Die außerhalb der Staaten weitgehend unbekannte Cornell Hurd Band, eine zehnköfige Texas-Swing-Grossformation aus Austin, Texas, vermochte viele Zuschauer zu begeistern. Saxofon, Rubberboard, Pedal Steel, Fiddle, Trompete, diverse Gitarren und Drums ermöglichten der Band, eine grosse musikalische Bandbreite zu zeigen. So war neben Western-Swing-Tanzmusik, Big-Band-Sound und Jazz auch Rock 'n' Roll zu hören. Besonders frenetischen Applaus ernteten jeweils die Saxofoneinlagen von Del Puschert (Ex-Musiker von Elvis). Wer die Tanzfläche vermisste, holte dies an der Aftershow-Party im Festzelt nach.
Für die einzige weibliche Stimme sorgte auf dem diesjährigen Festival mit einem Kurzauftritt die Newcomerin Morgane Hayes. Morgane hat in Nashville einen Songwriting-Vertrag und seit Kurzem auch einen Plattenvertrag bei BNA Entertainment. Sie verfügt über eine gute Country-Stimme, wirkte jedoch sehr schüchtern.
Singer/Songwriter Rhett Akins war für die moderne Country-Musik zuständig, spielte aber auch Songs seiner Vorbilder Hank Williams ("Your Cheating Heart") und Waylon Jennings ("Rambling Man"). Sehr gut gefielen sein Nummer-1-Hit "Don't Get Me Started", das rockige "Friday Night In Dixie" oder die Ballade "That Ain't My Truck". Die ganz grosse Stimmung wollte bei seinen Auftritten nicht aufkommen. An den Sprachhürden dürfte es kaum gelegen haben, denn über das reservierte, höflich klatschende Gstaader Publikum hat sich schon mancher US-Star gewundert.
Seit Kurzem ist Rhett wieder bei einer grossen Plattenfirma (BNA Entertainment) unter Vertrag. Die Kostproben seiner neuen Songs, die Ballade "If Heaven Wasn't So Far Away" oder "I Love Women My Mother Can't Stand", tönen vielversprechend. Es bleibt zu hoffen, dass er bei den Aufnahmen auch auf typische Country-Instrumente zählen kann, die leider bei seiner Show gänzlich fehlten. "Im Moment lassen mich die Plattenbosse noch die Musik spielen, welche mir gefällt", erklärte Rhett anlässlich der Pressekonferenz und beendete sein Set wie als Beweis dafür mit "Kick My Country Ass", das die Leute dann doch von den Stühlen riss.
Mit einer Schweigeminute gedachte Organisator Marcel Bach nach der grossen Pause den in diesem Jahr verstorbenen Buck Owens und John Brack, welche 1990 gemeinsam auf der Gstaader Bühne standen.
Ein sichtlich nervöser Ronan eröffnete am Freitag seine Show mit "I Love It When We Do". "The Way You Make Me Feel" verbrachte er Hände schüttelnd in der Menge, was ihm bereits in den ersten Reihen einen Sympathiebonus sicherte. Beim dem Publikum bekannten "Last Thing On My Mind" löste sich die Verkrampfung, und Ronan konnte lockerer aufspielen. Es folgten die aus seiner Feder stammende wunderschöne Ballade "This I Promise" You sowie "Iris" von seinem aktuellen Album "Bring You Home".
Ronan betonte, dass es für ihn durchaus Sinn mache, in Gstaad aufzutreten, verbindet die amerikanische Countrymusic doch vieles mit der Irish-Folk-Musik seines Heimatlandes. Die Country-Coversongs waren gut gespielt. Anders eben, aber gut. Paul Overstreets "When You Say Nothing At All" ebenso wie "I Hope You Dance" (im Original von Lee Ann Womack). Garth Brooks' "If Tomorrow Never Comes" überliess er sogar teilweise dem Publikum, das sich ungewohnt singfreudig zeigte.
Ab der Mitte der Show klatschten und sangen die Zuschauer stehend, und der Applaus bei der letzten Zugabe "The Long Goodbye" wollte kaum enden. Soviel zur fantastischen Show am Freitag, welche leider am Folgetag keine Wiederholung fand.
Die Lautstärke am Samstag war derart hoch, dass sogar Zuhörer, die von Pop- und Rockkonzerten erprobt sind, sich Ohrstösel verpassten. Viele verärgerte Country-Fans verliessen das Konzert, bestärkt in ihrem (Vor-)Urteil, dass Ronan in Gstaad nichts zu suchen habe. Die schönsten Songs und die schönste Stimme tönen bei diesem Pegel einfach nur eines: nämlich laut. Die feinen Töne vom Vortag gingen im überdrehten Bass völlig unter. Jammerschade! Der Fairness halber muss gesagt werden, dass es Ronan gegen Ende des Sets doch schaffte, die Konzertbesucher von den Sitzen zu reißen, und Standing Ovations erntete. Und während die einen in der Pause ihre Ohren noch lüfteten, stürmten andere begeistert die Stände, um sich mit seinen CDs einzudecken.
Clay Walkers Ausflüge abseits der traditionellen Countrymusic zeigten, dass das Gstaader Publikum durchaus gewillt ist, sich für andere Musik zu öffnen; wenn sie denn in akzeptabler Lautstärke präsentiert wird.
Welchen Weg das Gstaader Festival in Zukunft gehen will, wird sich zeigen. Dass die Wünsche der Country-Fans sich teilweise meilenweit unterscheiden, macht es für Veranstalter nicht einfacher, Künstler zu engagieren, welche unter jeden (Cowboy-)Hut passen. Für das diesjährige nicht ganz risikolose Line-up meinerseits jedenfalls ein Chapeau!