Mit diesen Worten beschreibt Country-Legende Willie Nelson seine Autobiographie. Das im Oktober 2015 auf Deutsch erschienene, fast 500 Seiten starke Werk zeichnet die bewegte und bewegende Lebensgeschichte des 82-Jährigen nach. "Es ist die Geschichte von bedingungsloser Liebe, wilden Zeiten, guten Freunden und üblen Spelunken, im Hintergrund immer der Soundtrack meines Lebens", schreibt Nelson. Gewidmet hat er "Mein Leben - Eine lange Geschichte" seiner "bezaubernden Frau Annie", seinen "wundervollen Kindern", den "unersetzlichen freuenden" und "treuen Fans". Und insgeheim wohl auch seiner "Trigger", der Gitarre, die ihn durch das ganze Leben begleitet hat und die er auf dem Coverfoto so liebevoll im Arm hält. Die Schwarz-Weiß-Aufnahme zeigt Nelson mit geschlossenen Augen - als lausche er dem Soundtrack seines Lebens und spüre den Erinnerungen nach. Stets die Gitarre an Herz drückend.
Um seine Lebensgeschichte zu erzählen hat sich Nelson einen echten Profi ins Boot geholt: David Ritz. Mit ihm hat er einen Musik-Kenner an seiner Seite, der schon Biographien über Natalie Cole, Marvin Gaye, B.B. King, Aretha Franklin, Elvis Presley, Janet Jackson und Lang Lang verfasst hat. Nun also Country-Haudegen Willie Nelson.
In dessen Vita reiht sich Erfolg an Erfolg, allesamt hart erarbeitet und mit viel Herzblut durchlebt. In den Schoß gefallen ist Nelson seine einzigartige Karriere nicht. Der Country-Musiker und Songwriter schaffte 22 Nummer-eins-Singles, 14 Nummer-eins-Alben in den Billboard-Country-Charts und wurde mit zehn Grammys® ausgezeichnet. Er gilt als einer der erfolgreichsten Musiker überhaupt und wurde 1993 in die Country Music Hall of Fame aufgenommen. Das Magazin "Rolling Stone" wählte ihn auf Platz 77 der 100 besten Gitarristen aller Zeiten. Mehr geht kaum. Nebenbei spielte der Texaner in fast 40 Film- und Fernsehproduktionen mit. Bei allem Erfolg beugte sich Nelson aber nicht dem Nashville-Establishment, sondern kehrte der Kultstätte in Tennessee den Rücken, ging nach Austin, Texas - und wurde zu einer der bedeutendsten Persönlichkeiten der Outlaw-Bewegung. Übel genommen haben ihm die Nashvillianer seine Rebellion offenbar nicht, immerhin gibt es in der Country-Metropole inzwischen ein Willie-Nelson-Museum.
Die Auseinandersetzung mit seinem Leben, mit seinen Erinnerungen, scheint Nelson nicht ganz leicht gefallen zu sein. Jedenfalls sei es wesentlich schwieriger, ein wahrhaftiges Buch über sich selbst zu schreiben, als ein paar Songs - denen Nelson zufolge auch nicht weniger als die Wahrheit zu Grunde liegen soll. "Erinnerungen führen uns vor Augen, dass jeder Moment unseres Lebens uns stärker gemacht hat. Wir haben uns durchgeschlagen. Wir sind noch da. Ich bin dankbar dafür, noch da zu sein." Was ihn am Leben gehalten hat? Er ist überzeugt, dass seine Aufgabe darin besteht, Geschichten zu erzählen. Und nun hat er die längst Geschichte erzählt: "Es ist die Geschichte eines klampfenden Bauernburschen aus Hill County, Texas, dem das Leben eher gut als böse mitgespielt hat und der sich seinen Verstand nur bewahren konnte, weil er bei der Musik blieb, an der sein Herz hing." Immer an seiner Seite: Trigger, die treue alte Gitarre. In stürmischen Nächten ebenso wie an sonnigen Tagen.
All das, und noch mehr, zeichnen Nelson und Ritz in dem Buch nach. Chronologisch, in fünf Teile unterteilt: Mein Anfang, Songs fallen vom Himmel, Tränen und Blumen, Over The Rainbow und Spirit.
Im Verlauf des aus der Ich-Erzähl-Perspektive geschriebenen Buches lernt man Willie Nelson richtig gut kennen. Offen und ehrlich erzählt er von seinen Tiefschlägen, von seinen Freundschaften mit Waylon Jennings, Johnny Cash, Ray Charles und Co., seine eigene Art positiv zu denken, seine leidenschaftliche Kifferei und wie ihn in den frühen 60er Jahren die Muße küsste und ihm Hit auf Hit einfielen. Schön sind beispielsweise die Beschreibungen, als er 1961 seinen ersten Tantiemenscheck - über 3.000 Dollar - für "Hello Walls" bekam. Natürlich spart das locker und amüsant zu lesende Buch auch nicht sein Privatleben, inklusive diverser Ehefrauen und Kinder aus. Eine Schlüsselszene, die Willie Nelson und auch seine Biografie gut beschreiben, findet sich auf Seite 298, ein Dialog von Willie und Waylon:
"Du willst zu viel und versuchst, allen zu gefallen", sagte Waylon. "Macht dir das keine Sorgen?"
"Ach was."
"Wieso eigentlich nicht?"
"Weil schon alles klappen wird", sagte ich und rollte eine fette Tüte. "So oder so."
"Und was macht dich da so sicher?"
Ich nahm einen Zug und hielt den Rauch in der Lunge. Als ich ausatmete, sagte ich langsam, aber klar und deutlich: "Es ist eine Frage des Gottvertrauens, Waylon. Und ich habe genug Gottvertrauen für mein ganzes Leben und auch noch für die Leben, die vielleicht danach kommen."
Waylon lachte nur und schüttelte den Kopf.
Lachen und Kopfschütteln ist auch den Lesern dieser Lektüre garantiert, jede Wette. Acht Seiten mit raren privaten Fotos – Willie in der Air Force, zusammen mit seiner Großmutter, seine Frauen, Kinder und Musikerfreunde - runden diese Willie-Nelson-Pflichtlektüre charmant ab.
Fazit: Wer schon immer mal wissen wollte, wie Willie Nelson wirklich tickt, bekommt mit diesem Buch einen guten Eindruck davon. Ein dicker aber flüssig zu lesender Wälzer, aus der Ich-Erzählperspektive geschrieben, garniert mit etlichen raren Fotos. Für Willie-Jünger ein Muss – für alle anderen ein launiges Country-Lesevergnügen.
Verlag: Heyne | VÖ: 26. Oktober 2015 |
Originaltitel: | MY LIFE: It's a long story |
Autoren: | Willie Nelson & David Ritz |
Übersetzung: | Jörn Ingwersen |
Einband | Gebunden |
Sprache | Deutsch |
Seiten: | 448 |
ISBN-10 | 3453270061 |
ISBN-13 | 978-3453270060 |