Ken Nelsons Rezept für eine positive Lebensanschauung

Wenn Ken Nelson eine Aufmunterung benötigt, singt er einen sechzig Jahre alten Song vor sich hin: "You've got to accentuate the positive/Eliminate the negative/Latch on to the affirmative/Don't mess with Mr. In-Between."

Dies ist aus drei Gründen eine angemessene Wahl: Erstens hebt es seine Stimmung, zweitens stellt Nelson, der im Januar 96 Jahre alt wurde, dadurch eine Verbindung zu der Zeit her, als er ein junger Mann war und drittens war der "Ac-Cent-Tchu-Ate The Positive"-Texter Johnny Mercer einer der drei Mitbegründer von Capitol Records, dem Label, mit dem Nelson seine Karriere aufbaute. Als Krönung derselben wurde er 2001 in die Country Music Hall of Fame aufgenommen.

Ken Nelson (Bild: Country Music Hall of Fame and Museum)
"Witzigerweise habe ich Johnny niemals getroffen", sagte Nelson in seinem luftigen Heim in der Nähe eines Golfplatzes in Ventura County, Kalifornien.

Ihre Zeit bei Capitol überschnitt sich in der Tat - Mercer gründete das Label 1942 in Los Angeles und Nelson trat dem Unternehmen 1946 bei, ein Jahr, bevor Mercer den Vorsitz an Glenn Wallichs abtrat.

Der tagtägliche Einfluss von Nelson dauerte wesentlich länger; er blieb bis Mitte der 70er bei diesem Label und verpflichtete und/oder produzierte Acts wie Roy Clark, Merle Haggard, Freddie Hart, Buck Owens, Hank Thompson und Sonny James.

"Das einzige Mal, wo ich gegenüber einem Künstler laut geworden bin, war bei einer Aufnahme von Sonny James", lacht Nelson. "Wir hatten schon drei Aufnahmen von 'Young Love' gemacht, und Sonny bestand darauf, noch eine weitere Aufnahme machen zu wollen. Ich sagte 'Das war´s jetzt und damit basta!' Das ist das einzige Mal, dass ich gegenüber einem Künstler etwas energischer auftreten musste. Allerdings hat sich die Platte auch nur ein paar Millionen Mal verkauft....."

Die Erinnerung von James an diesen Tag sieht etwas anders aus:

"Er wurde nicht wirklich laut. Er sagte einfach, "Nein Sonny, das ist die letzte Aufnahme´. Je länger ich mit Ken zusammen gearbeitet habe, desto mehr Freiräume gewährte er mir. Er gab mir die Freiheit, meine individuellen Vorstellungen in die Songs einzubringen. Mit jemandem wie Ken zusammenzuarbeiten, war eine der großartigsten Erfahrungen für mich. Ich liebe es halt, Gitarre zu spielen, was Teil meines ganz eigenen Sounds wurde. Ohne dies wäre meine Musik nicht authentisch gewesen. Dadurch, dass er mir die Freiheit ließ, mein Gitarrenspiel einzubringen, konnte ich meinen individuellen Stil entwickeln. Andernfalls hätte es den Sonny James-Sound, wie ihn die Leute kennen, nicht gegeben."

Nelson erwarb sich einen Ruf als künstlerfreundlicher Produzent. Seine Aufnahme von Ferlin Huskys "Gone" aus dem Jahr 1956 wird häufig als der Beginn des weichen Nashville-Sounds mit Popanklängen bezeichnet, der es dem Country erlaubt, die frühen Rock 'n' Roll-Jahre zu überstehen. Es ist jedoch auffallend, dass es sich bei Merle Haggard und Owens, seinen Künstlern mit den meisten Plattenverkäufen, um Singer-Songwriter aus Kalifornien handelte, deren rauer Honky Tonk einen Vorläufer für den größten Trend dieser Zeit darstellte.

"Ein Künstler muss er selbst bleiben", erklärte Nelson. "Wenn er nicht über das künstlerische Potenzial und die Fähigkeit verfügt, seine Gefühle rüberzubringen, hat er es nicht drauf. Man sollte einem Künstler nicht sagen müssen, was er zu tun hat."

Nelson war in Zeiten tätig, die noch durch wesentlich weniger Aufwand geprägt waren. Der erste Vertrag von James mit dem Label war nicht länger als eine Seite. Bei den meisten Aufnahmesitzungen wurden vier Aufnahmen in gerade einmal drei Stunden gemacht. Manchmal gab ein Label Künstlern sogar einen Vertrag ohne vorherige Proben, was so heute absolut undenkbar wäre.

