Reggie Young: Von Elvis zu Merle

Reggie Young

Reggie Young? Nur Experten sagt dieser Name etwas. Das ist einerseits erstaunlich. Denn der aus Missouri stammende Gitarrist Jahrgang 1936 hat mit allen Größen der Musikszene gespielt: von Elvis über Johnny Cash bis hin zu J.J. Cale, Merle Haggard und George Strait. Andererseits ist es dann doch nicht so überraschend, denn Reggie Young war und ist ein Sideman, ein Studio- und Tourband-Gitarrist. Ein Mann im Hintergrund - doch in diesem weniger ausgeleuchteten Terrain gehört der Musiker zu den Größten seines Fachs. Und zu den Sympathischsten gehört der bei Franklin in Leiper's Fork lebende Gitarrist sowieso...

"Hallo, schön Dich zu sehen, ich bin Reggie", sagt er bei der Begrüßung in seinem herrlichen, etwas abgelegenen Holzhaus bei Leiper's Fork. Er blickt einem direkt in die Augen, der Händedruck ist kräftig. Er strahlt etwas Aufrichtiges aus. Man spürt Herzenswärme, Ehrlichkeit und nicht die kleinste Spur von Arroganz. Dabei könnte sich Reggie Young so einiges auf seine Karriere einbilden. Nicht nur, weil er bei einigen Musik-Meilensteinen als Session-Gitarrist maßgeblich mitgewirkt hat - darunter übrigens auch "In The Ghetto" und "Suspicious Minds" von Elvis - sondern auch, weil er mit den größten der Großen gearbeitet und sie alle kennen gelernt hat. Kein Wunder, dass Reggie Young innerhalb der amerikanischen Musiker-Szene den Status einer Legende besitzt. Wer sich einmal die Mühe machen sollte, und die Studio-Gitarristen aller jemals erschienenen Nummer-eins-Hits auflistet, würde vielleicht Reggie Young auf dem vordersten Platz vorfinden. Immerhin umfasst seine Karriere ganze 60 Jahre. Sechs Jahrzehnte, in denen der Gitarrist seine stilistische Vielseitigkeit bewies und seine Spielweise irgendwie nie aus der Mode kam. Neben seiner Virtuosität und musikalischen Einfühlsamkeit ist Reggie Young überdies ein enorm angenehmer Zeitgenosse, mit dem man im Studio mit Sicherheit gerne zusammen arbeitet. Ein Musiker, der sich nicht in den Vordergrund spielt, aber alles für den jeweiligen Song einbringt. Ein bescheidener Star - und dazu ein angenehmer und auskunftsbereiter Gesprächspartner.

Wissen Sie, wie viele Alben und Songs Sie aufgenommen haben?
Reggie Young: Nein, ich habe absolut keine Ahnung. Ich könnte gerade noch diejenigen in Memphis zählen. Als ich dorthin zog, spielte ich so drei Alben pro Woche ein. Irgendwann aber habe ich aufgehört zu zählen. Aber es muss einiges zusammengekommen sein, vielleicht ein paar Tausend...

Reggie Young

Sie haben nicht nur Aufnahmen in einem Musik-Genre gemacht, Sie haben fast alles gespielt - mit Ausnahme von Klassischer Musik. Wo liegt Ihre musikalische Heimat?
Reggie Young: Früher waren das R'n'B-Balladen. Ich liebte den R'n'B - den alten R'n'B, nicht den neuen. Ich habe damals so eine Art Zuhause in dem gefunden, was ich in Memphis gemacht habe. Das lag auch an den Leuten, mit denen ich so viele Sessions gespielt habe. Wir waren die "Memphis Boys". Allen Reynolds, der Manager von Garth Brooks, hat 1990 ein Album mit uns produziert. Wir waren ein eingeschworenes, musikalisch total vertrautes Team. Das war für lange Zeit mein künstlerisches Zuhause.

Doch Sie sind auch im Country sesshaft...
Reggie Young: Ich lebe ja auch seit 1972 in Nashville, beziehungsweise jetzt nahe bei Franklin. Hier ist Country das Thema. Ich habe Alben mit Kris Kristofferson, Willie Nelson und natürlich mit Waylon Jennings aufgenommen und war mit den Highwaymen auf Tour. Es war eine grandiose Zeit. Vor allem die Zeit mit Waylon. Ich habe die Sessions mit ihm von 1999 bis zu seinem Tod gespielt. Ich glaube, das war so mit die beste Zeit in meinem Leben. Die Waymore Blues Band war auf alle Fälle die coolste Band in der ich jemals gespielt habe. Waylon hatte ja dieses Böser-Bube-Image und er war damals schon ziemlich wild.

Wie war es mit den Highwaymen?
Reggie Young: Bis zu der Highwaymen-Tour war ich der Meinung, dass die Studioarbeit besser ist, als auf Tour zu gehen. Doch mit den Highwaymen änderte sich meine Einstellung. Anfangs war ich ganz schön nervös. Denn so eine Tour hatte ich bis dahin noch nie gespielt. Die war so richtig, richtig groß. Waylon, Johnny, Willie und Kris gemeinsam auf einer Bühne, dann diese großen Hallen. Doch in der Backing-Band waren alles gute Freunde von mir. Ein Teil davon stammte aus Memphis, ein Teil war von Willies Tourband. Der erste Teil der Tour bestand aus 30 Shows, und ... nun, es war richtig cool! Da habe ich gemerkt, dass es auch ein Leben außerhalb der Studiomauern gibt. Als es im Herbst mit dem zweiten Teil der Tour weiter ging, war ich überglücklich, wieder dabei zu sein. Es war eine unglaubliche Erfahrung. Es war einzigartig.

