Manch einer wird vielleicht vorschnell abwinken: Gutmenschen-Country kennt man zur Genüge. Von Alan Jackson oder von Randy Owen - und meist ist das Ergebnis zwar irgendwie erbaulich oder zumindest so beruhigend wie ein Synchron-Schwimmwettbewerb im Altersheim. Aber auch häufig genug etwas langweilig. Wer nicht zufällig ein braver Kirchengänger ist, gewinnt diesen Country-Glaubensbekenntnissen meist nur wenig weltliche Freuden ab.
Anders der Fall von Tracy Lawrence. Das liegt zum einen schon mal daran, dass der aus Atlanta, Texas, stammende und im ländlichen Arkansas aufgewachsene Sänger und Gitarrist offenbar eine Läuterung erfahren hat. Er war ein echter Heißsporn: 1991 wurde er beispielsweise von drei jugendlichen Straßenräubern überfallen und fing sich dabei vier Kugeln ein - nur mit viel Glück überlebte er. Später kam er auch immer wieder mit Gewalt und dem Gesetz in Konflikt. Nun aber hat er offenbar seinen Seelenfrieden gefunden.
Und das tut ihm hörbar gut. Kaum ein anderes Tracy Lawrence-Album verströmt eine derartige Ruhe, Zufriedenheit und Sicherheit, wie "The Rock". Obwohl alle zehn Titel von der Kraft des Glaubens, vom Wunsch nach Frieden, von Gott oder von einem Gebet handeln, erinnert das von ihm gemeinsam mit Julian King produzierte Album zu keinem Takt an einen rhythmischen Gottesdienst. Trotz salbungsvoller Message: "The Rock" ist eine echte, typische Tracy-Lawrence-CD. So versammelt der geschmeidige Gesangskünstler erneut eine ausgewogene Mixtur aus moderat rockigen Songs, ergreifenden Balladen und leicht pathetisch, hymnisch anmutenden Tracks - wie immer getragen von seiner unvergleichlichen Interpretationskunst.
Beim Einstieg in das Album - "Dear Lord" - zeigt Tracy Lawrence, dass er mittlerweile auch zu einem erstaunlichen Songwriter gereift ist. Der Titel ist in bester Modern-Country-Tradition gehalten, ein positiver, geradezu euphorischer Track. Die himmelhoch jauchzende Stimmung nehmen die nachfolgenden Tracks übergangslos auf. Obwohl sie mit diversen Moll-Akkorden deutlich besinnlicher und tiefer gehender angelegt sind: das balladeske "Every Prayer", die bewegende Selbsterkenntnis von "I'm Done", das kraftvolle "The Book You Never Read" und der mit einem vielstimmigen Chor für Feiertagsstimmung sorgende Titeltrack.
Diese paradiesisch-harmonische Atmosphäre verlässt Lawrence nur bei "Somebody Who Would Die For You", ein wuchtiger, rockiger Gospel-Song. Auch das nachfolgende "Jesus Come Talk to Your Children" fällt mit strammen Grooves und einem Slide-Gitarrensolo vergleichsweise temperamentvoll aus. Für die finalen Tracks - die Single "Up to Him" und "Say a Prayer" - hält der seit Jahren karitativ engagierte Sänger wieder entspannte, aber dennoch unter die Haut gehende Klänge parat: echte Tracy Lawrence-Balladen.
Fazit: Tracy Lawrence hat seine Dämonen besiegt - und Gott gefunden. Trotz gutherziger und religiöser Songs ist "The Rock" ein typisches Tracy Lawrence-Album: felsenfester Country. Dass hier nicht die erste Liga von Nashvilles-Session-Elite zu Werke ging, fällt übrigens überhaupt nicht auf. Kleines Manko: mit zehn Titeln wurde hier etwas geknausert.
Label: AGR Television (Universal) | VÖ: 8. Mai 2009 |
Titelliste
Links
01 | Dear Lord | 06 | Somebody Who Would Die For You |
02 | Every Prayer | 07 | Jesus Come Talk to Your Children |
03 | I'm Done | 08 | I Know Where Heaven Is |
04 | The Book You Never Read | 09 | Up To Him |
05 | The Rock | 10 | Say a Prayer |
Tracy Lawrence - All Wrapped Up in Christmas (CD-Besprechung)
Tracy Lawrence - For The Love (CD-Besprechung)
Tracy Lawrence - Then & Now: The Hits Collections (CD-Besprechung)
Was macht eigentlich die Rockin' Roadhouse Tour? (Reportage)
Tattoos und Tanktops ersetzen Lassowerfer und Wranglers (Reportage)
Country-Musiker genießen Sendezeit als Radiomoderatoren (Reportage)
Tracy Lawrence findet neue Freunde auf seinem Konzert in Zürich (Veranstaltungsbericht)