Als Produzent Rick Rubin Johnny Cash überredete, nur mit seiner Gitarre seine Lieblingslieder und scheinbar abseitige Coverversionen einzuspielen, sorgte er damit für eine der lukrativsten Künstlerwiederbelebungen der jüngeren Country- bzw. Musikgeschichte. Gunter Gabriel musste man nicht lange bitten, mit einem ähnlichen Konzept noch einmal voll durchzustarten. Ohne Moos war bei ihm schon lange nichts mehr los. In einer kräftezehrenden Wohnzimmer-Tour gab er mittlerweile Privatkonzerte für 1.000,00 Euro pro Abend, um 500. 000,00 Euro Schulden abzuklampfen - was ihm schließlich auch gelang.
Insofern sei ihm dieser letzte Griff nach den Sternen gegönnt. Selbst wenn die ganze Comeback-PR-Maschinerie penetrant Parallelen zu Cashs Spätphase suggeriert, kann man eines nicht abstreiten: Trotz gelegentlich überreiztem Pathos ist Gabriel eine ehrliche und weitgehend anrührende Rückschau gelungen. Die Texte, die der "Dieselknecht" entweder selbst geschrieben hat oder sich auf den Leib schreiben ließ, zeugen von einem bewegten Leben voller Weibergeschichten, Suff, Zoff , Reue - vor allem Reue - und einem Hoffnungsschimmer am Horizont.
Wie Cash vereint auch Gabriel auf seinen "German Recordings" kuriose Cover-Versionen: u.a. Ideals "Blaue Augen" sowie deutsche Fassungen von Radioheads "Creep", Charlie Winstons "Like a Hobo" und Johnny Cashs "Before My Time". Letzteres stammt allerdings von dem Album "Gabriel singt Cash - Das Tennessee-Projekt" (2003).
Und wie Cash hat sich Gabriel Gaststars ins Studio geholt, die seine Glaubwürdigkeit und Anerkennung bei einer jüngeren Generation unterstreichen sollen. Dabei überzeugt das Duett mit Klee-Sängerin Suzie Kerstgens, "2 Fragen" - einfühlsamer Country-Pop mit sanften Streichern und Akkordeonklängen - jedoch mehr als die etwas gespreizte Cover-Version von David Bowies "Heroes" zusammen mit den Countryrockern von The BossHoss. Die sentimentale Nummer "Das Lied" hingegen ließe sich mit ihrem ungewöhnlichen Streicher- und Querflötenarrangement fast als Country-Chanson bezeichen. Eigenwillig, aber gut.
Überhaupt besticht das Album durch die einfallsreiche Produktion von Wolfgang Stach (Guano Apes, BAP), der dem altersmilden Gabriel eine junge Begleitband zur Seite stellte. Sehr reduziert, relaxt und ruhig, das Ganze. "In besseren Tagen", das mit seinem Shanty-Flair auch zu Achim Reichel gepasst hätte, ist eine der wenigen Uptempo-Nummern - gemeinsam mit dem zum charmanten Delta-Blues umfunktionierten Peter-Fox-Hit "Haus am See", "Ich bin ein Hobo" inkl. messerscharfer Mariachi-Trompetensätze von Calexicos Martin Wenk, oder der Hemingway’schen Parabel "Schlag, mein Herz". Ansonsten gibt der 67-jährige "Streuner und Vagabund" mit brummelndem Bass, getragenem Pathos und markigen Zeilen seine Lebenserfahrungen und Hoffnungen weiter. Da kann im Hintergrund natürlich nicht die Party abgehen, wenn er konstatiert: "Ich bin ein Nichts, ich bin ein Niemand". Diese ernüchternde Erkenntnis würden Gabriel-Hasser wahrscheinlich sofort unterschreiben - nur befindet sie sich auf einem Album, das ihnen den Wind aus den Segeln nimmt.
Fazit: Abgeklärter, deutscher Country. Kein ironisches Cowboyhut-Getue und alberne Sperenzchen. Gunter Gabriel grummelt einfache Weisheiten zu einem bewegten Leben - und das ziemlich überzeugend.
Label: Warner Music International (Warner) | VÖ: 23. Oktober 2009 |
01 | Ich geb den Rest für dich |
02 | Blaue Augen |
03 | 2 Fragen (mit Suzie Kerstgens) |
04 | Das Lied |
05 | In besseren Tagen |
06 | Haus am See |
07 | Vor meiner Zeit |
08 | Ich bin ein Hobo |
09 | Nie wieder wart' ich so lang |
10 | Schlag, mein Herz |
11 | Sohn aus dem Volk |
12 | Heroes (mit The BossHoss) |
13 | Mein Weg |
14 | Ich bin ein Nichts |
15 | Der Schmerz |