C.H.: Lady A auf Schweizerisch (Interview mit Reto Burrell von C.H.)

C.H.; Foto: Silvan Bucher

Country ist ein Lebensgefühl, das weder Landesgrenzen noch Sprachbarrieren zulässt. Bester und aktueller Beleg: die Schweizer Formation C.H. Mit ihrem, in den heimischen Schweizer Bergen produzierten Debüt-Album "Country Helvetia"überrascht das aus Reti Burrell, Nori Rickenbacher Sängerin Kisha bestehende Trio mit exzellentem Country-Rock/Pop. Dass die Band dabei konsequent dem heimischen, schweizerischen Idiom treu bleibt, stört keinen Moment- ganz im Gegenteil. Grund genug für CountryMusicNews.de um mit Singer/Songwriter und Produzent Reto Burrell auf Tuchfühlung zu gehen.

CMN: Reto, würdest Du es durchgehen lassen, wenn man C.H. als eine "schwizerdütsche" Version von Lady A bezeichnen würde?

Reto Burrell: Ja, völlig falsch ist das nicht. Gleichzeitig ehrt uns dieser Vergleich natürlich auch. 2008 war ich in Nashville und habe dort Lady A gesehen. Es war schon immer ein heimlicher Wunsch von mir, Country Music auf Schwizerdütsch zu machen, weil ganz klar Parallelen vorhanden sind.

Was wären das für Parallelen?

Reto Burrell: Wir singen in der Schweiz, genau wie in USA, sehr viel über unserer Geschichte, aber ohne die traditionellen amerikanischen Instrumente. Dieses wollte ich miteinander verbinden, weil ich Amerikaner und Schweizer bin. Ich bin in der Schweiz geboren und aufgewachsen und deswegen hat es mich sehr gereizt, dieses Projekt zu starten.
Anfangs war ich gar nicht als der Dritte im Bunde bei geplant, sondern nur Produzent und Songschreiber. Die Arbeit hat mir aber sehr viel Spaß gemacht. Als mir dann gesagt wurde, ich solle doch auch mitmachen, habe ich mich natürlich nicht lange bitten lassen.

C.H.; Foto: Silvan Bucher

Man kann sagen, dass sich euer Dreier-Team großartig bewährt, oder?

Reto Burrell: Genau. Ich bin ja sonst eher englischsprachig unterwegs und schalte normalerweise nicht auf Deutsch um. Meine Wurzeln liegen ganz klar im Englischen. Musikalisch bin ich mehr im amerikanischen Soul und Rock-Country angesiedelt. Ich liebe den New-Country aber schon sehr lange und es hat einfach gefunkt.

Wer sind eure oder deine Lieblingsinterpreten?

Reto Burrell: Kisha ist seit ihrer Kindheit Jewel-Fan und hat auch schon früher Lieder von ihr gecovert.

Deshalb hier auch diese Coverversion "Oepper Oeppedie"?

Reto Burrell: Richtig. Sie wollte diesen Song schon lange aufnehmen, aber ihre damalige Plattenfirma meinte, dass das nicht ginge, weil das zu countrylastig sei. Alles Vorurteile. Jetzt, da wir machen können, was wir wollen und eine Plattenfirma haben, die uns freie Hand lässt, haben wir deshalb gleich die Gelegenheit beim Schopf gepackt.

Wen hörst Du persönlich noch gerne?

Reto Burrell: Ich höre sehr gerne Steve Earle und Buddy Miller. Im New-Country mag ich Keith Urban und Dierks Bentley. Von den alten Sachen höre ich natürlich ganz klar Hank Williams. Die neueren Sachen von Johnny Cash höre ich nicht so gern. Generell gefällt mir eher das ältere Zeug von ihm.

Die Rick Rubin-Produktionen sind Dir zu modern?

Reto Burrell: Ja, ich stehe nicht so auf die Pop-Songs im Country.

Aus Tim McGraws "Telluride" habt ihr "Saas Fee" gemacht...

Reto Burrell: Ja. Ich bin schon lange ein großer Fan von diesem Song. Der Skiort Saas Fee hier in der Schweiz ist dem Ort Telluride in Colorado auch sehr ähnlich. Das passt.

Wo findet man eure CD im Musikgeschäft? Im Pop-Regal oder in der Country-Abteilung?

Reto Burrell: Das wird sich zeigen. Ich weiß es noch nicht. Ich hoffe aber natürlich in beiden. Wenn das Album es in die Charts schafft, wird es sicherlich im Pop-Bereich zu finden sein. Aber für uns ist es ganz klar und sehr wichtig, dass wir auch im Country-Bereich angesehen werden. Deshalb haben wir Country auch in unseren Bandnamen verwendet. C.H. steht ja schließlich für Country Helvetia.

