Ganze dreieinhalb Monate lang haben die beiden Schauspieler River Phoenix und Reese Witherspoon angeblich gemeinsam mit dem Soundtrack-Produzenten T Bone Burnett - ein alter Meister der Studiopulte - geübt, geprobt, gesungen, getanzt. Eine lächerlich kurze Zeit, bedenkt man, wie lange andere Sänger und Sängerinnen an ihrer Karriere schmieden. Eine unglaublich kurze Zeit aber, wenn man sich die Leistungen vor dem Mikro der beiden anhört. Freilich kommt Joaquim Phoenix an die unterirdisch brummigen Tiefen des seligen Johnny nicht heran. Macht nichts. Denn - und das ist viel wichtiger als gemessene Hz-Frequenzen: Der Mann, der mit seiner Meisterleistung in "Gladiator" zur ersten Hollywood-Riege aufgestiegen ist, kommt der Aura, der Intention und dem Gefühl von Johnny Cash nahe. Man spürt in seinem Gesang seinen Geist - und man glaubt, hört man Phoenix "Walk The Line", "Ring of Fire", "Cry, Cry, Cry" oder das gänsehaut-böse "Folsom Prison Blues" nöhlen - den Original Man in Black irgendwo in seinem Hinterstübchen auszumachen. Ist er's. Er, der Echte, der Einzige?
T Bone Burnett zieht für den Soundtrack zu "Walk the Line" sämtliche Register seines Könnens
Die musikalische Umsetzung macht das Verwirrspiel schließlich perfekt. T Bone Burnett (Jimmie Dale Gilmore, Bruce Cockburn, Gillian Welch) zieht sämtliche Register seines Könnens. Er lässt die weichen, analogen, knorrigen und knisternden Sounds aus den Sun Studios von Memphis und in den Recording-Tempeln Nashvilles in den frühen 60er Jahren wieder auferstehen. Zur Hand gingen ihm dabei nicht nur verdiente Recken an ihren Instrumenten wie Dennis Couch (Kontrabass), David Kemper (Drums) und Lloyd Green (Pedal Steel Guitar), sondern auch Zeitzeugen wie Jack Clement (Komponist für Johnny Cash, Carl Perkins und Charley Pride) und Gitarrist Norman Blake (Bob Dylan, Kris Kristofferson, Johnny Cash). Diese Herren wissen nur zu genau, woraus der Stoff gewebt ist, in der sich der frühe Rock 'n' Roll, Rockabilly und die Country Music in den 50er und 60er Jahren modisch kleidete.
Neben Cash/Phoenix und Reese Witherspoon, die der jungen June Carter stimmlich bemerkenswert nahe kommt, gibt es auf dem Soundtrack zu "Walk The Line" ein Wiederhören mit weiteren Geburtshelfern der Rockmusik. Waylon Malloy Payne gibt in Film und Soundtrack den wildgelockten Tasten-Rastelli Jerry Lee Lewis ("Lewis Boogie"), Tylor Hilton schlägt sich wacker als blutjunger Elvis ("That's All Right") und Shooter Jennigs stapft mit Elan und heißblütiger Stimme in die Fußstapfen seines Vaters, dem großen Waylon Jennings ("I'm A Long Way From Home").
Auf dem Soundtrack zu "Walk the Line" reiben sich die Stimmen von Phoenix und Witherspoon
Den Löwenanteil der 16 Titel starken Soundtrack-CD bestreiten natürlich Phoenix und Witherspoon, teils solo, teils im Duett - wie beim Bob Dylan-Klassiker "It Ain't Me Baby". Ähnlich wie bei Carter/Cash reiben sich auch bei den beiden Hollywood-Stars die Stimmen - wie Schmiergelpapier und Samt. Und genau wie bei dem legendären Country-Duo wirft auch bei den Schauspielern der offenkundige Gegensatz sexy Funken. Am schönsten fliegen sie beim letzten Titel, bei der Jerry Leiber-Komposition "Jackson": "We got married in a fever, hotter than a pepper sprout ..."
Fazit: Joaquim Phoenix und Reese Witherspoon schlagen sich mehr als beachtlich als Johnny Cash und June Carter auf dem Soundtrack zu "Walk the Line". Alte Songs, neue Stimmen - ein Muss für alle Cash-Fans.
Titelliste
01 | Get Rhythm | 10 | Juke Box Blues |
02 | I Walk The Line | 11 | It Ain't Me Babe |
03 | Wildwood Flower | 12 | Home of The Blues |
04 | Lewis Boogie | 13 | Milk Cow Blues |
05 | Ring Of Fire | 14 | I'ma Long Way From Home |
06 | You're My Baby | 15 | Cocaine Blues |
07 | Cry Cry Cry | 16 | Jackson |
08 | Folsom Prison Blues | 17 | Rock N' Roll Ruby (Video) |
09 | That's All Right | 18 | Jackson (Video) |