Wade Bowen im Hamburger Nochtspeicher

Wade Bowen live in Hamburg

Junge, komm bald wieder!

Es ist ein lauer Sommerabend in der Hansestadt Hamburg, auf den Straßen herrscht ausgelassene Stimmung. Wie jedes Wochenende wird der Kiez von verschiedensten Menschen geschmückt. Doch an diesem Samstag, dem 3. August 2019, ist die Meile besonders bunt: Es ist Christopher Street Day in Hamburg und die Stadt zeigt Flagge - Regenbogenflagge.

Etwas abseits der großen Pride-Parade auf der Reeperbahn, feiert der texanische Sänger und Songschreiber Wade Bowen sein Deutschland-Debüt. Sein Auftritt in der Nochtwache passt wunderbar zum heutigen Hamburger Motto "Pride". Denn ursprünglich war dieses Konzert Mitte 2018 geplant gewesen. Der Country-Star gibt zu, dass dies ein ganz besonders schweres Jahr für ihn war: Es war gezeichnet von Verlust und Krankheit. Fast hätte Wade Bowen das verloren, weswegen sich vielleicht mal 100 Leute heute Abend zur Nochtwache auf den Weg gemacht haben - seine Stimme. Er ist stolz, es gesund und mit einem Repertoire an tollen neuen und alten Songs zu seinen Fans nach Deutschland geschafft zu haben.

Jamie Freeman ist als Support dabei

Die Location ist bereits gut gefüllt, als Jamie Freeman um 20:40 Uhr die Bühne betritt. Es scheint genau die richtige Anzahl Menschen für das gemütlich, in rot beleuchtete Kellergewölbe der Nochtwache zu sein. Die Intimität und das Gefühl, Teil von etwas Besonderem zu sein, kommt in dieser Atmosphäre auf. Unter den Besuchern kann man vermehrt Trucker-Caps, aber auch ein paar Cowboyhüte erkennen. Mag die Wahl der Kopfbedeckung doch variieren, so sind sie sich bei der restlichen Bekleidung ziemlich einig. Heute müssen Holzfäller und Flanell-Hemden in allen verschiedenen Karomustern her.

Jamie Freeman trägt heute zwar weder Cowboyhut noch Cap, steht jedoch ganz in Sänger-Songschreiber-Tradition nur mit seiner Gitarre auf der kleinen beleuchteten Bühne.

Er überzeugt an diesem Abend nicht nur mit klasse Folk und Americana, sondern auch mit viel Gefühl und Charme. Die ehrliche und unverblümte Art, mit der er seine Songs "The man I want to be" oder "In the Name" präsentiert, kommen bei dem Publikum gut an. Es gibt Beifall und bei manchen Titeln singen die Besucher sogar den Refrain mit. Jamie Freeman gesteht, dass er sich eigentlich eher als Americana-Musiker, mit Rock- und sogar Punk-Facetten sieht, aber es störe ihn nicht, dass seine neue Single "The Fire" in den Billboard- Charts in die Country-Sparte gesteckt wurde. Für ihn zähle nur, gehört und seine Texte verstanden zu werden.

Im Gespräch beschreibt er die Erfahrung mit Wade Bowen auf Tour zu sein, als unglaublich. Wade Bowen ist für ihn nicht nur ein Vorbild und ein Lehrer, wenn es ums künstlerische Schaffen geht, sondern auch rein menschlich ein toller Kerl. Er bewundere das Schreibtalent Bowens, der in seinen Texten eine tiefere Ebene erreicht. Für Jamie Freeman ist es genau das, was sein Idol auszeichnet und von anderen seines Genres abhebt: Die Art wie er Kernthemen, wie zum Beispiel Liebe beschreibt, analysiert und weiter interpretiert. Dem sympathischen Musiker ist in Hamburg ein toller Auftakt für den Abend gelungen. Und für ihn ist eines ganz klar: Dies war das beste Publikum, vor dem er auf dieser Tour spielte.

Wade Bowen heute nur mit Gitarristen

Kurz nachdem Jamie Freeman die Bühne verlassen hat, werden zwei Hocker auf der Bühne platziert. Schnell wird klar, dass es heute wohl ein Konzert der ganz anderen Art geben wird. Denn Wade Bowen, auch er mit Flanell-Hemd und Cowboyhut in richtiger Country-Manier, hat heute nur seinen Gitarristen dabei. Er beginnt den Abend mit seinem Song "Couldn’t make you love me". Es handelt von der unerwiderten Liebe einer schwer zu begeisternden Frau und ist das erste Lied seines 2018 veröffentlichten Albums "Solid Ground" – ein großartiger Auftakt, mit dem er, auch wegen der Mundharmonika, frappant an Neil Young erinnert.

In seinem nächsten Song wird das Thema Liebe direkt wieder aufgegriffen und vertieft. In "You had me at my best" geht es jedoch nicht mehr um den Wunsch nach Liebe, sondern um dessen Scheitern, die Leere und auch die Reue, die man fühlt, wenn diese zerbricht. Es fällt einem leicht, sich mit Bowens Texten zu identifizieren. Man fühlt sich verstanden.