C.H.; Foto: Silvan Bucher

Hat sich die Plattenfirma nicht darüber beschwert und gesagt, dass der Name "Country" Gift fürs Marketing sei?

Reto Burrell: Nein, überhaupt nicht. Die fanden das klasse, wir haben da echt ein super Team. Auch Deutschland hat sehr viel Interesse an diesem Projekt gezeigt und gefragt, ob wir ein paar Songs auch auf Hochdeutsch aufnehmen könnten. Wir haben gesagt, warum nicht und werden auf alle Fälle versuchen das in Angriff zu nehmen. Rickenbacher und Kisha haben deutsche Wurzeln, könnten die Songs also auch auf deutsch einsingen. Das würde jedenfalls besser klingen, als wenn ich auf Hochdeutsch singen würde.

Ist es völlig abwegig, dass eine englischsprachige Version auf den Markt kommt?

Reto Burrell: Nein überhaupt nicht. Aber wir haben uns erst auf die Schweiz konzentriert, weil wir persönlich die Schweizer Mundart-Szene und ihr eingestaubtes Image aufpeppen wollen.

Euer "Schweizer Country" klingt hoch professionell, absolut international. Auf Englisch wäre sie bestimmt in Nashville konkurrenzfähig...

Reto Burrell: Dankeschön, das freut uns natürlich zu hören. Ich schreibe auch sehr viel auf Englisch. Bei den Cover-Versionen, die wir auf der CD haben, ist jeder englische Text eins zu eins ins Deutsche übersetzt worden. Wir schmücken uns zwar mit fremden Federn, aber aus Respekt den Songwritern gegenüber wollten wir es so machen, dass jeder sofort merkt, dass wir nicht einfach die Melodie geklaut haben, sondern eben auch die kompletten Lyrics übernommen haben. Deswegen stehen im Booklet sowohl die Originaltitel als auch von wem der Song ursprünglich geschrieben wurde.

Klingt fair. Ich habe mir das Album, ohne die Beschreibung vorher durchzulesen, angehört. Eure Songs klingen so unglaublich authentisch und professionell, dass ich mir sicher war, dass diese nicht ausschließlich in der Schweiz und in Deutschland aufgenommen worden sein konnten.

Reto Burrell: Doch, bis auf die Pedal Steel und die Fiddle ist alles in der Schweiz aufgenommen.

Wow, wo habt ihr aufgenommen?

Reto Burrell: Bei mir in meinem kleinem Studio. Zumindest das Meiste. Das Schlagzeug haben wir in einem größeren Studio aufgenommen. Das gefällt mir besonders gut, weil es sehr nach Holz und nicht so steril klingt. Das war mir sehr wichtig.

Ich bin echt überrascht...

Reto Burrell: Danke sehr. Aber ich höre, produziere und schreibe Musik ja auch nicht erst seit fünf Jahren. Als Steve Earles "Purple Head" heraus kam, spielte ich noch in einer Punk Band. Seitdem hat sich vieles verändert.

Du meinst, du hast einen musikalischen Schwenk gemacht?

Reto Burrell: Eigentlich nicht großartig, aber ich habe mich einfach nach und nach einem neuem Musikgenre zugewandt.

Wann war das?

Reto Burrell: Ab 1986 wechselte ich von Punkbands in verschiedene Rockbands und ab 1990 fing ich dann an zu singen.

In Deutschland gilt der Begriff Country als Kassengift. Das war früher bei Faith Hill schon so und ist heute nicht anders. Wie ist das in der Schweiz? Ist Country dort kein Schimpfwort?

Reto Burrell: Nicht mehr so. Ich denke, Bands wie Texas Lightning, der deutsche Beitrag zum Eurovision-Song-Contest 2005, haben uns den Weg in der Schweiz ein bisschen geebnet. Die The Chicks, die zweimal hintereinander bei Stefan Raab waren, haben auch ein bisschen etwas dazu beigetragen.

Wie groß ist die Schweizer Szene?

Reto Burrell: Es gibt verschiedene Szenen. Es gibt eine Country-Szene, die überwiegend das altbackene Zeug mag. Aber dieses Publikum wird immer jünger und die hören auch die neueren Acts. Deswegen findet momentan eine Veränderung statt. Und dann gibt es natürlich die Folkies, die aber mehr unter sich sind. Das sind mehr Singer/Songwriter-Konzerte.

Also unterm Strich sind es doch einige Leute, die in dieser Szene aktiv sind. Wie wichtig ist das Festival in Gstaad für die Schweizer Szene?

Reto Burrell: Es ist ein wichtiges Festival. Eines der wichtigsten neben dem in Interlaken. Die machen das schon so lange und setzen immer schon auf Country Music. Das finde ich echt cool. Man versteckt sich dort nicht und versucht auch nicht das alles zu sehr Richtung Mainstream aufzuziehen. Es bleibt ein Nischen-Genre und gerade das ist das Tolle.

