Die undankbare Aufgabe, bereits auf der Bühne zu stehen, während die Leute noch das Stadion tingeln, in dem sich sonst die Buffalo Bisons beim Baseball auf der Wiese tummeln, musste Chuck Wicks übernehmen. Der Sänger, der als einziger im Herren-Quintett derzeit nicht wirklich über einen aktuellen Hit verfügt, tat dennoch sein Bestes. Nur interessierte das in der prallen Sonne kaum jemanden. Der neue Song "Old School", den Wicks nach dem Opener "All I Ever Wanted" dem Publikum offerierte, kam immerhin gut an.
Klar, durfte sein 2008er Durchbruchs-Hit "Playing Cinderella" ebenso wenig im Set fehlen, wie "Man of The House". Gut möglich, dass der Künstler aus Delaware Ende des Jahres wieder mit einer Ballade Erfolge einfahren kann, denn das neuvorgestellte "The Whole Damn Thing" hat auf jeden Fall das Zeug, es in die Top 10 zu schaffen. Insgesamt aber litt die Performance der zehn Songs unter schlechtem Sound und der Missachtung vieler Zuschauer, die lieber ihre Plätze suchten oder sich im Stadionrund kulinarisch auf die kommenden Stunden vorbereiten.
Wie auch sein Vorgänger erschien Josh Thompson mit einem 3-Tage-Bart im Gesicht auf der Bühne. Seine langen Harre zu einem Pferdeschwanz nach hinten transportiert, legte der Mann gleich los wie die Feuerwehr. Mit dem Opener "Beer On The Table" legte sich der Mann aus Wisconsin mächtig ins Zeug und sollte danach gar nicht mehr zum Stillstand kommen. Zwar spielte er mit nur sieben Songs das kürzeste Set des Abends - doch erstmals sorgte Thompson mit seiner Band dafür, dass in der Party Zone vor der Bühne Bewegung hineinkam.
Neben Krachern wie dem partytauglichen "Won't Be Lonely Long" oder den Rock-Nummern "Blame It on Waylon" und "You Ain't Seen Country Yet", die allesamt vom noch aktuellen Studioalbum "Way Out Here" stammen, gab es mit dem gutgelaunten "Same ol' Thing On Me" gleich einen Vorgeschmack auf die nächste Langrille des Sängers. Wenn dieser weiterhin ein derart sicheres Händchen für Country-Smasher beweist, dürfte er bald in der ersten Liga in Nashville spielen. Und das auch mit langen Haaren.
Easton Corbin durfte als nächstes ran und versetzte das Publikum schon mit der ersten Nummer "The Way Love Goes" in Stimmung. Wie auch bei dem vorhergegangenen Auftritt profitierte der Sänger aus Florida von der Tatsache, dass sein erstes Album gleich eine Vielzahl an Hits offenbart. Und so legt er "Don't ask me 'bout A Woman", "A Little More Country Like That", "The Way Love Looks" nach. Während die Temperaturen langsam sinken, steigt durch den karibisch angehauchten Urlaubsfeeling-Song "A Lot to Learn About Livin'" die Laune im weiten Rund. Der 28-jährige kommt enorm sympathisch rüber und auch die Band hat ihr Handwerk gelernt. Dann spielt er "First Time" - eine wunderbare Midtempo-Nummer, die Kenny Chesney zusammen mit Phill Vassar geschrieben hat, und Chesneyschon vor Jahren für sein erstes Greatest Hits-Album aufgenommen hatte. "Roll With It" beendet das überzeugende Set.
Richtig gemausert hat sich in den beiden vergangenen Jahren zweifelsfrei Chris Young. Nachdem sich auf seinem zweiten Album die Ballade "Gettin' You Home“ als erster seiner Songs bis auf die Pole Position der Charts kletterte, geht es mit dem Sänger und Gitarristen aus Nashville bergauf. Gerade hat er wieder einen Hit in den Charts - "Tomorrow" ist zwar wieder eine Ballade - aber es gibt schlimmeres, als mit einem erprobten Rezept auf Erfolgsjagd zu gehen, oder? Bis es allerdings so weit ist, rockt er bei "That Makes Me" oder verbreitet mit "You're Gonna Love Me" eine immer besser werdende Stimmung. Die Freude, bei einem so großen Konzert als letzter Künstler vor dem Hauptact auftreten zu können, ist Young, dem "Nashville Star" Gewinner von 2006, deutlich anzusehen. Seine weißen Zähne strahlen über die Leinwand im Stadion, während in Buffalo mittlerweile auch die letzten Sonnenstrahlen verschwinden. Damit hat Chris Young allerdings nicht zu tun, so singt er dem Volk neben bekannten Material seiner beiden ersten CDs auch zwei neue Nummern vor. "Take It From That" ist ein gutes Stück klassischen Country-Mainstreams, den man einfach gern immer wieder hört, weil man danach besser drauf ist. Etwas zu laut und rockig fällt dagegen "Save Water & Drink Beer" aus, in dem seine gute Stimme doch unter fetten Gitarren ein wenig zu kurz kommt. Hitchancen dürfte die Nummer trotzdem haben - immerhin sind sein "Pretty Good At Drinking Beer" Trinkerlieder wieder voll im Trend. "Voices" beschert Young nach elf Stücken einen überaus umjubelten Abgang.
Im mittlerweile auf 16 Grad abgekühlten Stadion braucht die Crew von Josh Turner fast 20 Minuten länger, als im ursprünglichen Zeitplan für die Umbauarbeiten auf der Bühne vorhergesehen sind. Das liegt aber nicht nur an der Anbringung des Teppichs, der immer den Untergrund für alle Live-Auftritte von Josh Turner bietet. Denn das Publikum soll an diesem Abend nicht eine abgespeckte Version des aktuellen Tourprogramms des Stars zu sehn bekommen. Und das Warten hat sich gelohnt, denn die Show, die mit "Firecracker" beginnt, ist nicht nur hörens- sondern auch sehenswert. Mit eigentlich überschaubarem Aufwand setzen entweder die originalen Videoclips oder extra für die "Haywire"-Tour produzierte Filmchen dem handwerklich perfekten Treiben auf der Bühne einen passenden Hintergrund. Turner hat nicht nur personell die größte Band des Abends hinter sich - die Herren (und natürlich Josh's Ehefrau Jennifer am Keyboard) sind durchweg erste Sahne. Allein die Instrumentalisierung von "Your Smile" ist schon das Eintrittsgeld wert. Pure Country at it's best eben. Durch die Mischung aus schnelleren Songs wie dem sehr coolen "Eye Candy", dem liebenswerten "Would Go With Me" und ruhigerem Material wie "Another Try" oder der aktuellen Hitsingle "Would´t Be A Man" bietet er viel Abwechselung - was die Fans schließlich mit stehenden Ovationen belohnen. Die Open Air-Saison in Sachen Country ist erfolgreich eröffnet…