Josh Turner enthüllt seine unbeschwerte Seite und festigt sein Profil mit Haywire

Josh Turner; Foto: George Holz

Von allen herausragenden Talenten, die bei einer Mittagsveranstaltung der Universal Music Group im Ryman Auditorium während eines Country Radio-Seminars im Februar auf der Bühne standen, war der Auftritt von Josh Turner wohl der überraschendste.

Das lag nun nicht an seiner Stimme, die in der Branche eine der markantesten ist. Dieser schnarrende Bass war so bekannt wie beeindruckend und veranlasste Jennifer Nettles während dem Auftritt von Sugarland bei der Veranstaltung zu witzeln, "Ich saß da und dachte, "Fährt da die U-Bahn unter dem Ryman durch? Nein, das ist nur Josh Turner, der sich aufwärmt.""

Die Überraschung rührte mehr von Turners Bühnenpräsenz her. Er trat national erstmals im Jahr 2001 in Erscheinung, als er in der Grand Ole Opry "Long Black Train" beeindruckend darbot, eine Komposition von Turner, deren ernsthafter, spiritueller Kern noch verstärkt wurde durch seine tief vibrierende Stimme und eine Neigung zur Schüchternheit in seinen frühen Interviews.

Allerdings war der Josh Turner auf der Bühne bei SRS alles andere als ernsthaft. Er stellte seine nächste Single "All Over Me" vor, ein sommerlich-ausgelassenes Stück aus der Feder von Rhett Akins, Dallas Davidson und Ben Hayslip, und nahm sich ebenso viel Zeit dafür, zu sprechen, wie dafür, zu singen und seinen Humor zu verbreiten, als Ralph Stanleys Coverversion von Nellys Hip Hop-Hit "Hot in Herre" nachahmte.

Als er einige Wochen später gebeten wurde, dieses umfassendere Image zu reflektieren, erwiderte Turner ganz ernsthaft: "Wenn Sie einige aus meiner Familie fragen, werden die ihnen sagen, dass ich hinter den Kulissen sehr zurückgezogen und eher introvertiert bin, wirklich ruhig und entspannt." Dann fügte er spaßend hinzu, "Normalerweise liegt das daran, dass ich gar nicht erst zu Wort komme!"

"Allerdings war, seit ich ein kleiner Junge war", fuhr er fort, "meine Art mich auszudrücken auf der Bühne. Wenn ich da oben bin, kann ich frei sprechen. Niemand unterbricht mich, und es ist eine Art rhetorischer Konversation, sozusagen."

Turners optimistische Seite ist auf seinem vierten Studioalbum "Haywire" deutlicher als jemals zuvor erkennbar. Turner ist Texter oder Co-Texter von fünf der 11 Titel des Albums, das im Februar in den Billboard's Top Country Albums Charts auf Platz 2 und in den Billboard 200 auf Platz 5 lag. Die erste Single "Why Don’t We Just Dance" von Jim Beavers, Darrell Brown und Jonathan Singleton bliebt vier Wochen nach der Veröffentlichung von Haywire auf Platz 1. Das Album zeigt viel von der optimistischen Seite von Turners Persönlichkeit, beginnend mit dem tuckernden Titelsong, einer Komposition von Turner, der Arbeits- und Liebessage "Friday Paycheck", die von Turner und Mark Narmore geschrieben wurde, aber auch durch die ironische Tollerei "Eye Candy", die von Turner gemeinsam mit Shawn Camp und Pat McLaughlin geschrieben wurde.

Diese Verschiebung hin zu einem größeren Publikum sagt ebensoviel über die sich ändernden Zeiten wie über die neuere Ausrichtung des Künstlers aus. In der Zeit, in der er "Haywire" aufnahm, vom Herbst 2008 bis Juni 2009, sahen sich ein großer Teil Amerikas und besonders die eingefleischten Fans der Country Music unterschiedlichen Herausforderungen gegenüber: der Hypothekenkrise, dem Beinahe-Zusammenbruch der Wall Street, einer umstrittene Wahl und unerträglich unnachgiebigen Arbeitslosenzahlen. Turner hatte nicht die Absicht, in diesen ungewissen Zeiten irgendetwas mit einem strengen Inhalt wie "Long Black Train" anzuhäufen.

Josh Turner; Foto: George Holz

"Ich war nicht in der Stimmung, irgendwelche traurigen Lieder zu singen", erklärte er. "Ich wollte die Leute aufbauen. Ich wollte die Leute aus ihren Sesseln holen, sie zum Tanzen und sich Bewegen bringen und sie den ganzen Ballast und all die Negativität vergessen lassen, die gerade in der Welt sind. Daher war die erste Single, "Why Don’t We Just Dance", sozusagen der zentrale Song, um den sich alle anderen Songs anordnen."

Diese Vorgehensweise machte "Haywire" außerdem zum perfekten Kandidaten für eines der zuletzt von UMG veröffentlichten Deluxe-Alben. Zusätzlich zur Standardversion mit 11 Titeln brachte die MCA-Niederlassung des Unternehmens in Nashville gleichzeitig eine zweite Version mit vier Bonustiteln, einschließlich Live-Aufnahmen von "Long Black Train" und "Your Man" heraus, wozu noch die Möglichkeit geboten wird, das Video zu "Why Don't We Just Dance" und ein Interview über die Entstehung des Albums mit Turner vor der Kamera herunterzuladen.

Zum Teil wegen der Schüchternheit, die Turner in früheren Jahren seiner Karriere an den Tag gelegt hatte, war das Label überzeugt, dass dieses Bonusmaterial den Fans einen stärkeren Eindruck von ihm als vollendetem Künstler vermitteln würde als, so wie ihn das Publikum im Ryman während des CRS erlebte. Ken Robold, Executive VP und GM, Universal Music Group Nashville, hatte den Eindruck, das Interview-Material "würde die Kunden dafür interessieren, ihm näher zu kommen."

