In seiner Klage, die er am 1. November beim Bundesgericht in Austin einreichte, wirft Walker der Plattenfirma vor, seine Urheberrechte an fünf Songs zu verletzen. Zudem ähnele die neue Aufnahme mit dem Titel „Viva! Terlingua! Nuevo!: Songs of Luckenbach Texas" so stark an das Original, dass es die Käufer glauben lasse, er selbst sei daran beteiligt.
Was nicht der Fall war. Walker war zum Konzert in Luckenbach im Januar, als das neue Album aufgenommen wurde, nicht eingeladen, obwohl sogar Musiker der Lost Gonzo Band, die schon auf „¡Viva Terlingua!" gespielt hatte, sowie eine Menge anderer Musiker dabei waren.
„Ich war schon ziemlich verblüfft von dieser ‚Nuevo’-Aufnahme" sagte Walker in einer Stellungnahme.
Mit Ausnahme eines 31-sekündigen Intros und eines Gedichts enthält die Veröffentlichung von Oktober nur Songs aus dem 1973er Album, das seinen Namen von einem Autoaufkleber über ein Chili-Wettkochen hat, sowie vom zwei Jahrzehnte später von Walker aufgenommenen Nachfolger „¡Viva Luckenbach!".
Diese Songs enthalten sowohl Walker-Standards wie „Gettin' By" und „Sangria Wine", aber auch andere Titel wie Guy Clarks „Desperados Waiting for a Train" und Gary P. Nunns „London Homesick Blues", das für lange Zeit die Erkennungsmelodie der Fernsehshow „Austin City Limits" war.
„'¡Viva Terlingua!,' war die Schöpfung von Jerry Walker. Wir glauben, die Plattengesellschaft hat sich die ganze Idee schlicht unter den Nagel gerissen", sagte Walkers Anwältin Julie Ford in Austin.
Chris Thomas, der Gründer von Palo Duro, widerspricht dem Eindruck, das Album sei ein Tribut an Walker und seine bahnbrechende Arbeit. Es handele sich bei der aktuellen Veröffentlichung vielmehr um einen Tribut an die schrullige Stadt Luckenbach, ungefähr 75 Meilen westlich von Austin. Zugleich sollte sie jüngeren Künstlern wie dem aus Austin stammenden Walt Wilkins eine Bühne bieten.
„Wir haben überhaupt kein Interesse daran, diese (Original-) Veröffentlichung zu entehren", so Thomas. „Wenn überhaupt, so verstärkt dies nur seine (Walkers) Legende."
Der Anwalt von Thomas, Mike Tolleson aus Austin, erklärte, die meisten Künstler erlauben anderen gern die Neuaufnahme ihrer Songs, weil sie für jeden Song um die 9 Cent pro verkauftem Album erhielten.
Groper Music, die Plattenfirma von Walker, lehnte die Anfrage von Palo Duro ab, so dass diese eine so genannte Zwangslizenz verwendete. Damit lässt sich ein urheberrechtlich geschützter Titel ohne die Zustimmung des Rechteinhabers verwenden, wenn bestimmte Bedingungen eingehalten werden. So muss z.B. der Rechteinhaber darüber in Kenntnis gesetzt werden.
Laut Walkers Klage wurde diese Mitteilung für fünf seiner auf dem Album aufgenommen Titel nicht übermittelt. Laut Tolleson hingegen erfolgten die Mitteilungen innerhalb der vorgeschriebenen 30 Tage nach der Erstellung im Oktober und dem späteren Vertrieb des neuesten Albums.
Der 64-jährige Walker kommt ursprünglich aus dem Umland von New York und reiste hauptsächlich als Folk-Sänger durch das Land, bevor er sich in den frühen 1970ern in Austin, Texas, niederließ.
In seiner Autobiographie „Gypsy Songman" schreibt Walker, dass er von Austins Musikszene mit ihren Bars und Clubs hingerissen war und beschreibt, wie sich Musiker oft zu spätabendlichen Jam-Sessions trafen.
„In dieser Stadt schien jeder jeden zu kennen. Bands lösten sich auf und formierten sich innerhalb kürzester Zeit neu, und das unter Vermischung der verschiedensten Stilrichtungen.", heißt es in dem Buch.
Walker fand auch Inspiration in dem ländlich geprägten Außenposten Luckenbach, den er regelmäßig besuchte. Es war ein Ort wo sich eine Truppe exzentrischer Charaktere traf, um Geschichten zu erzählen, Musik zu spielen und sich zu entspannen.
Im August 1973 brachte er die Lost Gonzo Band und etwas Aufnahmetechnik zur Luckenbach Dance Hall, in der Hoffnung, damit ein wenig von der Magie eines seiner Lieblingsorte einzufangen.
„Just gettin' by on gettin' by's my stock in trade" schmetterte er im Refrain des ersten Songs. Die Aufnahme machte Walker zum Idol, das er heute ist.
„'¡Viva Terlingua!' verkörperte auf eine sehr emphatische Weise Walker, und auf eine sehr emphatische Weise Austin", schreib der Autor des Magazins Texas Monthly, Jan Reid, in seinem Buch „The Improbable Rise of Redneck Rock".
„Wenn es je einen Wortführer für die Musik aus Austin gab", so Reid, „dann war das Walker."