Bei den 14 Songs, die es auf eine Spielzeit von fast 54 Minuten bringen, handelt es sich erneut um das Ergebnis einer Zusammenarbeit mit ihrem Produzenten Frank Liddell. Wer jetzt aber denkt, die Blondine mit der Vorliebe für eng anliegende Outfits hätte einfach das bewährte Schema des Vorgängers beibehalten, dürfte überrascht werden. Denn Miranda Lambert hat sich viele Freiheiten gegönnt. So hat sie für das Songwriting überwiegend neue "Partner" gesucht und steuert insgesamt auch nicht mehr so viele komplette Eigenkompositionen wie auf den vorherigen Platten bei. Das ist nicht weiter schlimm, denn Lambert hat bekanntlich das Zeug, sich auch Fremd-Material zu Eigen zu machen.
Weniger Eigenkompositionen, dafür ausgesuchtes Songmaterial.
Ein passendes Beispiel dafür gibt es gleich zu Beginn mit "All Kinds of Kinds" von Don Henry und Philip Coleman. Während der waltzige Opener mit traditionellem Country-Feeling locker auf eins der früheren Lambert-Alben gepasst hätte, zeigt sich die fast 28-Jährige bei "Fine Tune" von einer völlig anderen und bis dato unbekannten Seite. Dabei wird ihre Stimme während des gesamten Songs verzerrt und auch der schwülstige Groove dürfte für viele Fans sehr gewöhnungsbedürftig sein. Sicher ist die von Natalie Hemby und Luke Laird verfasste Nummer ein Ausdruck der gesteigerten Risikobereitschaft einer Künstlerin, die keine Angst davor hat, diverse Genres zu mischen. Mutig, aber das Ergebnis wird trotzdem nicht jedem gefallen.
Deutlich weniger polarisierend fallen dagegen die wenigen rockigeren Stücke der Platte aus. "Mama's Broken Heart" und die mit ihrer Pistols-Freundin Angaleena Presley geschriebene Bad-Girl-Hymne "Fastest Girl in Town" zeigen Lambert so, wie man sie von ihren Live-Auftritten kennt. Voller mitreißender Energie, sexy und in einer taffen Art und Weise, in der man ihr besser nicht in die Quere kommen sollte. Trotzdem fallen beide Songs nicht unbedingt in die Schublade des handelsüblichen Contemporary-Country, weil das Gitarrenspiel zu laut ist oder verschachtelte Rhythmen innerhalb der Songs für das kommerzielle Radio schon eine Nummer zu eigenständig (sprich anspruchsvoll) ausfallen.
Die Nummer mit dem kürzesten Text ist auf den ersten Eindruck eine ruhige Liebesballade, aber beim genauen Hinhören stellt sich "Over You" als emotionaler Nachruf auf einen Verstorbenen heraus. Das von Miranda Lambert und ihrem Gatten geschriebene Stück handelt von Blake Sheltons älteren Bruder, der bei einem Autounfall starb. Nicht so melancholisch, aber dafür bittersüß kommt die Coverversion von "Look at Miss Ohio" daher. Als Sängerinnen im Hintergrund veredeln Karen Fairchild and Kimberly Schlapman von Little Big Town die Ballade, die schon 1993 von Gillian Welch and David Rawlings zu Papier gebracht wurde.
Das schon fast traditionelle Duett mit Blake Shelton ist ebenfalls eine Ballade. "Better In A Long Run" ist ein überzeugend vorgetragener Song, der das Zeug besitzt, die Charts zu stürmen - wenn auch nicht wegen einer großen Portion an Originalität. Dafür gibt es schon zu viele ähnliche Duette. Mit der weiteren Ballade "Dear Diamond" - einem der zwei ausschließlich von Lambert geschriebenen Songs - erfüllt sich die Sängerin den langgehegten Wunsch, einen Song mit Patty Loveless zu singen. Das Ergebnis ist ein rührender Höhepunkt der CD.
Die CD ist auch als Deluxe Edition zu bekommen. Als Bonus gibt es den zusätzlichen Song "Hurts to Think" und eine DVD, auf der Miranda Lambert über die Entstehung des Albums und der einzelnen Lieder informiert.
Fazit: Miranda Lambert liefert ein Album ab, auf dem sie sich durchaus experimentierfreudig zeigt. Das benötigt teilweise ein paar Durchläufe mehr als sonst. Doch die Geduld lohnt sich. Ein paar mehr rockigere Songs hätten trotzdem nicht geschadet.