Jack Ingram sinniert auf This Is It über die Lektionen des Lebens

Jack Ingram, Foto: David McClister

"Die Welt ist hart und das wissen wir alle", meint der texanische Hitzkopf ungerührt. "Die Musik ist mein Prüfstein. Was mich angeht, haben mich handwerklich geschickte Songs, nie gerührt, sondern Lieder über das Leben von Menschen."

Seine Stimme, die schon ganz rau davon geworden ist, dass er seine ganze Seele in das einbringt, was er singt, und dann darüber mit jedem spricht, der zum Zuhören bereit ist, verklingt. Er musste den Gedanken nicht zu Ende bringen. Es war schließlich offensichtlich.

Die Wahrheit ist, dass alles, was Ingram anpackt, zu funktionieren scheint - von seiner ersten Nr. 1 für "Wherever You Are" im letzten Jahr, über die Vorgruppenauftritte für Brooks & Dunn, Sheryl Crow und Brad Paisley, seinen überraschenden Gewinn des von CMT verliehenen Preises für das "Wide Open Video of the Year" für die Top-10-Single "Love You", die Ehrung durch Mediabase als am häufigsten gespielter Künstler des Jahres 2006 bis hin zum Charteinstieg seines auf Big Machine Records veröffentlichten Albums "This Is It" in den Top 5.

Es ist kaum zu glauben, dass alles mit der Willie-Nelson-Platte "Red Headed Stranger" begann, die dem Vater eines Freundes gehörte. Ingram hörte diese, als er 17 war. "Zwei Wochen lang haben wir nichts anderes gehört", erinnert er sich. "Sehr einfach, aber sehr, sehr authentisch - und je länger man zuhört, desto mehr trifft das Ganze über alle Umstände hinweg genau das grundlegende Gefühl."

Foto: David McClister
Seit er 1996 einen Vertrag bei Rising Tide unterzeichnete und später bei Lucky Dog Records unterkam, wo im Jahr 1999 sein Album "Hey You" veröffentlicht wurde, auf dem das knurrige "Mustang Burn" sowie "Biloxi", ein schroffer Song über die Abrechnung eines allein gelassenen Teenagers mit einem zurückkehrenden Vater, zu finden waren, hat Ingram den Anspruch, das Wesen des Lebens herauszufiltern. Dieser ehemals so ungestüme junge Mann - heute ein dunkelblonder Gitarrenkünstler - sucht jetzt jedoch nach allgemein gültigen Wahrheiten.

Es liegt weniger daran, dass er weich geworden wäre, sondern vielmehr, dass er mehr Lebenserfahrung hat und durch diese einen tieferen Punkt im Inneren gefunden zu haben scheint, von dem sein Songwriting und sein Ausdruck ausgeht.

"Was ich verspürt habe, als ich "Red Headed Stranger" oder "Born to Run" oder Guy Clark zum ersten Mal hörte, war dieses Gefühl der Unmittelbarkeit, der Echtheit", erklärte er. "Ich möchte, dass die Leute die gleiche Erfahrung machen, wenn sie meine Platten hören."

Seine jüngste Hitsingle "Measure of a Man" lässt die Bitterkeit von "Biloxi" hinter sich, um auf eine Lösung hinzusteuern, wenn die Hauptfigur des Songs erkennt, dass Weisheit erlangt werden kann, indem man auf eigenen Füßen steht, sein Vertrauen in jemand anderen setzt und lernt, dass es viele Wege und Wahrheiten für das Erwachsenwerden gibt. Sie zeigt auch, dass Erwachsenwerden und ruhiger werden nicht notwendigerweise gleichbedeutend ist mit Abstumpfen.

Für den als typischen texanischen Einzelbrötler geltenden Ingram kam es in bestimmten Kreisen in seiner Heimat fast schon dem Verbrennen der texanischen Flagge gleich, dass er für die Aufnahme von "This Is It" die besten Studiomusiker aus Nashville heranzog. "Wie geht man da am besten heran, ohne die Grenze zu überschreiten?", waren seine damaligen Gedanken. "Das sind die besten Musiker der Welt, aber was ich will, sind ihre Emotionen. Ich wusste, wenn ich sie dazu bringen konnte, es zu fühlen, dann würde für mich alles in Ordnung gehen."