Mit den Live-Bonusaufnahmen werden zwei Ziele verfolgt, nämlich Turners Status als Hitlieferant bei Fans, die zwar seinen Namen kennen, ihn aber nicht mit diesen früheren Singles in Verbindung gebracht haben, zu festigen, und sein sympathisches, kontaktfreudiges Auftreten auf der Bühne zu zeigen.

"Wir hatten das Gefühl, dass seine Live-Auftritte eine Art Lücke füllten", stellte Robold fest. "Auch wenn man ihn auf diesen Audio-Spuren nicht sehen kann, ist auf beiden dieser Titel sehr viel Resonanz vom Publikum zu hören. Man kriegt ein Gefühl dafür, selbst wenn man nur den Ton hört, dass er sich auf der Bühne wohlfühlt und dein Kontakt zum Publikum genießt."

Es kostete einige Mühe, diese Freude am Auftreten zu erreichen. Turner war bei seinem ersten öffentlichen Auftritt wie versteinert, als er mit 14 Jahren "Diggin' Up Bones" von Randy Travis sang, da ihn seine Mutter ihn zu einer Kirchenveranstaltung angemeldet hatte. Ebenso ist er als junger Künstler nicht durch die Clubs getourt, was ein bewährtes Mittel für den Aufbau von Unterhaltungskünstlern ist, wobei er das ohne Frage mit seinen eigenen Auftritten und im Vorprogramm anderer Künstler, darunter zuletzt Alan Jackson auf seiner "Freight Train"-Tour, wettgemacht hat.

Am bemerkenswertesten ist vielleicht, dass Turner zugibt, nicht unbedingt mit dem Temperament eines Bühnenkünstlers geboren worden zu sein. "Ich mag keine Menschenmengen", gab er zu. "Ich mag es nicht, an lauten Orten zu sein. Wenn ich nicht auf der Bühne und im Geschäft bin, bin ich an einem ruhigen Ort. Ich liebe meine Einsamkeit. Ich liebe die Zeit, wenn ich allein bin, ob beim Rasenmähen, Jagen oder Fischen, oder bei was auch immer. Ich komme dabei einfach dem Herrn, der Erde und mir selbst näher. Es ist für mich die Zeit, nachzudenken und nach der Inspiration für den nächsten Song zu suchen und über Dinge zu beten, die in meinem Leben passieren."

Josh Turner; Foto: George Holz

Glücklicherweise ist ein Bühnenauftritt vor einer Menschenmenge etwas anderes als sich selbstin ihr zu befinden, und Turner hat gelernt, mit den Risiken umzugehen, indem er bei der Konversation mit dem Publikum, die ja in den meisten Konzertsituationen einseitig ist, seine unbeschwerte Seite zeigt.

"Der echte, wahrhaftige Country Music-Fan und der echte Amerikaner warten darauf, den wahrhaftigen Künstler zu sehen", sagte Turner. "Sie möchten meine Kunst sehen. Sie möchten meine Seele sehen. Sie wollen nicht, dass ich mich auf die Bühne stelle und eine Fassade aufsetze und versuche, etwas zu sein, das ich nicht bin, oder versuche, cool zu sein. Ich versuche nur, echt und wahrhaftig und organisch und tapfer zu sein."

Diese Herangehensweise hat bei seinem CRS-Auftritt definitiv funktioniert, wo er nicht nur seine scherzhafte Seite, sondern auch sein Wissen über R&B zeigen konnte. "No Rush" von seinem Album "Your Man" aus dem Jahr 2006, geschrieben von Shawn Camp, Billy Burnette und Brice Long, brachte im Vergleiche mit Barry White ein. Er arbeitete mit dem R&B-Sänger Anthony Hamilton an "Nowhere Fast" zusammen, das von Hamilton und Kelvin Wooten geschrieben und auf "Everything is Fine" aus dem Jahr 2007 veröffentlicht wurde. Auf "Haywire" bereist er dieses Territorium erneut mit dem in bester Old-School-Manier von Tim James, Kendell Marvel and Chris Stapleton geschrieben Titel “Lovin’ You on My Mind”.

"In meiner Schule waren die eine Hälfte weiß, die andere Hälfte waren Afro-Amerikaner", erinnerte sich der in South Carolina geborene. "Es war eben nicht nur die weiße Kultur, in der ich aufgewachsen bin. Ich wuchs damit auf, traditionelle Country Music und Bluegrass und Gospels zu lieben. Und dann, in der Mittel- und Oberstufe fing ich an, die derzeit aktuellen R&B-Sounds zu hören, die alle meine Freunde anhörten – und ich liebte es. Ich wusste, dass es ein anderer Musikstil war, gleichzeitig war aber auch in dieser Musik sehr beseelt. Es war einfach eine andere Sorte Beseeltheit."

Mit all diesen Elementen in der Mixtur bekommen Country-Zuhörer Einsichten in unterschiedlichere Teile von Turners Seele. Mit den Einflüssen des klassischen Country sind konservative, zentrale Werte und eine reichhaltig strukturierte Stimme so vorherrschend wie immer, wobei sein einzigartiger Humor, seine zunehmende Leichtigkeit vor der Menge und die feinsinnigen Hinweise auf seine Wertschätzung anderer Stile Haywire als Meilenstein der Veränderung wie auch als handwerklich reifes und zum perfekten Zeitpunkt errichtetes Wahrzeichen in seinem Portfolio etablieren.

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