Vince Gill - These Days (Box-Set)

CD Cover: Vince Gill - These Days

Vince Gill präsentiert einen 4-CD-Meilenstein der modernen Country Music

Man soll ja bekanntermaßen nicht verschwenderisch mit Superlativen umgehen. Dennoch: Eine andere Bezeichnung als "Meisterwerk" würde der mit 43 neuen Songs ausgestatteten 4-CD-Box von Vince Gill einfach nicht gerecht werden. Hier passt einfach alles. Ausstattung, Booklet, Aufmachung und - vor allem - die Musik. Dass bei dem Mega-Projekt des hochgradig begabten Charmeurs eine Vielzahl von Nashville-Stars mitwirkten, setzt der Box das i-Tüpfelchen auf.

"These Days" ist ein Meilenstein der modernen Country Music

Begonnen hat angeblich alles, als sich Vince Gill die Demos neuer Songs durchgehört hat. Da waren traditionelle Bluesgrass-Titel dabei, im forschen Rhythm & Blues-Groove fegende Countryrocker, Honky-Tonk-Songs und - maßgeschneidert für Gill Resi-Schmelz-Stimme - wunderherrliche Balladen. "Ich sagte mir: Verflixt, ich möchte sie alle aufnehmen", berichtet der Sänger, Songschreiber und Gitarrist über die Geburtsstunde von "These Days". Und davon, dass einer der Universal-Oberen auf Anhieb von der Idee einer Mehrfach-CD-Box sofort begeistert war. So machte sich Gill also daran, die Songs auszuarbeiten, die dafür perfekten Musiker und Produzenten zu suchen und bei einigen guten Freunden nachzufragen, ob sie denn mitwirken möchten. "Ich hatte keine Deadline, keine Vorgaben und musste keine Regeln einhalten", sagt Gill, "ich konnte alles ausprobieren und ausarbeiten."

Das hat sich wahrhaftig gelohnt. Die 43, teils in Kooperation mit Songschreibern wie Al Anderson und Pete Wasner entstandenen Gill-Originale, sind fein säuberlich nach Genre und Stimmung sortiert: "Workin' On A Big Chill - The Rockin' Record" (1), "The Reason Why - The Groovy Record" (2), "Some Things Never Get Old - The Country & Western Record" (3) und "Little Brother- The Acoustic Record" (4).

Vince Gill zeigt alle Facetten seines Könnens

Beginnen wir mit CD Nr 1 - The Rockin' Record. Tja, was soll man groß darüber sagen? Das ist einfach gepflegter, teils mit vielhörnigem Gebläse aufgemotzer Country-Rhythm-and-Blues. Wer Gill-Evergreens wie "Laura Lee" im Ohr hat, weiß, wohin die Reise geht. Die meisten Songs sind im Mid- und Uptempo-Bereich angesiedelt, mal grüßen die Rolling Stones ("Sweet Thing"), mal blinzelt Gehvater Chuck Berry um die Ecke ("Nothin' For A Broken Heart", mit Rodney Crowell als Duett-Partner), beim Opener "Workin' On A Big Chill" fühlt man sich an die guten, alten CCR erinnert. Kurz: Ein saft- und kraftvoller, zehn Songs starker Auftakt, mit exzellenten Gute-Laune-Songs und einigen wirklich hervorragenden Gitarren-Soli - alle von Meister-Gill höchstselbst lässig aus der Hand geschüttelt.

Auf CD 2 - "The Reason Why - The Groovy Record", nimmt der sympathisch allürenlose Star Gas weg, um in romantische Gefilde zu steuern. Und was Vince Gill im Balladenfach zu bieten hat, ist einfach enorm. Er schreibt Harmonien und Texte, die berühren, singt wie ein Gott und lässt dazu seine Gitarre in jauchzende Höhen steigen. Songs wie "What You Don't Say" (mit LeAnn Rimes), "The Rock of Your Love" (mit Bonnie Raitt), "This Memory of You" (mit Trisha Yearwood) und das hymnische "Time To Carry On" (mit Jenny Gill) gehören vielleicht zum Prächtigsten, was jemals an gefühlvoller (Country-)musik auf CD verewigt wurde. Dazu kommt ein potentieller Song-Klassiker von Morgen: "Faint Of Heart", ein Duett mit der verrucht-rauchig intonierenden Jazz-Diva Diana Krall. Wow!

Mit CD 3 und 4 - "Some Things Never Get Old - The Country & Western Record" und "Little Brother - The Acoustic Record" - verweist der mehrfache Moderator der Country Music Awards schließlich auf die Wurzeln, auf die Roots und Heroes der Countrymusik. Eine moderne Retrospektive sozusagen. Dabei wird klar, wie sehr Vince Gill die munter-zeitlosen Honky-Tonks und tempogeladenen Bluegrass-Klänge verinnerlicht hat. Ja, er könnte mühelos als Nachlassverwalter von Ernest Tubb, Bill Monroe, Ray Price und Co. durchgehen. Denn er lebt - auch - diese Musik. Und deshalb interpretiert er sie gemeinsam mit Stargästen wie Alison Krauss, Dan Tyminski, Lee Ann Womack und Emmylou Harris so souverän authentisch, dass man schwören könnte, er würde nie im Leben irgendwelche andere Töne anschlagen. Einfach phänomenal!

Fazit: Die vier musikalischen Gesichter des Vince Gill: Fünf Sterne sind noch zu wenig. Ein 4-CD-Meilenstein der modernen Country Music, keine Frage.

vgw
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