Popstars stürmen Country Charts

The Wreckers

Wenn Popstar Michelle Branch und ihre Freundin Jessica Harp ihre Köpfe durchsetzen hätten können, wäre ihr neues Country-Album "Stand Still, Look Pretty" wohl noch erfolgreicher geworden. "Manche Leute wollten uns einbremsen und meinten, wir sollten das Ganze lieber langsam angehen", sagt Branch über das Duo namens The Wreckers. "Ich glaube, wenn es nur nach Jessica und mir ginge, hätten wir ein Bluegrass Album gemacht." Die Band, deren Album am 23. Mai 2006 in den USA erschien, ist eine von vielen außerhalb von Nashville, die mit Country Musik Erfolge erzielen.

Das Duett "Who Says You Can't Go Home" von Bon Jovi und Jennifer Nettles (Sugarland) schaffte es auf Platz 1 der Country Single Charts und blieb dort auch 2 Wochen lang, während die neuen Alben von Van Morrison, "Pay the Devil", und Norah Jones´ Countryband "Little Willies" (so benannt als Hommage an Willie Nelson) sich auch ganz gut schlagen (Platz 24 und 27 in den Country Album Charts).

Die erste Singel der Wreckers, "Pick Up the Pieces" schaffte es auf Platz 29 der Billboard Charts und bewegtesich nach 6 Wochen nach oben. "Gegen Ende meiner letzte Solo-Tournee habe ich versucht herauszufinden, was mir noch Spaß machen könnte", sagte die 22jährige Branch, unter deren Pop Hits sich "The Game of Love", aufgenommen mit Santana, befindet und für den sie sogar einen Grammy bekam. "Ich kam auf die Idee, ein Country-Album als Sänger/Songwriter zu machen - etwas, was ich schon immer machen wollte."

Pop- und Rockmusiker haben sich schon immer zu Countrymusic hingezogen gefühlt, die sich durch Songs mit lebendigen Geschichten und durch tolle Musiker auszeichnet. Alle haben sie mit Nashville geflirtet - sei es Bob Dylan, Elvis Costello oder Kid Rock. Doch in letzter Zeit war das nicht mehr so. Neil Young brachte ein Album und einen Konzertfilm heraus, die das Goldene Zeitalter der Country Musik veranschaulichen. Morrison and Jones funktionierten das klassische Country Songbook für ihre eigenen Zwecke um. Und der frühere Frontman der Pixies, Frank Black, engagierte Nashville-Musiker für sein Album "Honeycomb".
Sogar David Lee Roth spielte für sein neues Bluegrass Tribute Album "Strummin' with the Devil: The Southern Side of Van halen" mit einer Gruppe von Nashville-Musikern.
"Wenn alle diese Künstler etwas gemeinsam haben, dann ist es wohl ihr großer Respekt vor Countrymusic und Country Musikern", meinte Brian Philips, General Manager von Country Music Television (CMT).

Für Branch schien Countrymusic perfekt zum Sound der Wreckers zu passen, der Mandoline, Banjo und Geige innerhalb enger Harmonien und Rockbeat vereint. Das Duo und ihr Label, Maverick/Warner Bros. Nashville, promoten das Album nur für Country Radiosender.

"Wer meine Karriere von Anfang an verfolgt hat, wer weiß wie ich schreibe und sich wirklich für mich und das, was ich mache, interessiert, wird meine neue Musik nicht allzu schockierend finden", meinte Branch. "An meiner Art zu schreiben hat sich nichts verändert".

Während die 70er Jahre eine fruchtbare Zeit für Sänger/Songwriter wie Joni Mitchell und Cat Stevens war, von denen sich Branch inspirieren lässt, ist Countrymusic heute offener für diesen Stil als Pop.
"Es ist einfach zu schwierig für Sänger/Songwriter sich in der Pop-Branche durchzusetzen, vor allem wenn man noch neu ist. Du bekommst gerade mal eine halbe Sekunde um dich zu beweisen", meinte sie.

Country-Fans haben Sänger, die aus einem anderen Genre gekommen waren, immer angenommen, allerdings ist es schon eine Weile her, dass Popstar mit Countrymusic über eine längere Zeit weg erfolgreich waren, so wie einst John Denver oder Linda Ronstadt.
Weniger ungewöhnlich ist es jedoch, wenn Country-Sänger sich Popmusik widmen, so wie es Shania Twain oder Faith Hill gemacht haben.
Für Wade Jessen, Chef der Billboard´s Country Charts, stellen die momentanen Erfolge der Outsider-Künstler eher die Ausnahme als die zukünftige Regel dar.

"Aus Mangel an einer besseren Analogie denke ich, dass die Stars einfach den richtigen Zeitpunkt erwischt haben", meint Jessen. "Das, was Bon Jovi immer schon gemacht hat, ist vielleicht genauso Country wie das, was er jetzt macht. Ich glaube nicht, dass Bon Jovi darauf aus ist eine Crossover-Karriere zu starten."

Trotz starker Verkaufszahlen wird weder das Album von Van Morrison noch das von Norah Jones, "Little Willies", auf Mainstream-Radiosender gespielt. CMT´s Philips meint, dass Country Fans viel abenteuerlustiger sind als das Radio ihnen zutraut. CMT hat vielleicht mehr als jeder andere dazu beigetragen, die Grenzen von Country Musik verschwimmen zu lassen. Im Kabelfernsehen werden Videos von Pop- und Rockstars wie Sheryl Crow und Jewel gezeigt, und in der beliebteste Sendung "Crossroads" werden neben Country-Sängern auch andere Künstler wie Dave Matthews und John Mayer gezeigt. Diesen Monat gab es als Special ein Van Morrison Konzert aus Nashville und Einblicke in die Aufnahmen zum neuen Bruce Springsteen Album, das eine Hommage an den Folk-Sänger Pete Seeger ist.

"Wenn man vor 20 Jahren mit Leuten, die Countrymusic gehört haben, geredet hat, haben die meisten gesagt, 'Wo ich aufgewachsen bin, da hat man nur Countrymusic gehört'", sagte Philips. "Heute wächst eigentlich jeder so, dass er Zugang zu allen möglichen Genres hat. Wenn du Strom hast, sollte das kein Problem sein.

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