Seid ihr schon gebucht?

Reto Burrell: Wir haben letztes Jahr mit C.H. in Gstaad gespielt. Das war unser erstes Konzert. Aber wir waren dort bestimmt nicht das letzte Mal.

Jetzt mit der CD wäre ein Auftritt im nächsten Jahr doch perfekt, oder?

Reto Burrell: Genau. Also wir gehen auf jeden Fall wieder hin. Wir sind nächstes Jahr sicher auf dem Trucker Festival.

Was macht eure Musik zu Country Music, wenn wir die Fiddle und die Paddlesteel beiseite lassen? Was bleibt dann noch an Country-Sound übrig?

Reto Burrell: Die Texte und die Art wie gesungen wird. Das ist sehr wichtig und ein Riesenunterschied zur Popmusik. Nicht nur allein das Arrangement der Instrumente, sondern auch die Texte und der Gesang sind wichtige Country-Features. Wenn du Lady A ohne Paddlesteel und Fiddle hörst, hörst du trotzdem ganz klar den Country-Sound heraus.

C.H.; Foto: Silvan Bucher

Das gilt dann auch für LeAnn Rimes oder Faith Hill? Egal ob das jetzt ein Rock- oder Pop-Song ist, es ist letztendlich immer Country weil die Sängerin Country singt?

Reto Burrell: Ja, weil sie Country singt. Es sind keine Pop-Lyrics, sondern immer Geschichten, wie beim Country üblich. Im Popsong hast du zwar auch Geschichten, aber mehr aus der Sicht eines Teenagers. Das singt man dann auch völlig anders, als wenn du eine rührende Geschichte in einem Song erzählst. Country lebt von den Geschichten. Der Unterschied zwischen Country- und Pop-Musik ist, dass Pop-Musik gesungen und Country Music erzählerisch gesungen wird.

Wenn du Songs schreibst, was ist vorher da, der Text oder die Melodie?

Reto Burrell: Das kommt immer drauf an. Manchmal habe ich eine gute Melodie und warte dann, bis der Text passt, und manchmal ist es genau umgekehrt.

Wie entstehen eure Songs? Sind die beiden anderen mit beteiligt oder schreibst du alleine?

Reto Burrell: Nein, das machen wir zusammen. Einer kommt mit der Idee, dann setzen wir uns zu mir ins Studio und basteln an der Geschichte herum und wenn es nicht funktioniert, nehmen wir die nächste Idee. Wir sind alle drei sehr kreative Köpfe und deshalb funktioniert das auch so gut. Und vor allem auch sehr schnell. Wir waren selber überrascht, dass das so gut zusammen passt.

Warum haben es dann nur zehn Songs auf das Album geschafft?

Reto Burrell: Bei uns zählt Qualität vor Quantität. Also lieber zehn Hammer-Songs anstatt 15 durchschnittliche Nummern. Es gibt selten Platten, mit mehr als zehn oder elf Songs, bei denen alle Titel gut sind.

Hast du einen Lieblingssong auf dem Album?

Reto Burrell: Gute Frage. Das ist schwer zu sagen. Mir gefällt der Song "Uszit", zu deutsch "Auszeit", sehr gut. Als wir den Text geschrieben haben, war ich sehr nahe an einem Burn Out.

Ist Songschreiben für dich, wie für viele anderen auch, eine Art Therapie?

Reto Burrell: Ja total. Wie ein Filter, ein Lebensfilter. So wie andere Sport machen, nehme ich die Gitarre und verarbeite Probleme.

Man kann auch eine gewisse Distanz zu dem Problem dazu entwickeln...

Reto Burrell: Ja,der man erkennt es dann erst richtig, vielleicht holt es einen direkt auf der Bühne ein. Aber ein bisschen Leiden muss sein, denn es heißt ja auch Leidenschaft.

"Uszit" ist der poppigste Song auf dem Album. Mir gefällt auch der Aufhänger "Gib Nid Uf" mit seinem 2/4 Groove. "Heiwäg" natürlich auch.

Reto Burrell: Der hieß ursprünglich "Back Home", ich hatte ihn auf Englisch geschrieben. Wenn man so will ein Cover von mir.

Um was geht es denn im Song "Wiiter" und was heißt das?

Reto Burrell: "Witer" heißt "weiter" und handelt davon, nicht an einem Punkt zu verharren, sondern aus festgefahrenen Situationen raus zu kommen. So eine Art Highway Song.

Das passt ja auch zu "A1".

Reto Burrell: Ja der stammt aus der Feder eines Freundes von mir, der in einer Americana-Band spielt. "Highway no 1" heißt der im Original.

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