Nelson erinnert sich besonders an den Moment, an dem er den Radiosender KWKH in Shreveport (Louisiana) verließ, wo er eine Session gemacht hatte und einen nicht namentlich genannten Sänger auf der Webb Pierce Radioshow hörte. Er vertraute einer Vorahnung und übernachtete in einem Hotel in der Stadt. Am nächsten Tag kehrte er zum Sender zurück und stellte Fragen über den unbekannten Sänger, der sich als Faron Young herausstellte.

"Ich ging zum Agenten Hubert Long", erinnert sich Nelson, "und ich sagte "Hubert, dieser Junge, Faron Young, ist verdammt gut und ich würde ihn gerne unter Vertrag nehmen, aber ich kann nicht bleiben, da ich mehrere Sessions in Nashville habe. Falls er noch keinen Plattenvertrag hat, könntest du ihn für Capitol unter Vertrag nehmen und mich auf dem Laufenden halten?´ Anschließend fuhr ich nach Nashville zurück, während Hubert Faron überzeugte, einen Vertrag mit Capitol abzuschließen und auch sein Manager wurde."

Diese Zusammenarbeit sorgte im nächsten Jahrzehnt für mehr als 25 Top-Ten-Hits, einschließlich "Hello Walls" und "If You Ain't Lovin' (You Ain't Livin')". Young wurde 2000 ebenfalls in die Country Music Hall of Fame aufgenommen.

Ken Nelson (Bild: John Russell / CMA)
Nelson hat hierzu eine ziemlich praktische Einstellung. Ihm ist bewusst, dass sich sein Leben über mehrere Phasen der Unterhaltungsgeschichte erstreckt, weshalb er seine Autobiographie "My First 90 Years Plus Three" schrieb, die im Februar 2007 von Dorrance Publishing veröffentlicht wurde.

Nelson steuerte 40.000 Dollar aus seiner eigenen Tasche bei, um sicherzustellen, dass es in Druck geht, "bevor ich den Löffel abgebe". "Mein Buch ist praktisch ein Abriss über die Geschichte des Musikgeschäfts", erklärte er. "Ich habe noch erlebt, wie sich das Radio und später das Fernsehen durchgesetzt haben."

Außerdem hat er die Veränderungen erlebt, die durch das Aufkommen der Rock-Musik verursacht wurden. In der Tat lagen seine besten Jahre als Produzent in den Sechzigern, zur selben Zeit, als Capitol mit den Beatles und den Beach Boys ganz groß abräumte. Wie sich herausstellte, spielte Nelson eine kleine, aber nicht unwichtige Rolle für den Erfolg der letztgenannten Gruppe. Ein sich mühender Texter namens Murray Wilson hatte ihn bezüglich der Band angerufen, und Nelson hatte ihm versprochen, dass ihn der Pop A&R Director Nik Venet zurückrufen würde. Nelson musste Venet mehrmals ermahnen -zuletzt durch eine richtige Schimpfkanonade - bis Venet sich schließlich bequemte, zurückzurufen.

Die Beach Boys erhielten natürlich einen Vertrag, und der A&R Vice President, Voyle Gilmore, erteilte seiner Abteilung einen Rüffel, weil sie nicht sofort reagiert hatte.

"Beim nächsten A&R-Meeting", sagte Nelson lachend, "erklärte Voyle: "Lasst euch das eine Lehre sein. Wir hätten die Beach Boys verlieren können. Das nächste Mal, wenn Ihr einen Tipp wie den von Ken bekommt, kümmert Ihr euch darum.´ Natürlich wusste ich nicht, wie sich die Gruppe anhörte, aber ich fand, dass man den Mann zumindest anhören sollte."

Ob es ihnen nun bewusst ist oder nicht: Millionen haben Songs gehört, die von Nelson produziert wurden, der immer noch bemerkenswert fit ist. Obwohl weit über 90, trainiert er immer noch fünfmal die Woche 45 Minuten und genehmigt sich nachmittags gegen fünf Uhr sein tägliches Bier. Er liest immer noch die Zeitung mit einer Lupe und sein Sammelalbum enthält Leserbriefe, die in den letzten Jahren veröffentlicht wurden.

Der mitbegründende Direktor und frühere zweimalige Präsident des CMA-Vorstands gab zu, dass ihn seine nachlassenden Fähigkeiten manchmal frustrieren, aber dann beginnt Nelson, den alten Mercer-Song zu singen und konzentriert sich gemäß dessen Motto auf die vielen positiven Erlebnisse in seinem Leben.

"Es ist schwierig, nicht ständig an das Älterwerden zu denken", gibt er zu. "Ich hasse es, aber es gibt nichts, was man dagegen tun kann. Also muss man einfach das negative Denken ausschließen."

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