Die Einsamkeit, der Proulx' Helden ausgesetzt sind, macht sie zu wortkargen, im Umgang mit Gefühlen ungeübten, ja fast eingeschüchterten, knorrigen Käuzen. Einer von ihnen ist Leeland Lee in der Geschichte Lebenslauf, in der auf ganz wenigen Seiten die Vita dieses Losers erzählt wird. Proulx' Sympathie für diesen Mann, und damit alle Menschen seines Schlags, wird klar in lakonischen Sätzen wie: "Lori hat im fünften Schwangerschaftsmonat einen Abgang, und dann verzehrt sie der Krebs. Leeland kommt jeden Tag zu ihr ins Krankenhaus." Leeland ist ein einfacher Mann. Er tut, was er kann, um seine Familie zu ernähren. Er versucht, den einzigen ihm bekannten Lebensstil - den seiner Eltern - weiterzuführen. Genau das aber ist nicht möglich, ganz einfach weil sich die Zeiten geändert haben und Leeland sich den neuen Bedingungen nicht stellt. Sein Leben verläuft im Windschatten (im Lee!) der großen Zeitströme und darum hat er keine Ahnung, was draußen in der großen weiten Welt vor sich geht (obwohl er sechs Jahre als Soldat in Deutschland stationiert ist). Aus dieser Unwissenheit heraus macht er einen Fehler nach dem anderen, scheitert, steht auf, scheitert wieder, steht wieder auf, versagt, bis er am Ende doch noch irgendwie die Kurve kriegt.
Wie Leeland scheitern so ziemlich alle Helden dieses Buchs - an sich, an anderen, an den Umständen. Es ist egal, ob das Mero aus Der halbgehäutete Ochse ist, der nach einem relativ erfolgreichen Leben an der Ostküste noch einmal die Familie seines Bruders in Down Under, Wyoming, besuchen will und auf der Suche nach dessen Ranch in einem Schneesturm erfriert. Oder ob es die Lebensgeschichte der zwei Cowboys Ennis und Jack aus Brokeback Mountain ist, der Titelgeschichte, die verfilmt wurde, und die sich beim Schafehüten kennen lernen. Und lieben lernen, möchte man hinzufügen, wenn sie denn wüssten, was Liebe überhaupt ist. Jack versucht Ennis davon zu überzeugen, nicht nur ein paar Tage, sondern das ganze Leben zu teilen: "Ich hab mir gedacht, wenn du und ich zusammen eine kleine Ranch hätten, bisschen Kuh- und Kälberhaltung und du mit deinen Pferden, das wär' doch ein Leben!" Natürlich klappt es nicht, Ennis hat zu viel Angst vor Diskriminierung - und Diskriminierung ist hart da oben im Westen. Da wird Typen wie Ennis und Jack schon mal der Wagenheber an die Eier geschraubt, und dann werden sie daran durch die Landschaft gezogen, bis sie verbluten. Und so scheitern Ennis und Jack, an sich, aber auch an den tief in ihnen verwurzelten männlichen weißen Wertvorstellungen. Die Einsamkeit zieht sich wie ein alter Wagentreck durch die Leben dieser "lone cowboys". Und es schmerzt, vom einzigen Moment wirklicher Nähe und Liebe zwischen den beiden zu lesen: "Woran Jack sich erinnerte und wonach er sich auf eine Weise sehnte, die er weder begreifen noch ignorieren konnte, war der Augenblick in jenem längst vergangenen Sommer auf dem Brokeback, als Ennis hinter ihn getreten und ihn an sich gezogen hatte, die stumme Umarmung, die einen gemeinsamen, geschlechtslosen Hunger stillte."
Verlag | Heyne Verlag, 03/2006 |
Einband | Broschiert |
Sprache | Deutsch |
ISBN-10 | 345335110X |
ISBN-13 | 978-3453351103 |
Umfang | 368 Seiten |
Sonstiges | |
Gewicht | |
Maße | 186 x114 mm |
Stärke | 28 mm |