In dem Western "Seraphim Falls" spielen Liam Neeson und Pierce Brosnan
Als Agent 007 erledigte er Schurken mit links, während er in der rechten Hand seinen Martini hielt und hatte hinterher nicht einmal Falten im Smoking. Hier wird Pierce Brosnan als Trapper Gideon, ein ehemaliger Bürgerkriegsoffizier, am Lagerfeuer angeschossen, stürzt einen Abhang hinunter, landet im dicksten Winter in einem reißenden Fluss, wird von einem menschenfressenden Wasserfall verschluckt, hebelt sich mit einem gigantischen Messer die Kugel aus dem Arm und erfriert fast, weil er vor Schmerzen bewusstlos wird, nachdem er die Wunde selbstredend mit der glühenden Klinge geschlossen hat - und das alles passiert in den ersten Minuten! Man kann nicht behaupten, dass sich TV-Regisseur David von Ancken ("CSI: NY", "The Shield - Gesetz der Gewalt", "Cold Case - Kein Opfer ist je vergessen") in seinem Spielfilmdebüt viel Zeit lassen würde. Jedenfalls nicht am Anfang. Doch nach dem furiosen Auftakt geht's bedeutend gemächlicher zu.
Rambos Ur-Ur-Ur-Großvater
Im Grunde genommen besteht der Film aus einer einzigen Verfolgungsjagd durch die Wildnis, von den verschneiten Ruby Mountains in Nevada bis zum surrealistischen Finale in der Gluthitze der Wüste. Zu Fuß, zu Pferd, gnadenlos durch Wälder, Seen, Flüsse, die Prärie. Warum der hasserfüllte Colonel Carver (Liam Neeson) und seine gedungenen Handlanger Gideon töten wollen, erfährt man erst nach gut zwei Dritteln des Films, was den Reiz dieser Hatz ausmacht. Ist vielleicht Gideon der eigentlich Böse und der Jäger der Gute? Carver benimmt sich jedenfalls nicht so. Relativ schnell steht jedoch fest, dass ihre gemeinsamen Wurzeln im vergangenen Bürgerkrieg liegen - in Seraphim Falls. Aber bis zum (eher enttäuschenden) Schluss schaltet Gideon seine Verfolger einen nach dem anderen aus, wobei er äußerst einfallsreich und wenig zimperlich vorgeht. Mit Messern, Bärenfallen, Finten und Instinkt, als wäre er Rambos Ur-Ur-Ur-Großvater. Schließlich bleibt nur noch Carver übrig...
Viel Blut und Grausamkeit
"Seraphim Falls" bietet viel Blut und Grausamkeit vor gewaltiger Landschaftskulisse, die Oscargewinner John Toll ("Braveheart") grandios eingefangen hat. Während die Bilder in jeder Hinsicht spektakulär und mitreißend sind, kann die Story nicht ganz mithalten. Die Hetzjagd durch das vom Bürgerkrieg zerrüttete Land ist auf Dauer zu wenig abwechslungsreich - trotz symbolträchtiger Begegnungen mit einem Treck gläubiger Pilger, einem in Rätseln sprechenden Indianer (Wes Studi), einer fahrenden Händlerin (Anjelica Houston) und Auseinandersetzungen in einem Eisenbahn-Camp. Letztlich entpuppt sich der Film als religiös durchwirktes Epos um zwei starrsinnige Männer und Schuld und Vergebung.
Besonders Pierce Brosnan beweist als robuster, stoischer Naturbursche, dass in ihm weit mehr steckt als nur ein lässiger (Ex-)Superagent, nämlich ein ausgezeichneter Schauspieler. Manchmal muss man sich dafür eben erst einen Buffalo-Bill-Bart wachsen lassen und seine halberfrorene Hand im aufgeschlitzen Bauch eines Opfers wärmen. Auch das passiert übrigens in den ersten Minuten, aber danach geht's wirklich gemächlicher zu. Großes Trapper-Ehrenwort.
Fazit: Brutaler Rache-Western, der einen zwar packt, aber nicht vollends überzeugt. Als Zwischenstopp bis zum Kinostart von "Todeszug nach Yuma" jedoch bestens geeignet.