Merle Haggard oder Johnny Paycheck. Doch es gebe einen, der in dieser Liste fehle: Keith Whitley. Er bedaure sehr, ihn nicht mehr kennengelernt zu haben, da dieser wenige Monate zuvor verstarb, bevor er selbst 1990 nach Nashville kam. Müsse er jedoch jemanden der noch lebenden benennen, wäre es Dolly Parton, für die er viel Bewunderung empfinde.
Die Show
Wenig später tauschten Matt Wegner und Phil Valdez den Platz an der Leadguitar, Scarlett wechselte die Position zur Background-Sängerin und Daryle Singletary begann das Konzert mit überzeugter Haltung, voluminös, gewaltig und den Energietransfer zum Publikum vom ersten Ton an aufbauend. Der erste Song war beendet, die vorher geklärten Beziehungen auf der Bühne haben sich bewährt und die Mimik des Künstlers veränderte sich schlagartig. Während ihm vorher im Gespräch, wenn überhaupt, nur ein zartes Lächeln zu entringen war, schien er nun in seiner Welt angekommen, dies war seine Rolle, die Strahlen erzeugte, das während der gesamten Show beständig war. Alle Begrenzungen waren gelöst. "Ihr wollt Country Music? Here we go!", die Sache war klar. In diesem Zustand würde er nun verweilen, die Sicherheit nahm mit jeder Reaktion des Publikums zu.
Ein Entertainer ist Daryle Singletary nicht. Und das braucht er auch nicht zu sein. Keine Lichtgestalt, kein Storyteller, kein Showman. All deren Prozeduren sind ihm fremd und es besteht keine Notwendigkeit zur Veränderung. Das ausverkaufte Four Corners erlebte jedoch die sich steigernde Darstellung eines Mannes, der sich einfach wohl fühlte, dann auch mal Witze erzählte und meinte, wenn der Flug nicht so lange wäre, würde er hier glatt jede Freitag Nacht spielen (wogegen sicher niemand Einwände hätte).
Bei uns bekannte Songs wie "Some Broken Hearts Never Mend" und dann auch "(Take Me Home) Country Roads", die die Leute hier sangen und nicht gröhlten, vervollständigten seine Klarheit, alle Strukturansätze richtig angewendet zu haben.
Nach eineinhalb Stunden wollte ihn noch niemand gehen lassen, die Band begleitete ihn bei zwei weiteren Zugaben und schließlich gab er allein mit Gitarre seinen Song "Promises". Man soll enden, wenn der Prozess in Perfektion abgeschlossen ist.
Das Gefühl
Daryle Singletary wurden Nennungen zuteil, wie "Arguably the best singer of his generation" (Billboard) oder "One of the vanishing breed of singers truly schooled in the George Jones-Lefty Frizzell style" (USA Today). Was er im Four Corners gab, war die Bestätigung all dessen. Die Emotionsmasse war enorm, das Verlangen nach Country Music mit Bedeutung und Inhalt war erfüllt worden!