Wenn Sie auf Ihre Musik-Karriere zurückblicken - auf welches Album sind Sie besonders stolz?
Reggie Young: Ich denke, das ist "From Elvis in Memphis", und hier vor allem der Song "Suspicious Minds". Und natürlich auch "In The Ghetto".

Wie war es, mit Elvis zu arbeiten?
Reggie Young: Dazu muss ich eine kleine Geschichte erzählen. Eigentlich wären die Sessions für sein neues Album in Los Angeles gebucht gewesen. Doch sein Schlagzeuger wurde krank, deshalb ist er mit seiner ganzen Belegschaft nach Memphis. Wir waren im Studio. Die Hintertür ging auf und Elvis kam hinein. Wir schauten uns an und sagten, "wow, das ist der King!" Wir waren schon sehr beeindruckt. Er hatte seine Entourage bei sich und rauchte diese kleinen Zigarren. Kaum holte er sich eine neue heraus, flammten sechs Feuerzeuge auf, das war Wahnsinn! Er war der King, und die Leute um ihn herum hofierten ihn wie einen König. Nun gut. Elvis spielte Demo-Songs vor, die er in Nashville aufgenommen hatte. Er fragte mich, ob ich das Material gut fände. Ich sagte ihm meine ehrliche Meinung, sagte: "Nein, eigentlich nicht". Dann fragte er unseren Pianisten Bobby Wood, ob es ihm gefalle. Und Bobby sagte: "Nein, das ist Müll." Sein Produzent war über unsere Antworten nicht sehr begeistert. Letztendlich tauschte Elvis seinen Produzenten aus und nur wir fünf Sessionmusiker blieben übrig. Er wollte mit uns arbeiten - und dann, ohne seine Entourage, wurde er auch zu einem menschlichen Wesen.

Und strahlte Elvis auch diese Aura aus, als er hereinkam?
Reggie Young: Ja, tatsächlich. Man wusste, dass er mit im Raum war. Er sah gut aus und nahm keine Drogen.

Für Sie als Musiker - war es motivierend oder hatten Sie Ehrfurcht?
Reggie Young: Beinahe war es so. Besonders als wir "In The Ghetto" aufnahmen und ich Akustikgitarre spielte. Da waren nur er und ich. Und die ganze Zeit dachte ich, "mach jetzt bloß keinen Fehler." Aber am Ende funktionierte alles sehr gut. Scotty Moore hatte seine Gibson Super 400 gegen ein Keyboard von Chips Moman für sein Studio eingetauscht. So kam ich dazu, dass ich auf dieser Gitarre alles von dem Album spielte - auf Scottys eigener Gitarre. Das hat Spaß gemacht.

Sie haben auch mit Eric Clapton zusammen gearbeitet...
Reggie Young: Ich kenne Clapton schon aus den frühen 60er Jahren, als er noch bei den Yardbirds spielte. Ich war damals mit einem amerikanischen Act für 30 Tage in England auf Tour, da spielten wir viele Shows mit den Yardbirds zusammen. Wir jammten fast einen ganzen Monat zwischen den Shows zusammen und freundeten uns an. Doch dann haben wir uns aus den Augen verloren. Viele Jahre später gab es ein Tribute-Konzert für Bob Dylan im New Yorker Madison Square Garden, da haben wir uns wieder getroffen. Doch wie es so ist, man schafft es nicht Kontakt zu halten. Doch kürzlich klingelte das Telefon und eine Stimme sagte: "Hier ist Eric Clapton". Ich war ganz schön baff. Er nimmt gerade ein Tribute-Album für seinen verstorbenen Freund J.J. Cale auf, und da mache ich mit. Ich habe ja viele Alben von J.J. Cale eingespielt. Seine ganzen Hits wie "Cocaine" und "Cajun Moon".

Preise

Sie haben ein Stück Musikgeschichte geschrieben. Dennoch stehen Sie eher im Hintergrund. Ist das frustrierend?
Reggie Young: Überhaupt nicht. Ich glaube, ich wollte nie der Star sein. Das war auch keine große Sache, es war unsere Arbeit. An einigen Tagen warst du jemand und am nächsten Tag warst du ein Niemand.

Wenn Sie zurückschauen – hat sich das Studio Recording Business stark verändert?
Reggie Young: Ja, ziemlich.

Ist es besser oder schlechter geworden? Oder einfach anders?
Reggie Young: Es ist anders. Das Schlimmste war, als sie begonnen haben, die Musiker in einzelnen Räumen voneinander zu trennen, sodass sie keinen Augenkontakt haben, wenn sie zusammenarbeiten. Wir wurden damals zu einer Gruppe. Aber das passiert heute nicht mehr. Jetzt haben sie die Gitarre und den Gesang. Dann fügen sie die Drums hinzu. Dann das Keyboard und so weiter. Das mag ich nicht, das ist keine Musik für mich. Die letzten Sessions, die ich gemacht habe - besonders die mit Boz Scaggs - da waren wir ein Haus voller Musiker: Steve Jordan und Ray Parker, mit dem wir bei Solomon Burke arbeiteten. Das hat Spaß gemacht, weil wir zusammen in einem Raum Musik gemacht haben.

Der heutige Country und seine Produktion sind fast kein Country mehr, sondern eher Rock und Pop. Was halten Sie von der Szene in Nashville heute?
Reggie Young: Ich denke, für die heutige Zeit ist es gut. Es geht nicht mehr zurück zu Roy Acuff. Die Zeiten sind vorbei.

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