Sweet Home: dem Rock verschuldete Countrymusic

Southern Rock ging als herausragendes Genre in den 80er Jahren unter, doch der raue, schmuddelige Geist der Musik, der von Gruppen wie Lynyrd Skynyrd und den Allman Brothers gemacht wurde, ist in der Countrymusic der Gegenwart munter und lebendig.

Montgomery Gentry, Gretchen Wilson und Shooter Jennings schaffen einen Widerhall der großen Tage des Southern Rock. Die Brüder Johnny und Donnie Van Zant - von der Gruppe Lynyrd Skynyrd und auch 38 Special haben jeweils ein Hit-Album mit Country-Musik aufgenommen, das seinen rockigen Wurzeln sehr nahe kommt. Selbst Country-Musik Stars wie TimMcGraw und Keith Urban, deren Stil zum Pop neigt, haben diese Musik geehrt.


"Die Leute leihen nach all diesen Jahren noch immer Phrasen, Licks und Ideen. Alle unsere Stars leisten ihren Beitrag durch ihre Arbeit in Klubs, in denen man jeden Abend `Sweet Home Alabama', ´Ramblin' Man' und `Gimme Three Steps' " spielte", meint Brian Philips, Geschäftsführer von Country Music Television.

Das Genre lebte von den bedeutsamen Blues-Rock-Bands dieser Zeit sowie vom Honky Tonk und Bakersfield, Calif., Country. Lieder wie Lynyrd Skynyrds "Sweet Home Alabama" und Charlie Daniels Bandsong "The South's Gonna Do It Again" waren starke, ja trotzige Ausdrucksweisen regionalen Stolzes, während "Blue Sky" und "Ramblin' Man" der Allman Brothers' country-gewürzte Melodien mit ländlichen Bildern und sich aufschwingenden Gitarrensolos waren.

"Ich hatte Southern Rock nie als Musik-Genre gesehen. Das Genre waren die Leute, die die Musik machten", sagte Charlie Daniels. "Es waren die Leute, die in der gleichen Art aufgewachsen waren, in der gleichen sozialen, religiösen Situation, die sie dazu brachte, Musik zu machen".

Für manche Fans war Southern Rock ein Grund, nach den Unruhen durch die Menschenrechtsbewegung einfach stolz zu sein.

"Eine Menge der Southern Kids schämten sich beinahe der Region und ihrer Intoleranz," sagte Jay Orr, ein Historiker von Country Music Hall of Fame und Museum. "Junge Leute, die nach einem neuen Weg Ausschau hielten, sahen in Southern Rock etwas, das einen stolz darauf machte, wer man war."

Während Lynyrd Skynyrd vor einer riesigen Flagge aus dem Bürgerkrieg spielte, spielten sie auch für den Präsidentschaftswahlkampf des damaligen Georgia Gouverneurs, Jimmi Carter, der progressiv war, was die Beziehungen zwischen den Rassen betraf. Die Allman Brothers - eine integrierte Band - mit einem und manchmal zwei schwarzen Mitgliedern - unterstützten Carter auch.

Die Gruppen spielten hart und lebten hart. Die Allman Brothers trennten sich im Streit und angesichts von Anklagen wegen Drogenmissbrauchs 1976; ein Jahr später verloren Lynyrd Skynyrd drei Mitglieder durch einen Flugzeugabsturz, einschließlich des Bandsängers und Songwriters Ronnie Van Zant. Beide Bands formten sich um und spielen noch heute.

Neben den Allmans und Skynyrd hatten auch andere Erfolg, wenn auch oft mit einem feineren Klang. Daniels, die Marshall Tucker Band, ZZ Top, die Outlaws, Molly Hatchet, Blackfoot, 38 Special und die Atlanta Rhythm Section, sie alle füllten ganze Stadien im Süden und anderswo.

Doch Mitte der 80er Jahre hatten sich der musikalische Geschmack und die Radioaufbereitung verändert und das Genre verschwand fast ganz.

"Album-orientierter Rock ging quasi als eine große Aufmachung unter", sagte Daniels. "Ich glaube nicht, dass man (Bob) Dylan heutzutage außerhalb des College oder alternativer Kanäle hören würde und das ist schade, es ist ein großer Verlust."

Die ähnlichkeit zwischen Country und Southern Rock geht weit zurück. Einzelgänger wie Willie Nelson, Waylon Jennings und Hank Williams Jr. teilten sich zum Teil dasselbe Publikum. Nelson führte die Allmans 1995 sogar in die Rock and Roll Hall of Fame ein. In jüngerer Zeit haben Alt-Country Künstler wie Lucinda Williams bluesartige Rockmusik mit Country-Stimmkunst kombiniert.

Doch der gegenwärtige Nachwuchs von mutigen Country-Songs ist herausragend, denn sie sind im Mainstream Radio und folgen einer langen Periode von verfeinerter, pop-orientierter Musik. Wilson erwähnt sowohl Skynyrd und Daniels mit ihrem Riesenerfolg "Redneck Woman", eine trotzige Hymne über "redneck" Stolz in der Art von Skynyrds "Sweet Home Alabama" und Daniels "Long Haired Country Boy". Montgomery Gentrys Hits "Gone" und "If You Ever Stop Loving Me" sind Gitarren-Rocker, die an Skynyrd und 38 Special denken lassen. Shooter Jennings neues Album "Put the "O" Back in Country", ist locker und rau mit offener Lyrik über das Potrauchen und das Leben auf der Straße.

"Sieh dir Montgomery Gentry an. Wenn diese Jungs in den 70er Jahren herausgekommen wären, wären sie Southern Rock gewesen. Sieh dir Gretchen Wilson an. Wäre sie in den 70er Jahren herausgekommen, wäre sie die Königin des Southern Rock geworden", meinte Johnny Van Zant.

Orr glaubt, dass der Southern Rock Anteil in der gegenwärtigen Country-Musik Teil eines Gesamttrends ist, der die Linie zwischen Country und Rock verwässert und Künstlern wie Garth Broos, Kenny Chesney und Tim McGraw riesigen Erfolg brachte.

Für Eddie Montomery von Montgomery Gentry zeigte Southern Rock die Möglichkeiten auf, die Country-Musik hat. Er sagt, er imitiert Ronnie Van Zants Bühnengestik bei seinen eigenen Auftritten.

"Sie sangen eigentlich Country-Musik mit Rock'n Roll-Gitarren", sagte Montgomery. "Es war Musik, die rau war und unverblümt. Es war das Gute, das Böse und das Hässliche und die Party am Wochenende. ... Es war nicht 'Sonntag gehen wir zu Oma'. Es war vielmehr "Wir gehen Sonntag zur Oma, aber Samstag machen wir einen drauf'".
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