Fest steht, dass LeAnn Rimes ein Phänomen ist. Man muss sich nur einmal klar machen, dass man sie - hört man ihren Namen - sofort mit den ganz Großen, mit den seit ewigen Zeiten etablierten Nashville-Acts in Verbindung bringt. Dabei ist die aus Jackson, Mississippi gerade mal 25 Jahre alt. Ein Alter, in dem die meisten Newcomer gerade mal ihr Debüt vorlegen - LeAnn Rimes mit "Family" dagegen bereits ihr 14. Album. Und dazu, das kann man ruhig so sagen, ihre dritte Sängerinnenkarriere.
Denn nach ihren grandiosen, sehr den Country-Roots verhafteten Anfangserfolgen und den all zu glatten, viel zu sehr auf Pop-Mainstream schielenden Alben hat sie mit "Family" tatsächlich so etwas wie eine Umkehr zuwege gebracht. Wobei Werbekampagnen der Plattenfirmen mit "Real Country"-Slogans dann doch leicht überzogen sind. Aber: ein Anfang ist gemacht.
Ein bißchen muss man sich fragen, was sich die Marketingexperten bei dem Coverfoto gedacht haben. Man hört sie fast reden, die vielen Produkt- und Labelmanager und die unzähligen Experten, die genau wissen, wie man Musik und das Produkt "Star" zu verkaufen hat. Gut, was will uns diese Bildaussage vermitteln? LeAnn Rimes in rotes Licht getaucht, Blick unbestimmt in die Ferne gerichtet, Mund sinnlich leicht geöffnet, das Sixties-Hippie-Kleidchen mit ihren Händen fest an die Brust gedrückt. Sex? Crime? Nostalgie? Psychodelic? Alles zumindest eher als Country. Wie gesagt, die vielen Manager werden sich ihre Gedanken gemacht haben. Vielleicht aber interpretiere ich auch einfach nur zuviel hinein, vielleicht entschieden sie auch aus dem Bauch heraus: sieht gut aus, das nehmen wir! Gut, einverstanden ...
Derart attraktiv aber auch mysteriös verpackt hält der Tonträger ein Dutzend neuer Songs plus zwei Bonustracks parat. Zwei bestens bekannte Song - "Till We Ain't Strangers Anymore" mit den Ostküste-Rockern von Bon Jovi und, gerade aktuell, "When You Love Someone Like That" mit Countryurgestein Reba McEntire. Über beide Songs haben wir auf dieser Site berichtet.
Mit dem folkigen Titeltrack startet die CD. "Family" - dazu zählt die Sängerin, die bereits als 14jähriger Backfisch zwei Grammys kassierte, heute, neben ihrem Label, auch die Songwriter Dean Sheremet, Blair Daly und Darrell Brown. Gemeinsam mit ihnen verfasste LeAnn Rimes nahezu jeden der zwölf neuen Tracks. Das bürgt nicht nur für eine Art "roter Faden", sondern auch für musikalische und kreative Emanzipation der Künstlerin. Nach 13 Alben, jeder Menge Hits und Auszeichnungen und unzähligen Konzerten definiert sie jetzt ihren eigenen Sound. Der basiert tatsächlich zu einem guten Teil auf Country (dafür sorgt so manche Melodie und häufig eine Fiddle und Pedal Steel Guitar) - tonangebend bleibt aber auch auf "Family" nicht selten pathetisch aufgeladener Pop. Produzent Dann Huff schneiderte ihr ein perfekt sitztendes aber auch blickdichtes Soundkostüm. So fährt er in Titel wie dem rockigen "Something I Can Feel" geradezu einen "Wall of Sound" in bester Phil Spector-Manier auf.
Stärker, weil nicht so überladen, kommen die ruhigeren Songs wie "Nothin' Better To Do", "Fight" und "I Want You With Me". Hier kann die auf den vielen Coverfotos sehr sexy posende Diva ihre großartigen stimmlichen Möglichkeiten besser zur Geltung bringen. Wie versiert LeAnn Rimes mit den verschiedenen Stilrichtungen umzugehen weiß, wird in den zwei vielleicht besten Songs der CD klar: "One Day Too Long" - ein mitreissend souliger, fast an die frühe Wynonna erinnernde Titel mit stimmlichen Zitaten an ihre Anfangszeit ("Blue"). Und das Duett mit Marc Breussard "Nothing Wrong". Okay, der Titel klingt mit seinen Riffs an die guten alten Stones - aber was die zwei hinter dem Mikro anstellen ist einfach erste Sahne.
Fazit: Auch wenn reinrassiger Country freilich anders klingt, hat sich LeAnn Rimes wieder ihren musikalischen Wurzeln genährt. Keine Frage, ihr bestes Album seit Jahren.
Label: Curb (Warner) | VÖ: 19. Oktober 2007 |
Titelliste
Links
01 | Family | 08 | Nothing Wrong (mit Marc Broussard) | |
02 | Nothin' Better To Do | 09 | Pretty Things | |
03 | Fight | 10 | Upper Hand | |
04 | Good Friends And A Glass Of Wine | 11 | One Day Too Long | |
05 | Something I Can Feel | 12 | What I Cannot Change | |
06 | I Want You With Me | 13 | Till We Ain't Strangers Anymore (mit Bon Jovi) | |
07 | Doesn't Everybody | 14 | When You Love Someone Like That (mit Reba McEntire) |
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