Um es vorweg und klipp und klar zu sagen: Ja! Die gesamte Spielzeit der erneut von Frank Rogers produzierten und mit etlichen Gaststars garnierten CD bietet ein einziges Vehikel für die flinken Finger des Brad Paisley. Ein Solo-Overkill, an dem vor allem - vielleicht sogar nur - Gitarristen ihre ungetrübte Freude haben werden. Doch langsam, der Reihe nach. Das Album hat natürlich auch seine Schokoladenseiten.
Es geht aber genau so los, wie man es befürchten durfte. Mit einem ziemlich verfahrenen, hektischen, sehr schnellen Country-Blues mit reichlich Freilauf für die linke Griffhand. Klar, er brilliert. Mit schnellen Läufen, mit erstaunlichen Tricks, mit sauberer und phantasievoller Spielweise. Doch irgendwie erschlägt einen diese virtuose Technik-Show. Auch wenn Fiddle, Pedal Steel Guitar und Banjo ran dürfen und für Abwechslung sorgen - "Huckleberry Jam" hat als Komposition einfach zu wenig Substanz. Es ist, wie im Titel gesagt, eine Jam-Nummer. Und leider beileibe nicht die einzige der CD. Mit dem zweiten Titel "Turf's Up" huldigt er Dick Dale, dem König des Surf-Sounds. Wer damit nichts anzufangen weiß, sollte sich eine ausgeflippte Version der guten alten Shadows vorstellen - inklusive Farfisa-Orgel, Wummer-Drumms und natürlich einer verwegenen Gitarre. "Pulp Fiction"-Fans werden an diesem Sound ihre Freude haben. Immerhin ...
Nach den zwei Instrumental-Titeln kommt der erste echte Song: "Start a Band", ein Duett mit keinem Geringeren als Keith Urban. Leider aber hält auch dieser Song zu wenig Tiefgang und zu viel Gitarrensoli parat, als dass man ihn als ein erstes Highlight bezeichnen könnte. Das setzt der Pfiffikus erst im nächsten Titel, der wundervollen Instrumental-Ballade "Kim". Hier brilliert Paisley mit überraschenden, zu Herzen gehenden Melodien und einer gemäßigten, dafür seelenvollen Gitarre. Songs von diesem Kaliber könnte "Play - The Guitar Album" deutlich mehr verkraften.
Leider aber vertraut der Virtuose meist zu sehr auf seine großartige Gitarrentechnik. Gerade so, als ob er es noch nötig hätte, sich zu profilieren, reiht er Trick an Trick, Lick an Lick. Resultat: viel Effekt, doch nur wenig bleibt hängen. Kümmerlich ist das Resultat vor allem, wenn er den Rocker gibt ("Departure", "Cliffs of Rock City"). Und einen Wischi-Waschi-Song wie "Cluster Pluck" können selbst Stargäste wie Vince Gill, Albert Lee, Brent Mason und Steve Wariner nicht retten. Dass er sich für "Let the Good Times Roll" B.B. King ins Studio holte, mag für ihn die Erfüllung eines Traumes sein. Dass er sich aber gemeinsam mit der betagten Legende ausgerechnet einen derart abgedroschenen Song aussucht, zeigt erneut, dass es Paisley trotz seines Talents an Geschmack mangelt.
So bilden neben dem erwähnten "Kim" ausgerechnet die Titel die Highlights, bei denen er sich am wenigsten anstrengt: "Come on in", ein annehmbarer, traditioneller Countrysong mit Buck Owens als Duettpartner, und der verhaltene, akustische Gospel "What a Friend We Have in Jesus". Nett, aber von sich selbst bei "Make a Mistake with Me" vom "Mud on the Tires"-Album abgekupfert: "Les Is More", ein schmissiger, nostalgischer Country-Swing.
Fazit: Seinem ausgeprägten Spieltrieb lässt er hier freien Lauf. Der muskalischen Substanz ist das allerdings keineswegs förderlich. Ein klarer Rückschritt in seiner Karriere.
Label: Arista Nashville (Sony) | VÖ: 31. Oktober 2008 |
Titelliste
Links
01 | Huckleberry Jam | 09 | More Than Just This Song (mit Steve Wariner) | ||
02 | Turf's Up | 10 | Les is More | ||
03 | Start a Band (mit Keith Urban) | 11 | Pre-Cluster Cluster Pluck Prequel | ||
04 | Kim | 12 | Cluster Pluck | ||
05 | Departure | 13 | Cliffs of Rock City | ||
06 | Come On In (mit Buck Owens) | 14 | Let The Good Times Roll (mit B.B. King) | ||
07 | Playing with Fire | 15 | What a Friend We Have in Jesus | ||
08 | Kentucky Jelly | 16 | Waitin' On A Woman (mit Andy Griffith) |