Die emotionale Intensität, mit der Tift Merritt von den "High Hopes" singt, einem Song ihres erst im August 2008 in Deutschland erscheinenden Albums "Another Country", ist schlicht beeindruckend. Die 33-Jährige singt mit solcher Hingabe, sodass sie das Publikum sofort in ihren Bann zieht. Mit dem nächsten Song "Broken" legt Tift Merritt gleich noch eine Schippe drauf. "Broken" hat alles, was einen Hit auszeichnet: er ist eingängig, melodisch raffiniert und mit einem wundervollen, ebenso bittersüßen wie doppelbödigen Text. Diese ersten beiden Songs zeigen auch gleich, welche außerordentlichen Fortschritte die Songschreiberin Tift Merritt seit ihrem Grammy-nominierten Album "Tambourine" von 2004 gemacht hat.
Mit dem lyrischen "I Know What I'm Looking For" wechselt die Amerikanerin dann von der Gitarre ans Klavier. Als nächstes folgt der Titelsong ihrer neuen CD - deren Songs sie übrigens ausnahmslos während ihres einjährigen Aufenthalts in Paris schrieb. Aber bevor also "Another Country" erklingt, rückt Tift Merritt erstmal das Mikro zurecht und sagt im Hinblick auf ihren Techniker: "Ich bin doch ein bisschen größer, als er gedacht hat." Das führt umgehend zu einem heiteren Gekicher im Publikum. Dies wiederum nutzt die Amerikanerin zu der launigen Klarstellung: "Hee, das ist ziemlich gemein, wenn ihr darüber lacht! I'm Little, but I'm Tough! - Ich bin zwar klein, aber ich bin robust!"- Alles lacht und Tift Merritt hat das Publikum nun endgültig auf ihrer Seite.
Die inzwischen in New York lebende Sängerin beweist im Verlauf des Abends, dass sie nicht nur eine hochtalentierte Songschreiberin und eine emotional berührende Sängerin ist, sondern dass in ihrem zierlichen Körper ein Vulkan brodelt, der jederzeit ausbrechen könnte. Tift Merritt ist eine Mrs. 100.000 Volt - ein kompaktes, energiegeladenes Kraftpaket. Das gilt für die rhythmisch akzentuierten Songs genauso wie für die bittersüßen Balladen. Dabei sorgt sie innerhalb des Programms für eine ausgewogene Mixtur aus älteren Songs wie "Ain't Looking Closely" und "Straight Paper" und neuen Songs wie dem beschwörenden "Keep You Happy" und "Tender Branch".
In jedem Fall strahlen alle ihre Songs eine herzerwärmende Erdverbundenheit und große Bodenständigkeit aus. Tift Merritt hat zwar "große Probleme mit dem Nashville-Country-Pop", wie sie gegenüber CountryMusicNews.de erklärte, aber sie bewundert die große Country- Haudegen wie Hank Williams oder Johnny Cash. "Die melodische Klasse und die textliche Genauigkeit ihrer Songs, die wirkliche Geschichten erzählen, haben mir immer imponiert." Mitunter erinnert die zierliche Sängerin in ihrem Duktus ein wenig an Mary Chapin Carpenter. Und das ist nun wahrlich keine schlechte Hausmarke, auch wenn Tift Merritt hinsichtlich der Arrangements sparsamer und akzentuierter agiert.
Für eine weitere spaßige Einlage sorgt Tift Merritt nach dem schwungvollen "Something to Me", als sie sich ein "German Beer" wünscht. Prompt bringt ihr Tourbegleiter eins vorbei. Als ihr dann auch noch der "Quasimodo"-Chef Giorgio Carioti eins auf die Bühne bringt, kommt wieder einer dieser humorigen Sprüche: "Oh, jetzt konkurrieren sie um meine Gunst" - sagt's und grinst.
Mit dem intimen, in "North-Carolina-French" gesungenen "Mille Tendresses" beschließt Tift Merritt ihr Programm. Aber so einfach lässt sie das Publikum nicht von der Bühne. Für die erste Zugabe "Virginia, No One Can Warn You" stellt Tift Merritt das Mikro bei Seite. Und mit dem sehnsüchtigen "Still Pretending" und "Plainest Thing", einem ihrer persönlichen Favoriten klingt das Konzert der Amerikanerin besinnlich und gefühlvoll aus.