Who I am

Einer der Fans vor der Bühne sticht besonders hervor. Der Glanz in seinen Augen verrät seine Emotionalität und die Bindung, die er zur Musik verspürt. Es ist Wayne aus Dallas, Texas. Er kam eigentlich über den großen Teich, um in Frankfurt einen alten Freund zu besuchen. Als er von Wade Bowens Konzert in Hamburg erfuhr, fackelte er nicht lang und stieg in den Zug. Er wuchs mit Country auf und weiß genau, was Wade Bowen meint, wenn er von "West Texas Rain" singt. Wayne kennt jedes Lied seines Landsmanns. Auf einen Song freue er sich ganz besonders, denn er erinnere ihn an seine Frau und ihre gemeinsame Liebesgeschichte - "Who I am".

Es dauert nicht lange, da sind die beiden Männer aus Texas auch schon ins Gespräch gekommen. Zwischen den Songs erzählt der amerikanische Musiker kleine Anekdoten und gewährt einen tiefen Einblick in sein Privatleben. Sein Gitarrist untermalt diese mit filigranen Gitarren-Licks. Außer ihrer Herkunft haben die beiden Männer aus Amerika noch etwas gemeinsam: Der Gedanke an ihre Frauen. Ganz spontan und extra für Wayne spielt der Sänger-Sonsgchreiber sein Liebeslied "Who I am". Spätestens jetzt hat sich auch das letzte Pärchen unter den Zuschauern in die Arme geschlossen. Während es sich draußen auf angenehme 20 Grad abgekühlt hat, wird es in der Nochtwache jetzt erst richtig heiß.

Der letzte Song

Wade Bowen berührt. Auf der musikalischen, aber auch auf menschlicher Ebene. Er präsentiert sich als ein offenes Buch. Als Mensch mit Fehlern und Stärken, als Ehemann und Vater, als Träumer und Realist. Er erzählt vom Gewinnen und vom Fallen, doch auf eines ist der Texaner besonders stolz: auf‘s Wiederaufstehen. " You just have to hang on when you’re down - it gets better!" Das Publikum jubelt. Charmant raunt er ein deutsches "Dankeschön" ins Mikro, um seinen letzten Song anzustimmen: "Sun shines on a dreamer". Ein herrliches Lied mit positiven Vibes, die sich ab dem ersten Akkord auf seine Gäste übertragen.

Ein emotionales Ende

Während die letzten Töne noch ausklingen, Wade Bowen und sein Gitarrist sich verbeugen und das Publikum frenetisch applaudiert, hallen bereits die ersten Zugabe-Rufe durch den Raum. Sichtlich berührt gibt sich der Country-Star den "One more Song!"- Rufen hin. Er bedank sich immer wieder für das tolle Publikum und macht seiner Überwältigung Luft: " Words can’t even discribe how much this means to me".

Deshalb wählt er als Zugabe einen ganz besonderen Song. Er wollte schon immer eine Nummer für seine zwei "Babyboys" schreiben. Nach etlichen Versuchen, die ihm nicht gut genug als Widmung für seine Söhne erschienen, schrieb er letztlich doch noch einen würdigen Song. Es ist Wade Bowens Lieblingslied in seiner vielfältigen Sammlung: "Before these walls were blue". Nicht nur beim Künstler fließen Tränen, auch im Publikum wird hörbar und ausgiebig geschnieft. Vor allem natürlich bei Wayne aus Dallas: "This concert made my whole trip", sagt er mit brüchiger Stimme, die Augen mit Tränen gefüllt. Wow, so emotional kann ein Konzert sein...

Ein Konzert der ganz besonderen Art

Ja, doch, die Emotionen waren greifbar, die Intimität des Konzerts so intensiv wie wohl selten. Auch wenn sich der eine oder andere Besucher Wade Bowen mit kompletter Band gewünscht hätte - niemanden hat das Konzert kalt gelassen. Im Gegenteil. Jörg aus Berlin, freut sich über ein "Konzert der anderen Art". Für ihn war es etwas ganz besonderes, den Künstler so intim nur mit einem Gitarristen auf der Bühne zu erleben. Er wird auch beim nächsten Bowen-Konzert in Berlin dabei sein. Markus aus Hamburg, hätte es noch imposanter gefunden, die ganze Band zu erleben. Er hofft, Wade Bowen irgendwann nochmal live und dann mit der ganzen Truppe in Deutschland hören zu können.

Nicht nur Jamie Freeman und Wade Bowen haben gestern Abend geliefert. Auch das Publikum wurde immer wieder in den höchsten Tönen gelobt. "Die Leute hier wissen, wann sie leise sein müssen und wann sie mitsingen sollen. Sie geben einem das Gefühl, die Texte zu verstehen und damit einen selbst zu verstehen", resümiert Jamie Freeman. Auch Wade Bowen lobt die tolle Atmosphäre und das aufmerksame Publikum. Mit einem authentischen und lockeren "Thanks for the hang!", was übersetzt so viel heißt wie: "Danke, dass ihr den Abend mit mir verbracht habt" verlässt Wade Bowen die Bühne.

Ohne Berührungsängste schreibt er nach der Show noch Autogramme und unterhält sich mit seinen Fans. Die Nochtwache leert sich, viele Besucher sichtlich euphorisiert. Sie wissen, dass sie bei einer tollen Show, beim fantastischen Deutschland-Debüt von Wade Bowen dabei waren. Um es mit dem Hamburger Urgestein Freddy Quinn zu sagen: Junge, komm bald wieder!

Die Termine für die weiteren Deutschland-Termine von Wade Bowen stehen in unserem Veranstaltungskalender.

vgw
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