Ob es nun die komplizierte, sexuell verworrene Dreiecksbeziehung des Songs "Lips of an Angel" der Band Hinder aus Oklahoma ist oder der wütende musikalische Laufpass mit "Love You" (was alles andere als wörtlich zu nehmen ist) - Ingram hat die Möglichkeit gefunden, ein Dutzend Songs über das volle Leben zusammenzubringen. Es geht nicht um Moralpredigten noch handelt es sich um leere Phrasen; es ist einfach die Schilderung aus Ingrams Sicht.

Foto: David McClister
"Ich habe Jack zum ersten Mal getroffen, als Rising Tide ein paar von uns zu einem Showcase nach Arizona eingeladen hat", so Lon Helton, Herausgeber von Country Aircheck und Moderator von Westwood One´s CMT Country Countdown USA. "Und man konnte damals merken, dass es keine Frage des "ob", sondern des "wann" war. Er wusste immer, wie er die Leute erreichen konnte. Es ging nur darum, ihn bei einem Label unterzubekommen, wo sie verstanden, was er machte und wo sie über die erforderliche Zeit verfügten, dies dem Publikum zu vermitteln."

Damals wie heute bewegt sich Ingram zwischen dem, was als Mainstream-Country gilt, und solchen Gefilden der Musik, in denen sich Künstler wie Sheryl Crow aufhalten.

"Sheryls Publikum reagierte genauso wie mein eigenes in den 10 Jahren vor diesem Schritt", meint Ingram. "Ihr Publikum kauft auch die American Recordings von Johnny Cash und ich glaube, als sie uns sahen, konnten sie die Verbindung zu diesem Teil in dem, was wir tun, ziehen. Sie erkennen die elementaren Wurzeln meiner Musik."

Und dabei handelt es sich auch um ganz intime Wurzeln: Auf "This Is It" findet sich auch "Ava Adele", eine schöne Ballade, die wie das ultimative Liebeslied an eine Frau klingt, die die Fähigkeit besitzt, einen zu betören. In gewisser Hinsicht stimmt dies auch, denn Ingram hat das Lied über seine Tochter geschrieben.

"Ich weiß", sagt er und lacht über die Tatsache, dass auch wütende junge Männer die sentimentalen Realitäten des Lebens annehmen können. "Es ist komisch, das von dem Typ zu hören, der "Biloxi" geschrieben hat, dem Typ, der sich über diese Art von Themen lustig gemacht hat. Aber ich denke, dass ich häufig über Bindungen und Verpflichtungen spreche, darüber, für seine Leute da zu sein. Das ist ein ziemlich universelles Thema, ob man jetzt Arbeiter, Angestellter oder was auch immer ist."

Die Bereitschaft, sich zu entwickeln, sich mit den tieferen Momenten des Lebens auseinanderzusetzen, intensiviert das, was Ingram macht.

Dies scheint für Ingram zu gelten, dessen Karriere durch recht extreme Höhen und Tiefen ging. Es gab Zeiten - insbesondere nachdem sein Vertrag mit Lucky Dog platzte - in denen ihn nur der Glaube aufrecht hielt, dass hinter der nächsten Biegung etwas wartete, das es wert war.

Foto: David McClister
"Jedes Mal, wenn die Übertragung versagte, der Motor kaputt ging oder der Gig nicht lief, gab es da vielleicht zwei Leute, die es verstanden haben", erinnert er sich und spricht dabei mit der Vehemenz, die so viel über seine Musik aussagt. "Ab manchen Abenden waren es vielleicht zwei von fünf - und diese Leute brachten mich dazu, es immer wieder zu versuchen, Musik zu machen und an den Traum zu glauben."

"Ich habe so viele Leute gesehen, die im Radio gespielt wurden, die nicht auf diese Weise empfanden, die Millionen von Platten verkauften - und die nicht dahinter standen. Ich erinnere mich, wie ich vor dem Büro meines Mechanikers saß und dachte: "So werde ich nicht sein." Zum größten Teil war es einfach Leidenschaft, der Gedanke an diese zwei Leute. Aber das hat mich eben dazu gebracht weiterzuspielen, auch wenn es keinen anderen Grund gab."

"Und ich wusste, dass ich Recht hatte", betont er und erkennt, dass diese Hoffnung sich nicht auf eine Illusion stützte. Dann lacht er und gibt mit einem übermütigen Anstrich in der Stimme zu: "Da kommt dann der Trotz zum Tragen. Und wenn es mich umbringt, ich werde beweisen, dass ich Recht habe."

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