Doch Jamey Johnson kann sich ein Messen auf höchstem Niveau mittlerweile freilich leisten. Jüngster Beleg: "The Guitar Song" kam Mitte September in die amerikanischen Läden – und eroberte prompt Platz eins der Country- und einen mehr als respektablen vierten Rang in den Billboard-Hot 200-Charts. Er ist: ein Star.
Aber einer, der – so muten die Bilder, die Songs, die Inhalte und auch die Produktionsweise an – auf Rummel, Klimbim und Glamour keinen Bock hat. Er gibt sich grüblerisch und düster und nachdenklich. Es hat sogar den Anschein, dass ihn der Ruhm und der kommerzielle Erfolg in Wahrheit nicht so sehr interessieren. Bester Beleg dafür ist der Opening-Track des schwarzen Albums: "Lonely At The Top". Obwohl in gut gelaunte Melodien verpackt, singt er sich mit dröhnender Bass-Stimme die Sorgen und Ängste eines Countrystars von der Seele. Das ist mehr als hörenswert – wenngleich nicht autobiografisch. Denn geschrieben haben den Titel schon Ende der 80er Jahre keine Geringeren als Keith Whitley, Chick Raines und Don Cook.
Wenn sich Johnson mal bei Songs aus fremder Feder bedient, dann nur bei den größten und besten ihres Fachs. Bei Songschmiede wie Mel Tillis ("Mental Revenge"), Hank Cochran ("Set ‘Em Up Joe") oder – natürlich! – Kris Kristofferson ("For The Good Times"). Drunter macht er’s nicht. Ähnlich anspruchsvoll ist der neue haarige Stern am Countryhimmel auch bei der Wahl seiner verschiedenen Co-Autoren. Als da unter anderem wären ... Legende Bobby Bare bei der Ballade "Cover Your Eyes", James Otto beim schwerblütigen, träge dahinstampfenden Southern-Rock "Can’t Cash My Checks", Teddy Gentry (von Alabama) mischte bei dem groovigen R&B von "By The Seat Of Your Pants" mit und Kenny-Chesney-Produzent Buddy Cannon bei "Dog In The Yard". Eine herrliche Zusammenarbeit kam auch mit – garantiert ein Bruder im Geiste – Bill Anderson zustande. Den Titeltrack haben sie gemeinsam (mit Vicky McGehee) geschrieben und natürlich wundervoll eingesungen.
Vermutlich haben sich Jamey Johnson und das Produzententeam der Kent Hardly Playboys jede Menge Gedanken darüber gemacht, welcher Track jetzt auf das weiße, beziehungsweise auf das schwarze Album kommt. Letztendlich aber ist das alles gar nicht so wichtig. Denn ob hier oder da – die Songs sind klasse, die Interpretationen stets charismatisch, gefühl- und hingebungsvoll. Bei aller Kunst und Kunstfertigkeit sind die beiden Tonträger auch höchst unterhaltsam und abwechslungsreich. So reicht die stilistische Palette vom ruhigen, akustischen Blues ("Mental Revenge") über düstere Balladen ("Heaven Bound") und rockige, an lockere Sessions erinnernde Tracks ("California Riots") bis hin zum wundervoll gediegen-nostalgischen Countrysongs inklusive Pedal-Steel und Geigen ("For The Good Times").
Dass in dem stämmigen (erst!) 35jährigen, aus Alabama stammende Musiker trotz aller Rebel-Attitüde ein weiches Herz pocht, macht er häufiger deutlich. Am schönsten wohl in dem sansoweichen "I Remember You". Wer noch einen Titel für das Candle-Light-Dinner mit der Angebeteten sucht, sollte hier mal reinhören.
Fazit: Jede Karriere hat ihre Highlights – dieses hier krönt zweifellos den bisherigen Werdegang von Jamey Johnson. Eine Meisterleistung, mit hohem Unterhaltungswert dazu.
Label: Mercury Nashville (nicht in Deutschland erschienen) | VÖ: 28. September 2010 |
Titelliste CD 1
Titelliste CD 2
Links
01 | Lonely At The Top | 07 | Heaven Bound |
02 | Cover Your Eyes | 08 | Can't Cash My Checks |
03 | Poor Man Blues | 09 | That's How I Don't Love You |
04 | Set `Em Up Joe | 10 | Heartache |
05 | Playing The Part | 11 | Mental Revenge |
06 | Baby Don't Cry | 12 | Even The Skies Are Blue |
01 | By The Seat Of Your Pants | 08 | Good Morning Sunrise |
02 | California Riots | 09 | Front Porch Swing Afternoon |
03 | Dog In The Yard | 10 | I Remember You |
04 | The Guitar Song (Featuring Bill Anderson) | 11 | Good Time Ain't What They Used To Be |
05 | That's Why I Write Songs | 12 | For The Good Times |
06 | Macon | 13 | My Way To You |
07 | Thankful For The Rain |