
Knast und Country gehören nicht erst zusammen, seit Johnny Cash sein legendäres Konzert in Folsom Prison gab. Unzählige Songs handeln von den Ängsten, Hoffnungen oder Gewalttaten von Gefängnisinsassen, von unschuldig Verurteilten, von reuigen Sündern, von Unverbesserlichen und Todeskandidaten. Also düsterer Musical-Stoff, sollte man meinen. Weit gefehlt. Das Country-Musical "Jailbirds", das am 3. August 2008 im Altonaer Theater in Hamburg Premiere hatte, bot leichte Kost mit etwas dick aufgetragener Toleranzbotschaft. Und viele Countrysongs, die auch kennt, wer mit der Musikrichtung nichts am Hut hat. Das Stück will eben Volkstheater bieten und keine geschlossene Gesellschaft bedienen. Die gab's ja schließlich schon auf der Bühne.
Gleich zu Beginn versichert Knastvogel Banjo, der mit Gitarre bewaffnete Erzähler, dass alles, was gleich folgt, sich wirklich so zugetragen hat. Oder so zugetragen haben könnte - und legt los mit "Jailbirds", dem einzigen Originalsong des Musicals, das ansonsten aus Klassikern und Traditionals besteht, die irgendwie zur Story passen. Er gibt den Blick auf das schlichte, aber funktionale Bühnenbild aus Gitterstäben und zwei mobilen schmucklosen Wände frei: Im County Jail von Friggles Flat ist "Georgia sucht den Superknacki" angesagt. Der Gouverneur des Staates will die Gangster mit Musik zu besseren Menschen machen. Dem Sieger des Gesangwettstreits winkt die Freiheit. Ein Vorhaben, das dem rassistischen und auch sonst nicht gerade umgänglichen Sheriff überhaupt nicht passt. Die Insassen, darunter der Schwarze LaMotte, der Italiener Tabacco, der Shawnee Duck Eggs und der frisch eingetroffene Billy, sehen dagegen ihre Chance. Aber alle wissen auch: Es kann nur einer gewinnen...

Statt dessen gibt's u. a. "In the Jailhouse Now" von Willie Nelson und Webb Pierce, "Devil Went Down to Georgia" von der Charlie Daniels Band, Johnny Cashs "Cocaine Blues" und "Simple Song of Freedom" von Bob Darin. Überraschend gut fügt sich das deutsche Volkslied "Die Gedanken sind frei" in diesen Kontext ein. Am besten funktioniert das Musical, wenn die Songs, die alle live von den Darstellern auf Fiddle, Gitarre, Banjo, Mundharmonika, Percussion und Klavier eingespielt und gesungen werden - in das Bühnengeschehen eingebunden sind. Schönstes Beispiel: Als die Insassen während der Zwangsarbeit a-capella "Down in the River to Pray" anstimmen, entwickelt sich daraus eine Choreographie aus Steineschleppen und rhythmischen Hammerschlägen.

Dem Premierenpublikum hat's jedoch gefallen, es erklatschte sich begeistert mehrere Zugaben, nachdem Hauptfigur Billy mit seiner Frau die "Country Roads" hinab in den Sonnenuntergang verschwunden war.