Wobei man vielleicht doch differenzieren sollte. Zum Beispiel zwischen Pop und Country. Während im Pop die Verpackung garantiert mindestens die halbe Miete ausmacht, bringen die jungen Künstlerinnen und Künstler im Country fast immer auch ein gerüttelt Maß an Talent mit. Mal mehr, mal etwas weniger. Doch niemals völlig ohne.
Miranda Lambert darf man getrost ein "mehr" an Talent attestieren. Viel mehr sogar. Seit sie 2003 bei dem Wettbewerb "Nashville Star" Zweite wurde, zählt sie zu den vielversprechendsten Talenten der Szene. Schon mit ihrem 2005 erschienenen, mit Platin dekorierten Debüt "Kerosene" löste sie das Versprechen ein. Genauso wie mit dem 2007er Album "Crazy Ex-Girlfriend". Nun also der dritte Streich, ganz bescheiden "Revolution" betitelt.
Erinnerungen an eine junge Stevie Nicks kommen auf.
Warum sich die gerade 26 Jahre alt gewordene Sängerin, Gitarristin und Songwriterin einen so bedeutungsschwangeren, pathetisch-aufgeladenen und dazu noch abgedroschenen Albumtitel wählte, bleibt ihr Geheimnis. Zumal sich unter den 15 Titeln nicht einmal ein gleichnamiger Song findet. Etwas mysteriös wirken auch die von ihr gewählten Coverversionen: der bluesige Country-Rocker "Time to Get a Gun" aus der Feder von Fred Eaglesmith und das genauso schöne wie spröde "That’s the Way That the World Goes ‘Round", geschrieben vom großen John Prine.
Wer die schnuckelige Miranda hier singen hört, wird womöglich an eine junge Stevie Nicks denken. Ähnlich wie die grandiose Fleetwood Mac-Sängerin umweht auch Miranda Lambert eine geheimnisvolle, zerbrechliche Aura: eine Stimme, die selbst kreuzbraven Folk sexy wirken lässt.
Obwohl die im texanischen Lindale geborene und aufgewachsene Tochter eines Detektiv-Ehepärchens (cool!) bei ihrer 15 Titel starken "Revolution" mehrfach subtile Folk-Töne anbietet - darunter "Love Song" und das herrlich balladeske "Virginia Bluebell" - kann sie auch anders. Ganz anders sogar. Man nehme nur den Opener "White Liar". Ein gnadenlos rockiger Song mit heftigen Drums und strammen Gitarrenriffs – Country-geerdet lediglich durch Lamberts betonten Twang in der Stimme. Das nachfolgende "Only Prettier" mag harmonisch kein Highlight des Albums darstellen – dafür aber punktet der Titel durch erstaunlich skurrilen Humor und originelle Arrangements. Gleiches gilt auch für den krachenden Country-Blues von "Somewhere Trouble Don’t Go". Tststs, so jung, und schon so weise ...
Dass die Sängerin, die durch eine Garth Brooks-Show zur Musik inspiriert wurde, tatsächlich erstaunlichen Tiefgang besitzt, lässt sich prima in den verschiedenen Balladen nachprüfen. Am Schönsten in "Dead Flowers", der ersten Single-Auskopplung, und in dem opulent ausgestatteten "The House That Built Me".
Fazit: Die 26jährige Sängerin und Musikerin liefert mit "Revolution" eine erstaunlich reife Leistung ab – und sie belegt erneut, dass sie zu den besten Stimmen der jungen Country-Generation gehört. Merke: Gutes Aussehen muss nicht vor Qualität schützen.